Neue Flüchtlingsunterkünfte in München:"Wir kämpfen um jedes Objekt"

Flüchtlingslager in der McGraw-Kaserne in München, 2014

An Weihnachten zogen die ersten Flüchtlinge in die neue Containerunterkunft auf dem Gelände der McGraw-Kaserne.

(Foto: Catherina Hess)
  • Die Stadt München braucht mehr Flächen für Asylbewerber, doch die Anwohner melden an vielen Orten Bedenken an.
  • Der Stadtrat hat eine Task Force eingerichtet, die 260 Standorte in München prüft.
  • Derzeit leben etwa 6000 Asylbewerber in München, in diesem Jahr wird noch mit weiteren 3600 Menschen gerechnet.

Von Inga Rahmsdorf

Gegen Flüchtlinge habe man nichts, Asylbewerber seien im Viertel willkommen. Aber was ist mit den fehlenden Krippen? Was mit den geplanten Wohnungen? Und warum sind die Anwohner nicht früher informiert worden? Solche Fragen werden derzeit in einigen Teilen Münchens laut. In Laim soll auf einer Brachfläche eine Unterkunft für Flüchtlinge entstehen. In Forstenried auf einer städtischen Wiese eine Containeranlage für 200 Menschen errichtet werden. Doch Anwohner und Bezirksausschüsse kritisieren die Stadt für diese Pläne. Und die steht unter Druck. "Wir kämpfen um jedes Objekt und jede Fläche", sagt Sozialreferentin Brigitte Meier.

München braucht mehr Unterkünfte für Asylbewerber. Und zwar dringend, denn in diesem Jahr müssen insgesamt etwa 4600 Plätze geschaffen werden. Die Zahl der Menschen steigt, die in Deutschland Asyl suchen. Hinzu kommt, dass viele der bestehenden Plätze in München im Laufe des Jahres wieder wegfallen, etwa die Containeranlage auf dem Messeparkplatz. Außerdem muss die Stadt etwa 1000 zusätzliche Betten für Obdachlose aufbauen. Doch es gibt kaum noch ungenutzte Flächen im schnell wachsenden München. Und um jedes freie Grundstück tobt ein Konkurrenzkampf zwischen Wohnraum, Kitas, Grünflächen, Seniorenheimen und Schulen.

Keine Möglichkeit, Flüchtlinge dezentral unterzubringen

"Natürlich würden wir die Flüchtlinge lieber dezentral in Wohnungen unterbringen als in Gemeinschaftsunterkünften", sagt Münchens Sozialreferentin Brigitte Meier. Das mag in Kommunen, in denen viele Wohnungen leer stehen, möglich sein. Angesichts des angespannten Münchner Wohnungsmarkts sei das aber utopisch. Und nicht nur in der Stadt. In der gesamten Metropolregion ist es schwierig, überhaupt noch freie Flächen oder leer stehende Gebäude zu finden. Schwierig, aber eben auch nicht unmöglich, wie München und viele Landkreise derzeit beweisen.

Die Grundstücke in Forstenried und Laim sind zwei von mehreren geplanten Standorten für Flüchtlingsunterkünfte mit insgesamt 2500 Betten, über die der Stadtrat an diesem Mittwoch berät. Die neuen Einrichtungen sind temporär angelegt, meist für fünf, maximal 15 Jahre. Es muss alles schnell gehen, denn wer es bis nach München geschafft hat und um Asyl bittet, der braucht ein Dach über dem Kopf. Manchen Anwohnern geht das zu schnell. Der Bezirksausschuss Laim kritisierte vergangene Woche, dass er nicht vorab über die Pläne informiert worden sei. "Doch wie sollen wir über Objekte informieren, die wir selbst erst einmal prüfen müssen?", fragt Meier. Die Stadt befinde sich in einem Dilemma: Wenn sie jede Idee, die sie prüft, sofort öffentlich machen würde, gäbe es viele Debatten über Standorte, die gar nicht in Frage kommen werden.

Niemand war auf die Asylbewerber vorbereitet

Derzeit leben etwa 6000 Asylbewerber in München. Eigentlich keine hohe Zahl angesichts von fast 1,5 Millionen Einwohnern. Doch niemand war darauf vorbereitet. Dabei lebten zu Beginn der Neunzigerjahre schon einmal viel mehr Flüchtlinge in der Stadt, doch nachdem die Zahlen sanken, baute der Freistaat die Unterkünfte immer weiter ab, ließ sie schließen und abreißen. Nun wird in diesem Jahr mit weiteren 3600 Asylbewerbern für München gerechnet. Doch das sind nur Prognosen. Vielleicht kommen weniger, vielleicht auch mehr. Asylpolitik beruht nicht auf berechenbaren Zahlen.

Vor knapp einem Jahr hat der Stadtrat eine Task Force zur Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen unter der Federführung des Sozialreferats eingesetzt. Alle zwei Wochen trifft sie sich, Mitarbeiter von sieben Referaten sitzen dann um einen Tisch, die alle daran arbeiten, neue Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen. Die aber auch aufpassen, dass die Einrichtungen nicht zu sehr den Interessen ihres eigenen Referats widersprechen. Wenn sie die Liste mit den Vorschlägen prüfen, dann geht es auch darum, dass kein Schulstandort gebremst wird, dass kein Neubaugebiet behindert wird und kein Verkehrsprojekt verschoben.

260 Standorte prüft eine Task Force

Auf der Liste, die die Task Force abarbeitet, stehen derzeit 260 Standorte. Das sagt das Sozialreferat. Öffentlich sind die Standorte nicht. Es ist zunächst nur eine Art Ideensammlung. Alles, was angeboten wird, wird dort aufgeführt. Alle staatlichen und städtischen Freiflächen sind darunter. Aber auch jeder Hinweis aus der Bevölkerung oder von Privatanbietern. Die Task Force prüft die Grundstücke, Gebäude, Pensionen und ehemaligen Büros. "Wir kämpfen um jedes Objekt", sagt Meier. Trotzdem wird das meiste schnell von der Liste gestrichen. Weil es mitten im Wohngebiet oder aber zu weit am Stadtrand liegt und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Manche Gebäude sind in so schlechtem Zustand, dass sie eigentlich nur noch zum Abriss taugen. Für andere verlangen Eigentümer so viel, dass sie weit über den Preisen liegen, die die Stadt vertreten kann. Oder es fehlen Fluchtwege, Sanitäranlagen oder der Brandschutz.

"Es gibt keinen idealen Standort", sagt Meier. Wenn ein Gebäude oder Gelände doch einmal relativ viele Kriterien erfüllt, dann muss auch noch die Regierung von Oberbayern zustimmen. Denn sie ist eigentlich verantwortlich für die Unterbringung von Flüchtlingen und betreibt die Einrichtungen. Für die Suche und Errichtung der Unterkünfte kann sie aber die Kommunen und Landkreise in die Pflicht nehmen.

Gerechte Verteilung der Flüchtlinge ist schwierig

Je mehr Einwohner ein Landkreis oder eine Stadt hat, desto mehr Flüchtlinge werden ihm zugewiesen. Ob das gerecht ist oder nicht, darüber wird gestritten. Bevölkerungsreiche Regionen fordern, dass man sich auch am Immobilienmarkt orientieren sollte. Wenn in ländlichen Regionen Wohnraum leer steht, warum werden dort nicht mehr Asylbewerber untergebracht, lautet die Kritik. In dünn besiedelten Gebieten wiederum verlangt man, mehr Flüchtlinge wirtschaftsstarken Metropolen zuzuteilen. Gefordert wird immer eine "gerechte Verteilung" - der Streit fängt bei den EU-Staaten an, geht über die Bundesländer bis hin zu den Kommunen.

Und selbst zwischen den Münchner Bezirken wird darum gerungen. In Perlach ist eine Unterkunft für Asylbewerber geplant, doch der Bau an der Nailastraße könnte sich verzögern, weil Anwohner geklagt haben. Sie sahen sich ungerecht behandelt bei der stadtweiten Verteilung. Auch im Stadtrat führte das Thema schon zu Streit, weil einige Kommunalpolitiker Bezirke benachteiligt sahen. Man strebe eine möglichst gleichmäßige Verteilung an, aber es sei schwierig, sagt Meier. Schließlich seien die Objekte, die in Frage kommen, nicht gleichmäßig verteilt.

Es ist ein sensibles Thema. Schnell entsteht bei Anwohnern der Eindruck, dass die Stadt sie nicht in den Entscheidungsprozess einbindet. Dass die Stadt diese Kritik ernst nehmen muss, hat sie im vergangenen Sommer festgestellt, als rund um die Erstaufnahmeeinrichtung in der Bayernkaserne Anwohner hanebüchene Gerüchte verbreiteten und die Stimmung immer aggressiver wurde. Die Stadt hat daraus Lehren gezogen. Bevor die Containeranlage auf dem Messeparkplatz eröffnet wurde, lud sie Anwohner zu einer Informationsveranstaltung ein. "Wir müssen bei dem Thema auch noch lernen und uns in die Prozesse hineinfinden", sagt Meier.

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