Zwischen Welten:Der Duft der Freiheit

Lesezeit: 2 min

Emiliia Dieniezhna (Foto: Bernd Schifferdecker)

Unserer Kolumnistin ist berührt von der Geschichte, wie ihre Landsleute im Krieg eine Parfümeurin zu einer neuen Kreation inspirieren konnten.

Kolumne von Emiliia Dieniezhna

Mit großer Überraschung habe ich ukrainische Parfüms für mich entdeckt. Dafür bin ich Olga Bogorodchenko sehr dankbar, denn sie hat einige Duftkreationen kürzlich auf einer Veranstaltung in München vorgestellt. Olgas Leidenschaft und Hobby sind Düfte. Ihr Können und ihre Kenntnisse teilt sie gerne mit anderen. Zum Beispiel bei einer Veranstaltung am ukrainischen Unabhängigkeitstag. Dort hat sie viele Spenden für die Organisation "Gen.Ukrainian" gesammelt, die Kindern hilft, Kriegstraumata zu überstehen.

Olga Bogorodchenko berichtet in der ukrainischen Gemeinde in München von der Geschichte ukrainischer Parfüms. (Foto: antaninaphoto.com/en)

Olga wohnt seit 2014 in München, sie hat an der Technischen Universität studiert, seitdem arbeitet sie hier. Sie ist junge Mama und sagt, dass ihr Kind sie motiviert habe, die "Gen.Ukrainian" zu unterstützen. Der Krieg ist Olga nicht fremd, obwohl sie schon lange in München leben. Ihre Eltern allerdings wohnten, wie ich, bis zum russischen Überfall auf unser Land in Kiew. Sie konnten glücklicherweise zu ihrer Tochter fliehen.

Olgas Liebe für Parfüms hat sich zufällig entwickelt. Sie arbeitet für eine Firma, die Duftstoffe für die Lebensmittel- und chemische Industrie entwickelt, darunter auch Kosmetika. Olga hat sich in die Düfte verliebt und überraschte die ukrainische Gemeinde nun mit all ihrem Wissen - von der Geschichte der ukrainischen Parfüms bis hin zu einer kleinen Aroma-Tour durch München.

So hat das Publikum erfahren, dass Patrick Süskind, Autor des Bestsellers "Das Parfum", in der Nähe von München geboren wurde und als Student häufig das Café Kulisse an der Maximilianstraße besuchte. Oder dass eine Parfümmarke, die auch in München vertreten ist, exklusive Düfte herstellt, die schon John F. Kennedy und Ernest Hemingway trugen.

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Als Ukrainerin habe ich natürlich ein besonderes Interesse an Düften aus meiner Heimat. Die Geschichte der ukrainischen Parfümerie ist eigentlich nicht ganz neu. In der früheren Sowjetunion etwa hat die ukrainische Parfümeurin Nina Zeyskaya den berühmten Duft "Indian Sandal" kreiert , der millionenfach verkauft wurde.

Die moderne Geschichte der ukrainischen Parfüms beginnt etwa im Jahr 2014, als neue Parfümmarken entstanden. Man kann in der Ukraine keine Ausbildung als Parfümeur machen, deshalb sind die meisten Autodidakten - "und trotzdem begabt und erfolgreich", sagt Olga. Allerdings seien die Regeln und Standards für Düfte, die in der Ukraine entwickelt werden, weniger streng als in der Europäischen Union. Deshalb hätten die Parfümeure mehr Freiheiten, um individuelle Düfte zu entwickeln.

Manoli-Parfüms etwa kommen weitestgehend ohne Zusatzstoffe aus. Die Flakons sind oft exklusiv, sie werden von einer Künstlerin per Hand bemalt. GParfums kreiert futuristische Düfte, Bibliothèque-Parfüms kenne ich noch aus der Ukraine. Die Marke ist feministisch geprägt, die Gründerin ist eine Frau und fast alle Mitarbeiterinnen waren Frauen. Leider musste die Firma ihren Sitz in Charkiw aufgeben, weil die Stadt ständig bombardiert wird. Nun wird in Italien produziert - in Zusammenarbeit mit einer italienischen Parfümeurin.

SZ-Kolumnistin Emiliia Dieniezhna ist vom Duft "Freedom" der ukrainischen Parfümeurin Ann Sokolova besonders angetan. (Foto: antaninaphoto.com/en)

Mein Herz aber hat die Marke SKLVA erobert, sowohl mit ihrer Geschichte als auch mit den Düften. Ann Sokolova aus Kiew kreierte Unisex-Parfüms. Mit Kriegsbeginn musste sie lange in einem Bunker ausharren. Alles, was sie zur Herstellung ihrer Parfüms benötigte, hatte sie zwar mit in den Bunker genommen, arbeiten konnte sie dort aber nicht. Dann begannen viele Ukrainer in den Sozialen Medien zu teilen, dass sie Sokolovas Parfüms in ihr Notfallgepäck steckten, um zu zeigen, dass die Düfte wichtig für sie seien. Das hat Ann Sokolova neu inspiriert, sie kreierte den Duft "Freedom".

Das Parfum riecht wie Schwarzerde nach dem Regen und hat luftige Ozon-Noten, was den Geist und die Kraft der ukrainischen Volkes symbolisieren soll. Mit diesem Duft werde ich den Sieg der Ukraine feiern.

Emiliia Dieniezhna, 35, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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