Fall Teresa Z. vor Gericht:Gutachter belastet Polizisten

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"Ein Schlag, nicht zwei": Frank W. vor Gericht (Foto: Stephan Rumpf)

Er hat der gefesselten Teresa Z. Nasenbein und Augenhöhle gebrochen und steht nun deswegen in München vor Gericht. Der Polizist Frank W. verteidigt sich und sagt, er habe aus einem Reflex heraus gehandelt. Ein Gutachter ist da anderer Meinung.

Aus dem Gericht von Anna Fischhaber

Der Gutachter Jiri Adamec vom Institut für Rechtsmedizin kommt als Letzter zu Wort vor dem Münchner Amtsgericht - und er belastet Frank W. schwer. Der Polizist soll der gefesselten Teresa Z. am 20. Januar auf der Wache in München-Au mit mindestens einem Faustschlag das Nasenbein und die Augenhöhle gebrochen haben.

"Der Schlag muss intensiv gewesen sein", sagt Adamec. Zudem würden verschiedene Hinweise eher für einen intendierten Schlag als für eine Selbstschutzmaßnahme sprechen. "Bei einer Abwehr würde man nicht einen Faustschlag erwarten, sondern eher einen Kontakt mit der flachen Hand", sagt der Sachverständige. Auch eine Ausholbewegung spreche gegen eine reine Selbstschutzmaßnahme.

Teresa Z., 23, Zeugin und Nebenklägerin, ist klein und zierlich. Der Polizist ist mindestens einen Kopf größer als sie und breitschultrig. Blass sieht er zu Prozessbeginn an diesem Dienstagmorgen allerdings auch aus. Starr blickt er geradeaus, während die Fotografen ihn von allen Seiten ablichten.

Frank W., 33, ist inzwischen vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Körperverletzung im Amt vor. Hat er in Notwehr gehandelt, als er damals zuschlug? Das ist die entscheidende Frage, um die es vor dem Münchner Amtsgericht geht.

Zahlreiche Zuschauer sind gekommen, um die Verhandlung zu verfolgen. Der Fall sorgte bis weit über die Grenzen der Stadt hinaus für Aufsehen. Zudem kommt es nicht oft vor, dass ein Polizist angeklagt wird. Doch der Saal A 221 ist klein, längst nicht alle Zuschauer passen hinein.

"Sie sind bei der Polizei, es passiert ihnen nichts"

Teresa Z., Opfer und Nebenklägerin, und ihr Anwalt Franz J. Erlmeier am Dienstag im Münchner Amtsgericht. (Foto: dpa)

Als erster sagt Frank W. aus, geboren in Sachsen, verheiratet, ein Sohn. Er betont, wie aufgebracht Teresa Z. gewesen sei, als er ihr im Innenhof der Wache begegnete. Mehrmals habe sie sich auf den Boden geworfen, habe hysterisch geschrien. In der Zelle hätten ihr die Beamten die Handschellen abnehmen wollen, doch sie habe wild um sich geschlagen. Habe die Polizisten als "Hurensöhne" beleidigt. Schließlich habe er die Frau auf die Pritsche gelegt, habe ihr ins Gesicht geschaut und gesagt: "Sie sind bei der Polizei, es passiert ihnen nichts." W. zeigt mit dem Ordner vor sich, wie nah man sich gewesen sei.

In diesem Moment habe ihm die Frau ins Gesicht gespuckt. "Eine großflächige Spuckattacke im Nasenbereich", nennt der Polizist das. Er habe ihr Gesicht weggedreht, doch dann sei sie nochmal ruckartig nach oben gekommen. "Für mich war es ein Angriff, ich habe mich bedroht gefühlt", sagt er. "Ich habe gedacht, dass sie mir einen Kopfstoß verpasst." Er sei zurückgewichen, habe aber gleichzeitig einen Schlag gegen ihren Kopf ausgeführt. "Ein Schlag, nicht zwei", sagt der Polizist.

Er entschuldigt sich an diesem Vormittag erst auf Nachfrage. "Mir tut die Verletzung leid", sagt er leise. Der Schlag sei ein Reflex auf ihren Angriff gewesen. "Wie soll ich da sagen, dass mir das leid tut", fragt Frank W. nur. Er beharrt darauf, dass er aus der Angst, verletzt zu werden, zugeschlagen habe. Dass er in dem Moment keine andere Möglichkeit gesehen habe. Und er sagt: "Ich habe sicher nicht ausgeholt wie ein Preisboxer."

"Ich habe die ganze Zeit geschrien und geweint. Ich wollte nur, dass sie mich loslassen." So erzählt Teresa Z. später die Geschichte. Sie zeigt, wie Frank W. sie mit dem Ellbogen auf die Pritsche gedrückt und ihr das Gesicht zugehalten habe. Sie berichtet, wie sie gespuckt habe, wie sie sich weggedreht habe - dann seien die Schläge gekommen. "Es waren zwei, schnell hintereinander", sagt sie.

Vor dem Amtsgericht ist nur ein Tag für die Verhandlung angesetzt - das Urteil könnte also noch an diesem Dienstag fallen. Der Zeitplan allerdings ist straff: 13 Zeugen sowie ein Sachverständiger werden am Dienstag insgesamt gehört. Dem Beamten droht bei einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Bekommt der Polizist zwölf Monate oder mehr, wird er wohl aus dem Dienst entfernt.

"Diese Leute entwickeln enorme Kräfte"

Entscheidend sind vor Gericht auch die Aussagen der Kollegen von Frank W.. Mindestens sechs Beamte befanden sich in der Zelle. "Ich gehe davon aus, dass sie Betäubungsmittel genommen hat. Diese Leute entwickeln enorme Kräfte, auch wenn sie nur 1,60 Meter groß sind", sagt ein Kollege von Frank W. über Teresa Z. "Ich habe noch nie eine Frau so ausrasten sehen", sagt ein anderer.

Es geht nun um Details - wie nah der Polizist der Frau vor dem Schlag war, ob sie fixiert war, ob Frank W. ausgeholt hat, ob Teresa Z. tatsächlich nach oben schnellte und ob der Beamte ein oder zwei Schläge abgegeben hat. Immer wieder hört man nun: "Weiß ich nicht" oder "Das habe ich nicht gesehen".

Selbst die Polizistin, die am nächsten dran war, weiß nicht mehr, ob der Kollege mit der Hand oder der Faust zugeschlagen hat. Sicher ist sie sich dagegen, dass er nicht ausgeholt hat. "Den Schlag habe ich als nicht so stark empfunden", sagt sie. Dann erzählt sie, die junge Frau habe noch auf der Wache gesagt, sie kenne einen Journalisten und werde die Polizisten anzeigen. Teresa Z. steht nun auf und verlässt den Gerichtssaal. Nach der Mittagspause ist sie wieder da.

Am Nachmittag werden weitere Beamte befragt. Der Dienstgruppenleiter aus der Au sagt, man habe nach dem Schlag kaum eine Verletzung bei Teresa Z. gesehen: "Es war nur ganz leicht geschwollen". Überhaupt scheint man sich auf der Wache wenig Sorgen um die Frau gemacht zu haben, stattdessen berichten die Beamten immer wieder, man habe nach dem Vorfall wissen wollen, ob sie ansteckende Krankheiten habe - wegen der Spuckattacke.

Die Staatsanwaltschaft beantragt schließlich, den Polizisten wegen Körperverletzung im Amt zu einer Strafe von zehn Monate zu verurteilen, die auf Bewährung ausgesetzt werden können. Reue konnte sie angesichts seiner Entschuldigung nicht erkennen, sagt die Staatsanwältin noch.

Franz J. Erlmeier, der die Nebenklägerin Teresa Z. vertritt, ist anderer Meinung. "Ein Polizeibeamter muss sich schon im Griff haben", sagt er. Und über Frank W.: "Er hat im bayerischen Polizeidienst nichts zu suchen." Der Anwalt fordert deshalb eine Strafe von 16 Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt werden kann. Wird der Polizist zu mehr als zwölf Monaten verurteilt, muss er wohl aus dem Dienst ausscheiden. Allerdings ist dafür ein weiteres Verfahren nötig.

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