Tassilo:Wie eine schöne Sprache

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Johannes Schackow kann sich nicht vorstellen, etwas anderes als Musik zu machen. Der Schlagzeuger vom "Grafinger Jugendorchester" hat inzwischen einen eigenen Youtube-Kanal.

Von Alexandra Leuthner

An den Dreadlocks lag es nicht. Oder nur bedingt. Johannes Schackow war schon deshalb immer aufgefallen, weil er der Kleinste war, wenn er mit der Drumline des Grafinger Jugendorchesters auftrat. Ein paar Jahre jünger als der Nächstältere in der Combo, die sich inzwischen in Hotstix umbenannt hat, zog er immer wieder die Blicke auf sich, wenn er die Schlegel hob und sich mit dem ganzen Körper begeistert in den Rhythmus hineinstürzte, das Marschbecken von links und rechts bearbeitete. Als schmaler Zehnjähriger war er 2015 zur Drumline gestoßen, jetzt ist er 16 - und, ja, die Dreadlocks, die ihm seine älteste Schwester in der Grundschule geflochten hatte, die sind im Pandemie-Jahr gefallen und einer Kurzhaarfrisur gewichen.

Neben allem anderen ist es die selbstbewusste musikalische Unbekümmertheit, mit welcher der junge Grafinger jede Bühne entert, die sich ihm bietet, sie ist es, die an ihm auffällt. Egal, ob es die Kostbar im Grafinger Supermarkt war, die Ägidius-Kirche bei einem Adventskonzert oder die Stadthalle beim bislang letzten Weihnachtskonzert des Grafinger Jugendorchesters 2019. Seither fehlen wegen Corona ja die Bühnen und sämtliche Auftrittsmöglichkeiten. Und der junge Drummer, der es vor zwei Jahren bis in den Bundeswettbewerb von Jugend musiziert geschafft hat und dort einen zweiten Platz in seiner Altersklasse errang, hadert durchaus damit, nur für die eigenen vier Wände spielen zu können. "Ich liebe dieses Gefühl auf der Bühne, wenn es still wird im Raum, und dann geht's los, alles tobt und tanzt vielleicht auch noch." Man muss dem jungen Musiker noch nicht mal im gleichen Raum gegenübersitzen - die Abstandsregeln legen ja auch fürs Interview eine Videokonferenz nahe - um zu spüren, dass ihm dieser Satz aus tiefster Seele kommt.

"Twentyfour-seven musizieren": Der 16-jährige Drummer Johannes Schackow hat die Marimba für sich entdeckt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eigentlich keine Frage, dass Johannes Schackow sich fürs Additum Musik im Abitur entschieden hat. Im nächsten Schuljahr beginnt für ihn die Oberstufe, die letzten beiden Jahre im Gymnasium. Dass er danach Musiker werden will, steht für den Grafinger fest. "Was ich machen würde, wenn es mit der Musik nicht klappt, darüber habe ich noch nie nachgedacht", sagt er. Küchenutensilien waren es, die ihm als erste Trommeln dienten. Auf Emailletöpfe hat er geschlagen, damals ein vier Jahre alter Stopps, der nach dem zufälligen Hören eines Michael-Jackson-Songs im Radio zu seiner Mutter gelaufen kam und verkündete: "Mama, ich will Schlagzeuger werden." Und da musste er nicht lange betteln, Musik füllt bei den Schackows zu Hause ohnehin jede Ritze: Mutter Constanze komponiert, gibt Klavierunterricht und tritt mit ihrer Tochter Anna an der Klarinette gemeinsam als Duo Macore auf, die älteste Tochter ist Kontrabassistin, der Vater kennt sich mit der Bratsche aus.

"Ich habe die Schwestern und die Mutter musizieren gehört und wollte das auch machen", erzählt Johannes, "das ist wie eine Sprache, die man schön findet, und dann will man diese Sprache auch sprechen". Mit vier Jahren bekam er also seinen ersten Schlagzeugunterricht. Mittlerweile spielt er seit sechs Jahren das Schlagzeug in der Big Band des Grafinger Jugendorchesters, die Cymbals oder das Marschbecken, gelegentlich auch Tenor- oder Quaddrums in der Drumline. Und dann entdeckte er vor drei Jahren noch etwas Neues für sich: die Marimba. Mit dem großen Holz -Xylofon erweitert er seinen musikalischen Horizont: "Das ist für mich jetzt aufregender, da gibt es noch soviel an Technik zu lernen." Ein Konzert des brasilianischen Komponisten Ney Rosauro übt er gerade, und wenn er keine Literatur für die Marimba findet, schreibt er Stücke selbst um, mal eine Cellosuite von Bach oder eine Filmmelodie wie "Davy Jones Theme" von Hans Zimmer. Das Instrument verschafft ihm aber noch andere Freiheiten: "Endlich kann ich twentyfour-seven musizieren." Das mechanische Schlagzeug ist ja schwer zu dämpfen, Johannes zieht es aber dem elektronischen vor, weil er das Gefühl liebt, wenn die Sticks in der Hand in Kontakt kommen mit der Bespannung der Toms, dem Teppich der Snare, dem Vibrieren des Hi-Hats. Die Marimba ist, selbst wenn sie in Vier-Schlegel-Technik gespielt wird, deutlich leiser und verträgt sich besser mit der Nachbarschaft. Limitierendes Element sei hier nur seine Mutter, erzählt der Gymnasiast, weil sie das Musikzimmer für ihre Klavierstunden brauche. Aber sie kann ihn auch auf dem Klavier begleiten, was zumindest so ein bisschen gemeinsames Musizieren bedeutet.

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Weil ihm die große Bühne seit Beginn der Pandemie fehlt, hat sich Johannes Schackow dem Beispiel vieler Kunstschaffender angeschlossen und sich einen Youtube-Kanal eingerichtet. Wer unter Joker Jojo sucht, findet Videos mit stilistisch völlig unterschiedlichen Drum-Covern, unter anderem von Linkin Park, Orla Gartland oder Stephan Genze. Wenn für den Zehntklässler alles nach Plan läuft, will er nach dem Abitur Filmmusik studieren an der Universität in Potsdam-Babelsberg. Und sollte es damit irgendwie nicht klappen, hat er noch eine Alternative: Dann könne er als Auftragsschlagzeuger sein Geld verdienen, erklärt Johannes Schackow. "Jeden Abend mit anderen Musikern auf der Bühne zu spielen - ich glaube, dass ich für so was gemacht bin".

Wenn Sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten für den SZ-Kulturpreis vorschlagen wollen, schreiben Sie bitte bis 30. April eine E-Mail an tassilo@sz.de.

© SZ vom 28.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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