Vorpremiere im Alten Kino:Mia san ned mir

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"Ein Irrglaube, dass man die Welt verändert, nur weil man die Sprache verändert": Helmut Schleich am Samstag im Alten Kino. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Helmut Schleich stellt in Ebersberg sein neues Programm vor. In "Kauf, du Sau" brilliert er mit gewohnt scharfsinniger Politsatire. Die Parodien reduziert er zugunsten meisterhafter Sprachakrobatik

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Dieser berühmte Leitsatz, der dem Bayer gerne nachgesagt wird, schreibt sich mit einem a in Mia, nicht mit einem r. Dann würde es ja "Mir san mir" heißen. Und das wäre unpräzise, erklärt der Mann auf der Bühne. Weil "mir" ein russisches Wort ist und ins Deutsche übersetzt Frieden heißt. Den Bayern mit Frieden gleichsetzen, ist ja auch absurd. "Denn die Patronen aus Bavaria treffen auf der ganzen Welt."

Es ist ein Testlauf für Helmut Schleich. Allerdings unter realen Bedingungen, 150 Zuschauer sind am Samstagabend ins Alte Kino nach Ebersberg gekommen, der Saal ist, wie so oft in diesen Wochen, ausverkauft. Und es brodelt. Denn der 50-Jährige stellt sein neues Programm mit dem Titel "Kauf, du Sau!" vor, der so gar nichts über die Brillanz dieses Abends aussagt. Doch wer vermutet hatte, dass Schleichs vorheriges Programm "Ehrlich" kaum mehr zu toppen sei, der wird an diesem Abend eines Besseren belehrt.

Schon damals wählte der Schongauer das Alte Kino für die Vorpremiere, auch damals war es ein gelungener Abend in Ebersberg. Neu ist nun, dass Schleich fast gänzlich auf Parodien verzichtet. Anders als etwa in seiner monatlichen TV-Sendung "Schleich-Fernsehen" schlüpft er nicht mehr in prominente Rollen, sondern lässt den Kabarettisten deutlich mehr selbst sprechen. In dieser Rolle lässt er seine Gedanken über die Agentin Julija Skripal schweifen, sie wurde ja Opfer eines Anschlags. Weil ihr Name im Bairischen auch als "weihnachtliches Diorama" oder als "kleinwüchsiger Mensch mit Mobilitätseinschränkungen" verstanden werden könnte. Da tobt der Saal.

Ansonsten macht Schleich wie bisher scharfsinnige Politsatire. Neu ist, dass er sich noch deutlich intensiver kritisch mit Wort und Dialekt auseinandersetzt. Mit der Entwicklung von Sprache und deren Wirkung. Schleich ist sicher: "Es ist ein Irrglaube, dass sich die Welt verändert, nur weil man die Sprache verändert." Er meint damit etwa eine zunehmend übertriebene Sensibilisierung bei der Gender-Korrektheit: "Unterm Strich darf man nicht mehr sagen, weil das sexistisch ist." Dann geht er mit einer furchterregenden Wortneuschöpfung aus dem Bereich des Revers-Lübke-Englisch ins Gericht: "Ich bin fein damit". Da drehen sich auch im Publikum die Zehennägel auf.

"Es war immer so, dass die Älteren die Jüngeren für abartig hielten", sagt Schleich. "Ich befürchte aber, diesmal stimmt es wirklich". Die Sprache verändert sich, aber die Probleme bleiben die gleichen. Im Beruf, in der Politik, in der Gesellschaft. Diese Kritik hört man aus dem Programm gut raus. Um das zu verdeutlichen, treibt er es mit der Sprachakrobatik ad absurdum. Ein Bub darf sich fürs Mittagessen (ein veganer Vollkorn-Gemüse-Salat mit Algen) nicht mehr bei Vat-er bedanken, sondern bei Vat-sie. Da langt sich so mancher ans Hirn, weil Schleich damit den Nagel auf den Kopf trifft wie kein anderer. Weil sich die Hipster heutzutage "absichtlich einen zu kleinen Leute-Bescheißer-Anzug kaufen", den andere sich jahrelang aus dem Inneren heraus erarbeiten. Und weil sie "Finn-Salvator" heißen, anstatt "Huckleberry Starkbier".

Es ist die Vorpremiere vor der eigentlichen Premiere am Dienstag im Münchner Lustspielhaus. Doch schon jetzt ist nahezu jede Pointe geschliffen. In Ebersberg reagiert Schleich kongenial, als ein Zuschauer in den vorderen Reihen ein Bierglas zerdeppert. Schleich fragt ins Publikum: "Wie sagt der Bayer: Würde ich dich damit drausbringen?" Es werden Überlegungen laut, die korrekte Antwort bleibt aus. "Irritiradaidido?" ist die Auflösung.

Am Ende dann doch eine Parodie, seine beste Figur. Es kommt der, auf den viele gewartet haben: Schleich wird zu Strauß, der seinen jüngsten Nachfolger Markus Söder als "Aktendeckel mit Hirschhornknöpfen" tituliert. Manches wirkt bisweilen klamaukig, weil es so einfach zu verstehen ist. Genau das ist aber die Raffinesse. Das zeigt ein historischer Exkurs: Die Nazis wollten das Fremdwort Lokomotive durch den Begriff "Zieh" ersetzen, der D-Zug wäre demnach ein Fernzieh. "In der Logik wäre die S-Bahn dann ein Nahzieh", sagt Schleich. Der Saal tobt. Weil Sprache selbstentlarvend wird, für den, der sie sich brachial zurecht schleifen will.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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