Fälle sprunghaft angestiegen:Masern-Epidemie in München

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Eine Frau wird in einer Arztpraxis gegen Masern geimpft. (Foto: dpa)

220 Fälle seit April: Das Gesundheitsreferat in München registriert eine Masern-Epidemie, warnt vor schwerwiegenden Folgen und rät dringend zur Impfung. Bei der Ausbreitung der Krankheit könnten ausgerechnet die Siegesfeiern des FC Bayern eine Rolle gespielt haben.

Von Stephan Handel

Von einer Epidemie spricht das Gesundheitsreferat (RGU) bereits - und tatsächlich sind derzeit in München so viele Menschen an Masern erkrankt wie seit vielen Jahren nicht mehr: 220 Fälle wurden dem RGU seit April gemeldet, im vergangenen Jahr waren es gerade mal sieben. Seit der Jahrtausendwende war die Zahl der Infektionen in der Stadt nicht mehr so hoch. Und: Die meisten Erkrankungen nehmen einen schweren Verlauf, mehr als die Hälfte der Patienten mussten in einem Krankenhaus behandelt werden.

Das liegt laut Susanne Vogel, der Leiterin des Sachgebiets Infektionsschutz am RGU, vor allem daran, dass viele Jugendliche und junge Erwachsene erkranken, denen die Infektion mehr zu schaffen macht als Kindern. Dazu kommt, dass die Krankheit oft nicht rechtzeitig erkannt wird - und das wiederum hat seinen Grund darin, dass die früher häufige Kinderkrankheit Masern mittlerweile relativ selten geworden ist.

Susanne Vogel: "Viele, gerade junge Ärzte diagnostizieren zu Beginn erst einmal einen grippalen Infekt. Bis dann der charakteristische Hautausschlag auftritt, hat der Patient schon sein gesamtes ungeschütztes Umfeld angesteckt." Und die Zahl der Ungeschützten steigt ebenfalls - paradoxerweise, seit es eine Impfung gegen das Virus gibt.

Bis in die Siebzigerjahre hinein machten die meisten Kinder die Erkrankung auf natürlichem Weg durch und waren von da an immun. Dann aber wurde geimpft - und als die Bereitschaft dazu abnahm, liefen mehr Menschen ohne Schutz herum, so dass die Krankheit nun hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene trifft.

RGU-Ärztin Vogel hat deshalb nur einen Rat: "Impfen, impfen, impfen." Der Schutz wirkt auch dann noch, wenn man sich bereits infiziert hat - und es schadet auch nichts, wenn aus Unwissenheit ein zweites Mal geimpft wird. Ausgenommen sind nur Babys bis zum elften Lebensmonat und Schwangere.

Masern bereiten den Weg für Folgeerkrankungen

Die Masern beginnen zunächst wie eine Grippe: mit Husten, Schnupfen, Halsweh und Fieber. In der zweiten Krankheitswoche breitet sich, meist hinter den Ohren beginnend, ein roter Hautausschlag über den ganzen Körper aus.

Eine Therapie gegen die Krankheit existiert nicht, nur die Symptome können behandelt werden. Und: Nach dem Abklingen der Erkrankung ist das Immunsystem des Patienten für etwa sechs Wochen extrem geschwächt und somit anfällig für Folgeerkrankungen wie Lungenentzündungen bis hin zu einer immer tödlichen Gehirn-Entzündung, der so genannten SSPE.

Extrem ansteckend ist die Krankheit während des Auftretens der Hauptsymptome - so sehr, dass Kranken per Gesetz das Betreten von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Krankenhäusern verboten ist. "Wir sind froh", sagt Susanne Vogel, "dass wir niemanden von den Abitur-Prüfungen ausschließen mussten."

Ob die Erkrankungswelle weiter anschwellen wird oder den Höhepunkt bereits überschritten hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen: Gerade erst sind die Pfingstferien zu Ende gegangen, "es ist anzunehmen, dass Leute krank aus dem Urlaub zurück kommen", sagt Vogel.

Und noch eine weitere Unwägbarkeit macht eine Vorhersage über den weiteren Verlauf der Epidemie derzeit schwierig: Etwa zwei Wochen dauert es von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit. "Und in den vergangenen zwei Wochen waren ja jede Menge Feiern mit vielen Menschen auf einem Haufen, zum Beispiel in der Leopoldstraße oder auf dem Marienplatz", sagt Susanne Vogel. "Da waren sicher auch Infizierte dabei, die den Virus schön weitergegeben haben." Die Siegesfeiern des FC Bayern als Beförderer der Masern-Epidemie in München - das wäre eine äußerst merkwürdige Pointe der erfolgreichsten Saison in der Geschichte des Vereins.

© SZ vom 05.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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