Firmenporträt:"Ein Unternehmen ist Teamsport"

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Verena Schechner, CEO von Noax, mit einem historischen Prozessor. Das Familienunternehmen wurde vor 25 Jahren ausgegründet. (Foto: Christian Endt)

Die Firma Noax in Ebersberg stellt Industrierechner her. Vor 25 Jahren wurde sie eigenständiges Unternehmen, seit dem vergangenen Jahr ist sie Mitglied im Familienpakt Bayern

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Wenn CEO Verena Schechner durch das Firmengebäude von Noax in Ebersberg führt, merkt man schnell, dass sich hier alles um Stresstests dreht. Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Schläge, Dauerbetrieb und sogar ausfallendes W-Lan - man bereitet sich auf jede Eventualität vor.

Oder besser gesagt: das Produkt. Noax stellt Industrierechner her, also per Touchpad bedienbare, hermetisch abgeschlossene Computer, die in so diversen Bereichen wie der Lebensmittelindustrie, in der Logistikbranche, aber auch im Bergbau zum Einsatz kommen. Die Firma feiert dieses Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum, ist in dieser Zeit fast durchgehend gewachsen, im vergangenen Jahr trat sie dem Familienpakt Bayern bei. Ihre Rechner haben verschiedene Designpreise gewonnen, wie etwa den Red Dot Design Award. Wie kam es dazu?

Die Rechner werden auf Herz und Nieren geprüft

Ursprünglich gehörte Noax zu einem Firmenkonglomerat mit Proxia und Coscom, das von Verena Schechners Vater gegründet wurde. 1998 wurde Noax ausgegründet, seit 2010 ist Schechner CEO. Von Anfang an war es die Devise, möglichst viel vor Ort, möglichst viel selbst zu machen. Geschäftsführerin Schechner zeigt im Produktionsraum, wie jeder einzelner Rechner von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammengeschraubt wird. "Das ist nötig, um erstklassige Ware liefern zu können", erklärt sie.

Die Belegschaft von Noax setzt sich je zur Hälfte aus Männern und Frauen zusammen. Die Produktion ist jedoch überwiegend weiblich besetzt, etwa durch Tanja Cosentino, die hier im Bild gerade dabei ist, einen der Rechner zusammenzusetzen. (Foto: Christian Endt)

Schon kleine Fehler in der Montage könnten schließlich das vorzeitige Ableben eines der Rechner bedeuten. "In der Lebensmittelindustrie werden sie schnell einmal von einem Raum mit 40 Grad Raumtemperatur in einen mit 20 Grad gebracht", erklärt die CEO. Deswegen werden die Produkte in einem speziellen Schrank regelmäßig getestet, der solche Extremtemperaturen - und noch extremere - erzeugen kann.

Halb Ofen, halb Kühlschrank: Industrierechner müssen extremen Umweltbedingungen standhalten und deswegen auf Herz und Nieren geprüft werden. (Foto: Christian Endt)

Auf einem improvisierten Holztisch mit elektrischem Motor dreht sich im Zimmer nebenan derweil fröhlich summend ein Noax-Rechner hin und her. Auf einen fragenden Blick hin erklärt Schechner: "Damit überprüfen wir, ob er eine stabile W-Lan-Verbindung aufrecht erhalten kann, wenn er bewegt wird."

Und auch aus dem Regalschrank, in dem jeder einzelne Rechner vor der Auslieferung 48 Stunden in Betrieb bleibt, summt es. Ein bis zwei von ihnen würden dabei pro Woche durchfallen und noch einmal überarbeitet werden, berichtet die Geschäftsführerin. Demgegenüber stehen 4000 Rechner, die im Jahr ausgeliefert werden, "Tendenz steigend".

Jeder einzelne Rechner wird 48 Stunden lang im Dauerbetrieb getestet. Besteht er, erscheint ein grün hinterlegtes "Basst scho". (Foto: Christian Endt)

Richtiggehend scheppern tut es schließlich beim Stahlkugeltest. Wie der Name vermuten lässt, ist dabei tatsächlich pure Mechanik im Spiel: Eine 500 Gramm schwere Stahlkugel wird aus verschiedenen Höhen auf die Touchscreens geworfen. "Manchmal geht uns die Raumhöhe aus", sagt dazu Sebastian Engel. Er ist in der Entwicklungsabteilung beschäftigt, seit 1999. "Selbst bei zweieinhalb Metern kriegen wir sie nicht zuverlässig kaputt", erklärt er, nicht ohne Stolz.

Beim Stahlkugeltest ist der Name Programm. Normalerweise wird die Kugel aus viel größerer Höhe fallengelassen und durch ein Rohr geführt. (Foto: Christian Endt)
Der Aufprall verzerrt das Sicherheitsglas und Metallgehäuse. Außerdem kracht es ziemlich laut. (Foto: Christian Endt)
Diesen Aufprall hat das Gerät jedoch unbeschadet überstanden. Die typischen spinnennetzartigen Risse im Display sucht man vergeblich. (Foto: Christian Endt)

Da überrascht es auch nicht, dass die Geräte wasserdicht sind. Wer das Gefühl kennt, schon einmal einen Kaffee auf seinem Smartphone oder Laptop verschüttet zu haben, sollte besser wegschauen, wenn Johannes Kil aus der Entwicklung das Gehäuse einer neuen Baureihe mit Gewalt unter Wasser drückt.

Auch Flüssigkeiten können den Industrierechnern nichts anhaben... (Foto: Christian Endt)
...eine Schale Reis zum Entfeuchten braucht es hier also nicht. (Foto: Christian Endt)

Was müsste passieren, damit so ein Gerät doch kaputt geht? Fahre ein Gabelstapler dagegen, sei es damit vorbei, so Engel. Und einmal habe eine Firma, die mit Schwefeldämpfen konfrontiert war, gefragt, ob die Noax-Geräte das aushalten würden - alles andere sei schon weggeätzt. "Da ist es dann nur eine Frage der Zeit, bis die Dichtung nicht mehr mitmacht", sagt Engel.

Auch Noax spürt die globalen Lieferkettenprobleme

Doch nicht nur die Produkte der Firma, auch die Firma selbst - wie so viele andere Firmen auch - wurde in den vergangenen Jahren strapaziert. Durch die Corona-Pandemie sei man verhältnismäßig gut gekommen, der Zusammenhalt sei stark gewesen, es kam nie zu einem Lieferstopp. Doch der Materialmangel und die Lieferketten seien weiterhin ein Problem, berichtet Schechner: "Wir kämpfen immer noch um Ware, aber unser Einkauf leistet dabei gute Arbeit."

Hier sei es außerdem von Vorteil, dass die Rechner vor Ort zusammengebaut würden. Die Entwickler kennen die Geräte in- und auswendig und können so eigenständig Ersatzteile anpassen oder herstellen. "Derzeit suchen wir zum Beispiel nach Alternativen zu den gängigen Halbleitern", sagt Sebastian Engel. Diese seien besonders knapp.

"Wenn man kommuniziert, findet man immer eine Lösung"

Eine Ausnahmesituation der besonderen Art schließlich betrifft die rund 60 Mitarbeiter: die Familiengründung. Hierauf reagiere man bei Noax so flexibel und verständnisvoll wie möglich, erläutert Schechner. "Wenn man miteinander kommuniziert, findet man immer eine Lösung, was die Arbeitszeitmodelle angeht." Die Mitgliedschaft im Familienpakt Bayern, der vor allem eine Beratungs- und Netzwerkfunktion hat, habe da nahgelegen. Ohnehin sei die Belegschaft sehr heterogen, sowohl was Alter als auch was Interessen und Geschlecht anbelangt. Man sei es also seit jeher gewohnt, individuelle Lösungen zu suchen.

Schechner hat selbst zwei Kinder, im Kindergarten- und Grundschulalter. Sie kenne also die Herausforderung, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit sich bringt. "Ich war bis zum Tag vor der Geburt im Büro und wenige Wochen danach auch wieder", erzählt sie. Trotzdem denke sie nicht, dass sie zu viel arbeite: "Ich bin Vollblutsgeschäftsfrau, wenn ich in der Arbeit in den Flow komme, werde ich glücklich." Sie habe aber volles Verständnis, wenn jemand schlicht seinen Job tun möchte. "Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Leute gerne und gut ihrer Arbeit nachgehen können. Ein Unternehmen ist Teamsport."

Der Erfolg gibt Noax recht. Trotz Pandemie und Lieferkettenproblemen habe man letztes Jahr ein Wachstum von 25 bis 30 Prozent erreichen können. In Zukunft möchte Schechner mit Noax deswegen auf demselben Weg weitermachen und auch die nächsten 25 Jahre Stresstests bestehen.

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