Preisverleihung 2023:Volksmusik, Kunsttheorie und ausgezeichnete Stimmung

Lesezeit: 3 min

Die Preisträger, der Landrat und der Festredner (von links): Gerhard Nußrainer, Martin Bayerstorfer, Sebastian Brandl, Harald Krause und Andreas Beck. (Foto: Renate Schmidt)

Im Klement-Saal in Isen werden die Kulturpreise des Landkreises an den Reithofener Zwoagsang und den Archäologischen Verein Erding verliehen. In der Festrede spricht Staatsintendant Andreas Beck über die Unterscheidung von Kultur und Kunst.

Von Florian Tempel, Isen

Die Verleihung der Landkreis-Kulturpreise findet in der Regel in der Stadthalle Erding statt. Diesmal war es nicht so. Der Klement-Saal im gleichnamigen Gasthof in Isen war jedoch weit mehr als ein Ausweichquartier, er erwies sich als eine hervorragende Alternative. Der Saal war gut gefüllt, die Atmosphäre entspannt, die Preisträger glücklich und die Festrede sehr anregend. Geehrt wurden Gerhard Nußrainer und Sebastian Brandl als Reithofener Zwoagsang und der Archäologische Verein Erding, für den Harald Krause den Preis entgegennahm. Die Auszeichnungen sind mit einem Preisgeld von je 2000 Euro verbunden und wurden zum 45. Mal verliehen.

Die erste tolle Überraschung in Isen war, dass ein komplettes Menü aufgetischt wurde. Was manche auf dem falschen Fuß erwischte, weil in der Einladung nichts davon stand und sie zu Hause schnell noch etwas gegessen hatten. Bei kulturellen Veranstaltungen im Klement-Saal ist das aber die Regel: vor den Auftritten, Konzerten oder Theaterabenden wird dort ordentlich und gut gegessen. Am Mittwoch gab es eine vegane Maronensuppe, gebratenen Tafelspitz, gebratene Vollkornnudeln und vier verschiedene Desserts.

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Als Tischmusik spielte ein Lehrerquartett der Kreismusikschule Erding dezent im Hintergrund. Die Argentinierin Claudia Góndola de Hackel (Querflöte), die Südtirolerin Ursula Adelsberger (Hackbrett), der Badener Peter Hackel (Gitarre) und der Hiesige Bernd Scheumaier (Kontrabass) ließen Stücke aus alten südtiroler Sammlungen erklingen, die auch als Vor- und Zwischenspiel eines volkstümlichen Theaterstücks funktioniert hätten. Was sicherlich absichtsvoll ausgewählt war.

Denn so stimmte die Musik, nach den Begrüßungsworten von Landrat Martin Bayerstorfer, auf den Festredner Andreas Beck ein, einen Theatermann durch und durch. Der Intendant des bayerischen Staatsschauspiels hat in den 1990er-Jahren in München Theaterwissenschaft studiert und danach an vielen bedeutenden Häusern im deutschsprachigen Raum - unter anderem Burgtheater Wien, am Schauspielhaus Hamburg und am Theater Basel - als Dramaturg, Regisseur und Intendant gearbeitet. 2019 kehrte er nach München zurück, auf den höchsten Chefposten, den es im Theater in Bayern gibt.

"Der Begriff Kultur behagt mir so überhaupt nicht."

Beck gestand ein, dass er überrascht war, als er aus dem Landratsamt den Anruf und die Anfrage erhielt, bei der Kulturpreisverleihung eine Rede zu halten. Tatsächlich haben aber schon andere wichtige Theatermacher beim Erdinger Kulturpreis gesprochen. 1988 war August Everding da, der sich sogar Generalintendant nennen durfte, und 1995 kam Sir Peter Jonas, Staatsintendant der Bayerischen Staatsoper. Beck sagte, er komme gerne und fühle sich auf der Theaterbühne des Klement-Saals auch sehr wohl.

Festredner Andreas Beck, Intendant des bayerischen Staatsschauspiels, sprach über die Unterscheidung zwischen Kultur und Kunst. (Foto: Renate Schmidt)

Seine Festrede trug den Titel "Kultur und Kunst - Anmerkungen zur Unterscheidung" und begann mit einer erstaunlichen Ansage: "Der Begriff Kultur behagt mir so überhaupt nicht." Denn Kultur, sagte Beck, trete in verdächtig vielen Verbindungen auf: "Trinkkultur, Streitkultur, Pilzkultur." Nicht, dass die Kultur nichts wäre, "sie enthebt uns dem Tierischen". Doch "Kunst ist tatsächlich etwas anderes, sie braucht etwas Entschiedeneres".

Beck begann seine nähere Erklärung mit einem Rückblick in die Altsteinzeit. Er habe einst die berühmten Höhlen in Nordspanien besucht und die dortigen Felsmalereien bestaunt. Alles dort sei sehr interessant, weil man an den Jagdszenen und Tierdarstellungen erkenne, "was die Kultur der Menschen ausmachte". Dann sei ihm dort aber noch etwas klar geworden. In einer hinteren Ecke sei, erst bei genauem Hinschauen, die faszinierende Darstellung eines Büffels sichtbar geworden, die sich von den anderen Malereien abhob. Auf fantastische Weise sei der Büffel mit wenigen Strichen und unter Einbeziehung der Felsstruktur von Schatten und Licht gestaltet. Das Können und Wollen des Malers, das sich dort zeige, "das ist genau das, was ich einen Kunstgriff nennen" und das, "was Kunst auszeichnet".

Nach so viel Theorie ging Beck im zweiten Teil seiner Rede darauf ein, dass Kunst gefördert werden muss, denn "wenn man nicht fördert, wird auch nichts erbracht". Der seit 45 Jahren vergebene Kulturpreis des Landkreises sei deshalb richtig, wichtig und lobenswert. Denn Kunst sei das, was bleibt, "sie fasst unsere Zeit zusammen und bringt sie auf den Punkt".

Landrat Bayerstorfer sprach in den Laudationes wieder über die kulturellen Dimensionen des Wirkens der Preisträger. Die beiden Sänger des Reithofener Zwoagsang seien authentische Vertreter der echten Volksmusik, die auf hohem Niveau Frohsinn und gute Laune versprühten, aber auch einen Beitrag zur Identität der Region leisten. Der Archäologische Verein trage ebenfalls dazu bei, die regionale Identität zu stärken und zu formen. Die Preisträger nahmen die Auszeichnungen sichtlich gerührt und stolz entgegen. Danach standen alle im Klement-Saal auf und sangen die Bayernhymne, die erste und die zweite Strophe.

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