Gesundheitsgefährdung durch Ultrafeinstaub:Die Wissenschaftler sind noch unsicher

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Das Helmholtz Zentrum macht bundesweit Untersuchungen, etwa in Leipzig und Frankfurt, in Augsburg und Regensburg - nicht aber am Münchner Flughafen

Von Johann Kirchberger, Freising

Ultrafeinstaub ist gefährlich, so viel scheint klar. Die genauen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen seien wissenschaftlich aber noch nicht umfassend untersucht, sagte Professorin Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum in München, bei einer Veranstaltung des Bürgervereins (BV) im voll besetzten Grünen Hof in Freising. Ob Ultrafeinstaub, Feinstaub oder Reifenabrieb, das Problem sei, "dass wir alles zusammen einatmen", hinzu komme der Lärm. Alles zusammen führe zu Erkrankungen von Herz, Kreislauf, Lunge, Gehirn, verursache Diabetes und Krebs und wecke Herpesviren.

Mit jedem Atemzug atme der Mensch schädliche Partikel ein, die meisten würden zwar wieder ausgeatmet, einige blieben jedoch in der Lunge und verteilten sich im gesamten Körper. Besonders betroffen seien Menschen mit Atemwegserkrankungen. Anders als beim Feinstaub, wo es "Gott sei Dank Grenzwerte gibt", fehlten der Wissenschaft noch genauere Untersuchungen zum Ultrafeinstaub, sagte Peters. Es gebe zwar einige Studien, etwa aus Kalifornien, aber es bestehe wissenschaftlich gesehen noch Unsicherheit. Das Helmholtz Zentrum mache bundesweit Untersuchungen, etwa in Leipzig, Frankfurt, in Augsburg oder Regensburg, nicht aber am Münchner Flughafen, räumte sie ein.

Ultrafeinstaub sei ein Forschungsthema, bisher werde aber nur mit Tieren experimentiert. Menschenversuche seien nicht möglich. So fehle es an Daten, um sagen zu können, wie schädlich der Ultrafeinstaub tatsächlich sei. Bisher gebe es nur "forschungsbetriebene Studien", sagte sie, "wir brauchen noch mehr Klarheit". Flughäfen sollten umfassend bezüglich der Luftschadstoffe und auch hinsichtlich der Lärmauswirkungen einbezogen werden, forderte sie. Ihr Kollege Josef Cyrys berichtete von Messungen am Frankfurter Flughafen, doch dort werde seiner Meinung nach an den falschen Stellen gemessen und es werde auch nicht die chemische Zusammensetzung der Partikel untersucht.

Wolfgang Herrmann, der die Messungen des Feinstaubs am Münchner Flughafen betreut, berichtete von je nach Windlage bis zu 300 000 Partikeln pro Kubikzentimeter am Flughafen. Am Kindergarten Airporthopser seien bis zu 100 000 Partikel gemessen worden. Kindergärten zwischen zwei Startbahnen sollten nicht sein, meinte Peters, hier würde sie umfangreiche Messungen für sinnvoll erachten. Ultrafeinstaub, sagte Herrmann, entstehe vor allem durch rollende Flugzeuge am Boden. Die würden im Schnitt 26 Minuten im Flughafenvorfeld herumfahren und Kerosin verbrennen. Nur ein Gramm verbranntes Kerosin aber erzeuge 100 Milliarden Ultrafeinstaubpartikel. Noch zehn Kilometer vom Flughafen entfernt sei die Belastung zehnmal so hoch wie normal, sagte Herrmann. Die wissenschaftlichen Studien müssten deshalb unbedingt auf die Flughäfen ausgedehnt werden.

Reinhard Kendlbacher, der Vorsitzende des Bürgervereins bezeichnete es als bisweilen frustrierend, dass man seit Jahren die Politik anstoßen müsse, "macht doch, macht doch". Auch wenn die Wissenschaft mehr Zeit fordere, sei das Problem mittlerweile weltweit erkannt. Die EU-Kommission habe die Ultrafeinstaubpartikel als den "Faktor mit den größten Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit" bezeichnet. "Wenn wir weiter messen", machte sich Kendlbacher Hoffnungen, "werden sich unsere Ergebnisse bestätigen". Um frustriert hinzuzufügen: "Aber an unserer Situation verändert sich nichts".

Laut dem Freisinger Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher sind 1,4 Millionen Euro für tiefergehende Untersuchungen im bayerischen Staatshaushalt eingeplant, "aber passiert ist noch nichts". Niemand erwarte, dass der Flugverkehr eingestellt werde, sagte Eschenbacher, aber eine gewisse Reduzierung sei möglich und sinnvoll.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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