Klassik made im Landkreis Ebersberg:"Die Halbe auf Schlag zwei"

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Vor seinen Frühlingskonzerten holt das Orchester des Kulturvereins im Zornedinger Martinstadl Schwung für Beethovens Zweite und Brahms' Dritte. (Foto: Christian Endt)

Das "Sinfonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham" probt für seine Frühjahrskonzerte. Ein Besuch liefert verblüffend-erhellende Beobachtungen, zum Beispiel über Gemeinschaftsgeist oder das allerwichtigste Instrument.

Von Ulrich Pfaffenberger, Zorneding

Samstagfrüh. Ohne Lücke rollt der Verkehr auf der B304 Richtung München. Einkaufen, Brunchen, Fußball - was wohl die Ziele sind? Die Abfahrt nach Zorneding nehmen nur wenige. Die trifft man dann vor dem Martinstadl wieder, wo sie ihre Instrumente ausladen und noch zu einem kurzen Plausch mit anderen verharren, die den Weg hierher zu Fuß oder mit dem Rad genommen haben. Es ist Probentag beim Sinfonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham.

In Kürze stehen die beiden Frühjahrskonzerte an - und heute gilt es, in Schwung zu kommen für Beethovens Zweite und Brahms' Dritte. Schon geraume Zeit haben Streicher und Bläser sich in kleinen und größeren Gruppen die Stücke erarbeitet, jetzt soll, wie Dirigent Andreas Heinzmann es ausdrückt, nach der Ferienpause "wieder gefunden werden, was der Osterhase versteckt hat".

Das ganze Wochenende ist vollgepackt mit Proben in unterschiedlichen Formationen. Es beginnen die Streicher: Geigen, Bratschen, Cello, Bass. Gegen Mittag kommen die Bläser dazu. Eigentlich waren nur "die Hölzer" gefragt, wie Oboe oder Klarinette. Versehentlich bekam aber auch "das Blech" - Trompeten, Posaunen, Hörner - eine Einladung. Heinzmann wird deshalb später etwas improvisieren und bei der Gelegenheit erkennen, warum und wie er die morgige Einzelprobe der Bläser neu anlegen muss. Was für den Gemeinschaftsgeist im Ensemble spricht: Es gibt kein Murren und Knurren, kein: "Dann hätte ich ja doch das Auto waschen können". Alle sind präsent im besten Sinne des Wortes.

Obwohl das Orchester des Kulturvereins ein Laienensemble ist, herrscht bei der Probe volle Konzentration. (Foto: Christian Endt)

Das ist es auch, was beim ersten Blick durch den Raum verblüfft: Obwohl leger gekleidet und in lockerer Form im Saal platziert, zeigt das Orchester die gleiche Aufmerksamkeit und Konzentration wie bei einer Aufführung. Alle sind pünktlich, es wird keine Zeit mit Nebensächlichkeiten verplempert. Das Stimmen der Instrumente nach Vorgabe der Konzertmeisterin ist im Nu erledigt. Als der Dirigent am Pult Platz nimmt und die erste Stelle aufruft, dauert es nur einen Augenblick, bis er den Einsatz gibt und das Konzertieren beginnt.

Man merkt schon in den ersten Minuten der Probe, mit welcher Ernsthaftigkeit und mit welchem Anspruch die Ärztinnen und Kindergärtnerinnen, die IT-ler und Juristen, die Lehrenden und Studierenden an den Pulten ihre gemeinsame Begeisterung auf die Saiten bringen: Das hört sich schon richtig gut an, reif zur Aufführung. Wenn auch Dirigent Heinzmanns Körpersprache genauso wie seine Interventionen verraten: Daran müssen wir noch arbeiten. Er macht das behutsam, freundlich und überzeugend. Kein Tyrann steht da am Pult, sondern einer, der erklärt und Wege weist, der zur Wahrnehmung von Feinheiten einlädt. "Nur weil ihr wisst, dass die Geigen gleich alle Aufmerksamkeit bekommen, dürft ihr euch nicht extra ins Zeug legen", appelliert er zum Beispiel gegen jenen "unlauteren Wettbewerb", der im Unterbewusstsein geboren wird.

Einer, der zur Wahrnehmung von Feinheiten einlädt: Dirigent Andreas Heinzmann. (Foto: Christian Endt)

Welcher Unterschied, ja Kontrast zwischen Probe und Aufführung im Verlauf der nächsten Stunden aufrichtig staunen lässt: Wie viel Sprache es braucht, um zur Musik zu kommen - und wie viel davon, unausgesprochen, später beim Publikum ankommen wird. Zumal es sich um eine Sprache handelt, die nur den unmittelbar Beteiligten, den Fachleuten verständlich ist. "Fünf vor November" zum Beispiel bezeichnet den fünften Takt vor der Markierung "N" auf dem Notenblatt. Mit "die Halbe auf Schlag zwei" wiederum sind weder ein Bier, noch eine Uhrzeit gemeint.

Das wichtigste Instrument während der Probe aber ist der Bleistift. Griffbereit mit einem Magnetring am Notenständer absturzsicher befestigt - technischer Fortschritt! - dient er dazu, Anmerkungen des Dirigenten sofort in den eigenen Noten festzuhalten. Hier heißt es, mit einem Bogen zu spielen statt "Hinundher", dort, das Pianissimo nicht als besonders leise, sondern als besonders achtsam zu spielen. Hier bekommt eine Triole eine herausragende Aufgabe, dort ist auf den Bläsereinsatz zu achten. Am Ende der Probenarbeit gleicht das Notenblatt dem Kochbuch der Oma mit vielen nützlichen Hinweisen und sieht bei jeder und jedem ein bisschen anders aus. Wir haben es dort schriftlich vor uns, wie aus individuellen Beiträgen gemeinsames Musizieren reift.

Das wichtigste Instrument bei der Probenarbeit hat weder Saiten noch Mundstück. (Foto: Christian Endt)

Damit es nicht bei der handschriftlichen Notiz bleibt, verbindet Heinzmann seine Anweisungen mit kleinen Anekdoten aus der Kompositionsgeschichte. Er will die Geschichten in den Köpfen verankern, er arbeitet daran, dass während des Spiels verstärkende Bilder erscheinen. Beim Wechsel vom lebensbejahenden F-Dur zum traurigen, das Leben davontragenden h-moll genügen zwei Worte: "Siegfried stirbt."

Es sind dies die Momente, in denen sichtbar wird, wie vielschichtig und fordernd die Aufgabe eines Dirigenten während des Einstudierens von Stücken ist - und wie stark sie sich von dem unterscheidet, was das Publikum beim Konzert von dem Mann mit Smoking und Taktstock wahrzunehmen meint. Seine Augen in der Partitur, seine Ohren bei gut 30 Instrumentalisten in fünf Klanggruppen, seine Hände im Takt, seine Interpretation des Werkes im Sinn, bewegt er sich mit dem Orchester durch genau jene Passagen, von deren Beherrschung und überzeugender Darbietung der Gesamteffekt abhängt. Vergleichbar ist das mit dem Tuning eines Formel-1-Rennwagens: Aus der handwerklichen Kunst vieler entsteht das, was ins Rennen geht - nicht jedes Bauteil auf individuelles Maximum getrimmt, sondern die optimale Abstimmung aller Teile auf die gesamte Performance. Der Kritiker wird das dann "die Handschrift des Dirigenten" nennen.

Gemeinsam ans Ziel, so könnte das Motto von Dirigent Heinzmann und seinen Instrumentalisten lauten. (Foto: Christian Endt)

Das Schöne für einen Gast bei der Probe: Da werden Elemente hörbar, die zwar zu diesem "Gesamteffekt" beitragen, aber schon für sich genommen ein Ereignis sind. Eine besonders gut und einfühlsam gelungene Streicher-Passage etwa bringt den Dirigenten auf eine Idee: "Vielleicht sollten wir das als Zugabe spielen." Eine Idee, die noch einen zweiten Gedanken wert ist: Wenn die Applaudierenden meinen, das gerade erlebte Konzert sei nun mit ausreichend Beifall gewürdigt, dann mögen sie doch noch eine Runde dazugeben - als Respekt für all die umgewidmeten Wochenenden, als Anerkennung für die langen und intensiven Proben. Es ist verdient.

Das Frühjahrskonzert des Sinfonieorchesters des Kulturvereins Zorneding-Baldham mit Beethovens Zweiter Sinfonie und Brahms' Dritter Sinfonie ist zu hören am Freitag, 5. Mai, um 20 Uhr im Alten Speicher Ebersberg sowie am Samstag, 6. Mai, um 19 Uhr in der Turnhalle der Schule in Zorneding. Karten zu je 19 Euro sind über die Homepage des Kulturvereins oder an der Abendkasse (ab 19.15/18.15 Uhr) erhältlich. Schüler haben freien Eintritt.

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