Brauchtum im Fasching:"Archaisch, wild und trunken voller Gaudi"

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Dresscode weiß: Eine Aufnahme vom Hemadlenznumzug aus dem Jahr 2016. (Foto: Renate Schmidt)

In weißen Nachthemden und langen Unterhosen ziehen die Dorfener Narren jedes Jahr im Fasching durch die Stadt, wenn sie nicht gerade Corona stoppt. Eine Ausstellung im dortigen Rathaus erklärt, wie es vor 300 Jahren zu dieser Tradition kommen konnte.

Von Thomas Daller, Dorfen

Es gibt viele Gründe, das Dorfener Rathaus aufzusuchen: Man muss Papiere verlängern, benötigt eine neue Rolle gelbe Säcke oder hat Interesse an einem Tagesordnungspunkt der Stadtratssitzung. Aktuell und noch bis 21. Februar sollte man das Rathausfoyer aber auch ohne einen formellen Grund besuchen, zumindest wenn man sich für die Dorfener Tradition des Hemadlenzen interessiert: Denn der Historische Kreis präsentiert anlässlich des 1250. Stadtjubiläums eine sehenswerte Ausstellung, die informativ, unterhaltsam und humorvoll ist, sowie gespickt mit originellen Anekdoten.

Bereits hinter der Eingangstür weist ein Leiterwagen mit einer daran gebundenen Saublosn dezent auf das Thema hin. Der kleine Rundgang beginnt mit einer Einführung und der Geschichte des Dorfener Faschings. "Der Hemadlenz in Dorfen ist archaisch, wild, zahm, trunken voller Gaudi und sich seiner selbst genug", schreiben die Kuratoren. Und er sei "tief verankert in des Dorfeners Seele". Eine schöne Liebeserklärung an den höchsten Feiertag in Dorfen.

So muss es aussehen, das typische Hemadlenzn-Gewand. (Foto: Renate Schmidt)
Der Brauch, den Lenz als Strohpuppe in einem fahrbaren Käfig mitzuziehen und ihn am Ende des Umzugs zu verbrennen, stammt aus dem Jahr 1955. (Foto: Renate Schmidt)

Schon seit rund 300 Jahren werde in Dorfen Fasching gefeiert; der erste aktenkundige Beweis stamme aus dem Jahr 1724. Die Gründung der Karnevalsgesellschaft datiert auf das Jahr 1899, erfährt man in der Ausstellung. Beim Hemadlenzen-Brauch gibt es allerdings widersprüchliche Quellen. "Nix gwiß woas ma ned", so die Überschrift in der Ausstellung. Von Zeitzeugen ist überliefert, dass etwa um 1890 die ersten Umzüge stattgefunden haben. Die bisher ältesten bekannten Fotos vom Hemadlenz stammen aus dem Jahr 1931. Auch Pfarrer Josef Gammel beschreibt in seinem Heimatbuch den Fasching in Dorfen. Der Brauch, den Lenz als Strohpuppe in einem fahrbaren Käfig mitzuziehen und ihn am Ende des Umzugs zu verbrennen, soll erst von 1955 an aufgekommen sein.

Der Nachttopf.... (Foto: Renate Schmidt)
...das Babyflascherl... (Foto: Renate Schmidt)
...und auch die Saublodan sind wichtige Accessoires bei der Gaudi. (Foto: Renate Schmidt)

Für völlig Unbedarfte folgt dann auch ein Crashkurs, wie so ein Unsinniger Donnerstag in Dorfen abläuft, angefangen vom traditionellen Weißwurstfrühstück bis hin zum symbolischen Austreiben des Winters. "Theoretisch ist der Hemadlenzenumzug nach diesem Ritual zu Ende", heißt es in der Erklärung. "Aber praktisch geht es erst richtig los mit dem Feiern. (...) Es wird an diesem Tag geflirtet und gebusselt, was das Zeug hält."

Verschiedene Künstler hat der Hemadlenz ebenfalls inspiriert: In der Ausstellung zu sehen sind Bilder von Max Hertwig und Hermann Winter, von Hans Arnold und Annemarie Werhazy. Auch die Geschichte des Hemadlenzen-Brunnens am Rathausplatz, den Hermann Wandinger geschaffen hat, wird erklärt.

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Präsentiert wird ferner eine umfangreiche Sammlung von Faschingsorden mitsamt dem ersten aus dem Jahr 1899. An zwei Stellwänden ist das traditionelle Gewand ausgestellt, das Männer und Frauen beim Umzug tragen und an einer weiteren ist ein Lenz als Strohpuppe angepinnt, der den Winter symbolisiert.

Anekdotisches gibt es zu den drei damischen Rittern oder zum Jahr 1991, als wegen des Irakkriegs alle Faschingsveranstaltungen in ganz Deutschland abgesagt wurden. "Die Sinnhaftigkeit leuchtete nicht allen ein", heißt es in der Erläuterung. Deshalb trafen sich rund 50 Dorfener im Jugendzentrum und veranstalteten einen kleinen Umzug durch die Stadt - begleitet von einem großen Polizeiaufgebot.

Auf den Fotos erkennt man alte Schulfreunde

Für alle interessierten Dorfener sind natürlich auch die großen Fotowände ein Hingucker: Auf Aufnahmen aus mehreren Jahrzehnten erkennt man alte Schulfreunde, Verwandte und Bekannte wieder. Dieses Vergnügen hat man noch ein zweites Mal, wenn man sich ein Musikvideo ansieht, das aus altem Filmmaterial und alten Fotos geschnitten wurde. "Es lebe unser Hemadlenz", heißt der Song zur Melodie von "Es lebe der Zentralfriedhof". Neu getextet und gesungen vom Dorfener Kabarettisten Alfred Mittermeier, der eigens Gesangsstunden für das Lied genommen hat. Zu sehen ist das Video auch auf Youtube unter den Suchbegriffen Mittermeier und Hemadlenz. Noch schöner wirkt es allerdings im Kontext der Ausstellung.

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