Kabarett in Ebersberg:Wenn Franz Josef Strauß Erich Honecker umarmt

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Ein bayerisch-sächsischer Kabarettabend im Ebersberger Alten Speicher: Helmut Schleich (links) und Uwe Steimle bringen den Saal zum Beben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein Bayer und ein Sachse in Ebersberg: Helmut Schleich und Uwe Steimle füllen den Alten Speicher bis auf den letzten Platz. Es wird klar, warum.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

29 Jahre mussten seit dem Mauerfall vergehen, bis es in Ebersberg zu so einer Szene kommt: Der auferstandene Erich Honecker steht auf einer Bühne und stimmt mit dem Publikum ein "Dreimal hoch" auf den früheren bayerischen Ministerpräsident Franz Josef Strauß an. "Die Deutsche Demokratische Republik verdankt dir drei Jahre lang Siescherheit und Geborgenheit in Frieden, jawohl! Denn du alleine hast den Weltfrieden durch deinen Milliardenkredit gesieschert", sagt Honecker, der Mann mit der Fellmütze. "Es lebe die Freundschaft zwischen Bayern und dem Sozialismus." Der Saal tobt.

Den einen kennen sie hier sehr gut. Der Kabarettist Helmut Schleich alias Franz Josef Strauß ist ein regelmäßiger Gast auf den Kleinkunstbühnen im Landkreis. Am Samstagabend trat er hier nun erstmals mit einem Kollegen aus Sachsen auf: Im Alten Speicher in Ebersberg stand Schleich zusammen mit Uwe Steimle auf der Bühne. Steimle ist in seiner Heimat Dresden so etwas wie Schleich in der Region um München, also Parade-Parodist eines ehemaligen Landesvaters. Schleich mimt Strauß, Steimle imitiert den mächtigsten Politiker der ehemaligen DDR, Erich Honecker. Schleich, 51, alias FJS. Und Steimle, 55, das Gesicht des einstigen SED-Chefs.

500 Gäste sind zu "mir san mir" gekommen ("mir" heißt auf Russisch Frieden), ausverkauftes Haus im Alten Speicher, so wie sonst, wenn Schleich kommt. Und doch ist vieles anders, das erkennt man am Publikum. In der Pause hört man Dialekte, die einem im tiefen Oberbayern sonst selten unterkommen. Und solche, die man nur allzugut kennt. Es ist ein bayerisch-sächsischer Abend in Ebersberg - nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne.

Strauß' Abrechnung mit sämtlichen Protagonisten der Landtagswahl

Die wenigsten Zuschauer dürften die beiden Kabarettisten bereits bei einem gemeinsamen Abendprogramm gesehen haben, schließlich treten Schleich und Steimle erst seit zwei Jahren zusammen auf. Von Schleich ist man den Franz Josef gewohnt, und doch ist es immer wieder außergewöhnlich, wenn er mit hochgezogenen Schultern in Trachtenjoppe auf die Bühne tritt. Er muss noch gar nichts sagen, da johlt das Publikum.

Es folgt eine Abrechnung mit sämtlichen Protagonisten der Landtagswahl: SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen etwa bekommt einen Satz des Schriftstellers Sigi Sommer um die Ohren gehauen: "Sie hatte den Humor der Türklinke des Krematoriums des Friedhofs München Ost." Dann eine Watsch'n für die neue Grünen-Landtagsabgeordnete, "Ökotussi" Katharina Schulze, und ihre Partei. "Sie waren Revoluzzer. Heute sind sie zwischen Biotonne, Eigentumswohnung und Lasten-E-Bike die neuen Spießbürger."

Dass Strauß, wie ein Wahlplakat suggerierte, AfD wählen würde? "Einen Dreck würde ich." Also lieber Markus Söder von der CSU, einen Franken also? "Es ist nicht gut, wenn der Ministerpräsident aus den Kolonien kommt", sagt JFS alias Schleich.

Als stünde Erich Honecker höchstpersönlich vor einem

Dann tritt ein Mann in Anzug und Fellmütze auf die Bühne, oder, wie er später präzisiert: aus "Oppossum - nicht zu verwechseln mit Opposition". Mit Schleichs Strauß hat Steimles Honecker nur die Krawatte gemeinsam - aber auch ihm reichen Sekunden ohne Worte, da bebt der Saal. Dann spricht er, und wie. "Hättest du, lieber Franz Josef, es zugelassen, dass die D-Mark verschwindet?", sagt er. "Sie war hart wie unser Konsum-Brot - und Konsum-Brot macht Wangen rot". Wahrscheinlich hat nicht jeder hier den Bezug zur DDR-Ladenkette Konsum verstanden, es sitzen viele jüngere Leute im Saal. Trotzdem können sich die meisten kaum halten.

Es ist vor allem die Art, wie Steimle den Honecker mimt. Der zitternde Unterkiefer. Die verlässlich versagende Stimme, in ihren Höhen und Tiefen. So, als stünde der einst oberste Kommunist höchstpersönlich vor einem. Man müsse "das Rad der Geschichte zurückdrehen", flötet er, "auch wenn es die heutigen kapitalistischen Kesseltreiber nicht mehr hören wollen", sagt er, ruft es fast. "Ich sage das gerade in Ebersberg" - eine Anspielung auf den Wohlstand in der Region.

Am Ende schlüpfen Schleich und Steimle zurück in ihre Rollen als Politsatiriker, wo der eine "Nu klor" sagt, und der andere "Ja mei". Schleich geht mit der bayerischen Rüstungsindustrie ins Gericht, 70 Firmen mit 30 000 Angestellten: "Patronen aus Bavaria treffen die ganze Welt", sagt er. Auch Steimle wird ernst: "Ich hab's schon erlebt, wie ein Staat zugrunde geht, Ihnen steht das noch bevor", sagt er ans Ebersberger Publikum gewandt. Aber: "Solange noch irgendwas in diesem Land an Demokratie erinnert, lohnt sich's, das Maul aufzumachen."

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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