Prozess in Erding:Flugpassagierin rastet am Boarding-Schalter aus

Lesezeit: 3 min

Das Boarding-Personal kontrolliert nicht nur, dass nur Passagiere mit gültiger Bordkarte ins Flugzeug kommen, sondern schätzt auch ab, ob von einem Fluggast eine potenzielle Gefahr ausgeht. (Foto: Marco Einfeldt)

Die 39-Jährige beleidigt und verletzt am Airport Angestellte. Die Folge: Der Flug zu ihrer kranken Mutter findet ohne sie statt. Am Amtsgericht wird sie zudem zu einer Geldstrafe verurteilt.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Auf die Frage von Richter Björn Schindler, ob sie damals, am 19. Januar 2022, am Boarding-Schalter im Terminal 1 des Flughafens München ebenfalls so aufgebracht, teilweise aufbrausend, gewesen sei wie bei der Aussage vor Gericht, gab es von der 39-jährigen Angeklagten ein kurzes "Ja". Sie habe damals allen Grund gehabt. Und bis zuletzt blieb die Angeklagte dabei, dass die beiden Frauen am Schalter lügen.

Sie gab nur zu, die eine "Bitch" genannt zu haben. Aber definitiv nicht, wie es in der Anklage hieß, so sehr an den Haaren gezogen zu haben, dass die Frau rund zwei Wochen krankgeschrieben wurde. Der Richter sah dies nach der Beweisaufnahme anders und verurteilte sie zur Geldstrafe von 80 Tagessätzen von je 65 Euro. Hätte die 39-Jährige ihren Strafbefehl einfach akzeptiert, wären es nur 60 zu je 20 Euro gewesen.

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Der Anwalt der Geschädigten, die als Nebenklägerin am Amtsgericht auftrat, stellte fest, dass offenbar nicht nur Sanitäter, Feuerwehrleute und Polizisten bei ihrer Arbeit angegriffen werden, sondern auch vermehrt das Bodenpersonal der Fluggesellschaften. Auch die Geschädigte sagte, dass sie so was noch nicht erlebt habe und ihre Kollegin vor Ort sagte, sie war "schockiert".

Über das Erlebte gab es zwei Versionen. Die der Angeklagten und die der Staatsanwaltschaft. Letztere wurde von der einzigen dann angehörten Zeugin, der Kollegin der Geschädigten, im Großen und Ganz bestätigt. Jedenfalls riet Richter Schindler nach deren Aussage der Angeklagten und ihrer Verteidigerin, den Einspruch zurückzunehmen, da das Verfahren seiner Meinung nach "eher in Richtung Verurteilung" laufe.

Die Angeklagte wollte zu ihrer kranken Mutter nach Teheran fliegen

Die Angeklagte sagte aus, dass sie damals zu ihrer kranken Mutter in Teheran fliegen wollte. Am Gate angekommen, habe ihr die später Geschädigte gesagt, dass sie am falschen Gate sei. Dabei habe sie nicht mal richtig auf ihre Bordkarte gesehen. Sie habe sich hingesetzt und sei kurze Zeit später über Lautsprecher ausgerufen worden. Nur, um wieder gesagt zu bekommen, dass sie falsch sei. Sie habe dann gesagt, nein, sie sei sehr wohl richtig, man solle doch endlich mal auf die Bordkarte sehen. Daraufhin habe sie verärgert "Bitch", was so viel wie Hure, Schlampe heißt, wie der Anwalt der Geschädigten erläuterte, gesagt. Das Wort gebe sie zu. Nicht aber, dass sie die Angestellte danach an den Haaren gezogen habe, nachdem diese ihre Bordkarte einfach zerrissen habe. Sie habe nur nach den Rest der Karte gegriffen, mehr nicht. Durch das ihrer Meinung nach Fehlverhalten der Frau, habe sie zudem 200 Euro für die notwendige Übernachtung im Hotel und 100 Euro für die Flugumbuchung zahlen müssen.

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Nach der Schilderung der 29-jährigen Kollegin der Angegriffenen hatte man der Angeklagten beim ersten Mal gesagt, dass das Boarding noch nicht läuft, sie solle sich noch mal hinsetzen. Kurze Zeit später habe man sie per Lautsprecher ausgerufen, da man von ihr einen für den Flug nach Iran notwendigen PCR-Test sehen wollte. Da sei wohl nicht beim Einchecken kontrolliert worden.

Die Angeklagte sei da schon etwas aufgebraust und man sei gar nicht dazu gekommen, ihr zu erklären, dass man einen gültigen PCR-Test von ihr für den Flug benötige. Als ihre Kollegin ihr dann das Bordticket aus der Hand genommen habe, sei das Wort Bitch gefallen von der Angeklagten und alles eskaliert. Daraufhin habe ihre Kollegin die Bordkarte zerrissen, wodurch die Angeklagte noch mehr ausgerastet sei und ihre Kollegin an den Haaren gepackt und gezerrt habe. Sie sei dann dazwischen gegangen. Erst die dazu gerufene Polizei habe die Angeklagte beruhigen können.

Das Zerreißen der Bordkarte sei schon ein drastischer Schritt gewesen, sagte die Zeugin

Das Zerreißen der Bordkarte sei schon ein drastischer Schritt gewesen, rechtfertige aber nach Ansicht der 29-Jährigen nicht das Ausrasten und den Griff in die Haare, sagten unisono die Zeugin und der Anwalt der Geschädigten. Wenn ein Passagier aggressiv werde, alkoholisiert sei, dann sei dem Personal am Boarding-Schalter erlaubt, den Flug zu verweigern. Zur späteren Sicherheit im Flugzeug, damit nicht dort eine Situation eskaliere und der Flug eventuell abgebrochen werden müsse, erklärte die 29-Jährige.

Die Verteidigerin versuchte noch, den Vorfall als Missverständnis zwischen allen Beteiligten abzutun, ihre Mandantin sei wegen des Klinikaufenthaltes ihrer Mutter zudem emotional sehr im Stress gewesen. Es habe sich um eine "Überreaktion wegen Stress" gehandelt. In einem Gespräch mit ihrer Mandantin schaffte sie es aber nicht, diese zu überzeugen, den Ratschlag des Richters anzunehmen. Die Angeklagte blieb dabei: Sie sage, wie es war, die beiden Kolleginnen würden lügen.

Da in einem Strafbefehl davon ausgegangen wird, dass der Beschuldigte mit dem Akzeptieren die Tat einräumt, geständig ist, blieb Richter Schindler nur die Verhängung einer höheren Strafe übrig. Zumal die Angeklagte bereits 2020 wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Die Angeklagte habe nur die Beleidigung, nicht aber die Körperverletzung eingeräumt. Dass sie sich wegen ihrer Mutter in einer "psychischen Ausnahmesituation" befunden habe, räumte der Richter ein, das rechtfertige aber nicht den Vorfall. Neben der Geldstrafe muss die 39-Jährige noch die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklägerin für ihren Anwalt zahlen.

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