Bilanz:Mitfahrbankerl im Kreis Ebersberg: Wo das Konzept funktioniert und wo nicht

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Auch die berühmte Primatenforscherin Jane Goodall findet die Grafinger Mitfahrbankerl gut. Das Foto hat der Filmemacher Michael Springer im Dezember 2017 während eines Symposiums in München gemacht. (Foto: Michael Springer)

In einigen Gemeinden werden die Bankerl gut angenommen - anderswo sollen sie gar wieder abgebaut werden. Nun bekommt das Projekt neuen Rückenwind.

Von Valentin Tischer, Ebersberg

Wie von A nach B kommen ohne eigenes Auto oder die S-Bahn? Diese Frage stellt sich vielen im Landkreis Ebersberg. Ob sie nun bewusst entschieden haben, auf das Auto zu verzichten, nicht mehr sicher fahren können oder es noch nicht dürfen, die Gründe sind verschieden. Eine Möglichkeit, wie sich Abhilfe schaffen lässt, sind die Mitfahrbankerl.

In verschiedenen Gemeinden im Landkreis Ebersberg kann man darauf Platz nehmen und so signalisieren, dass man eine Mitfahrgelegenheit sucht. Eine Zwischenbilanz zeigt: In einigen Gemeinden funktionieren die Bankerl sehr gut - in anderen sollen sie sogar schon wieder abgebaut werden. Doch bald soll das Projekt neuen Rückenwind erfahren: Im Zuge des Europaprojekts "Melinda" ist eine landkreisweite Erprobung geplant.

Vorreiterin im Landkreis beim Thema Mitfahren ist die Stadt Grafing. 2017 wurde dort die erste Mitfahrbank des Landkreises aufgestellt. Mittlerweile sind sechs der Bänke im Einsatz, weitere sollen folgen. 40 Stück wären ihrer Ansicht nach nicht zu viel, sagt Michaela Müller, von der Transition Town Initiative Grafing, die treibende Kraft hinter den Bänken. Je dichter das Netz sei, desto besser funktioniere es.

Frequentiert werden die Bänke aber jetzt schon gut, so Müller. Sie selbst benutze sie regelmäßig, erzählt sie - gerade erst sei sie auf diese Weise nach Niederseeon und vom Steinsee zurück nach Grafing gefahren, am Abend dann noch einmal von Grafing nach Ebersberg. "Es ist unglaublich, wie gut das funktioniert", so Müller. Ob jung oder alt, Frau oder Mann, alle hätten sie schon einmal mitgenommen, erzählt Müller. Man lerne auch immer nette Leute kennen.

"Man muss selbst daran glauben, dass es funktioniert."

Die Mitfahrbankerl in Grafing sind mit Schildern ausgestattet, die anzeigen, wohin die Sitzenden wollen. Dass man die Schilder in die Hand nehmen soll, ist, wie Müller vermutet, ein Grund dafür, dass das Konzept in Grafing so gut funktioniert. Ansonsten könnten Autofahrer ja denken, es ruhe sich nur jemand auf der Bank aus. Aktiv müsse man die Autofahrer auf sich aufmerksam machen, erklärt Müller. "Man muss selbst daran glauben, dass es funktioniert. Und wenn jemand mal vorbeifährt, darf man das nicht persönlich nehmen", sagt Müller. Gerade die Verbindung in die Nachbarorte ist wichtig.

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Neben Grafing ist Glonn die inoffizielle Hauptstadt der Mitfahrbankerl im Landkreis. 18 Bänke hat der Bauhof der Verwaltungsgemeinschaft 2018 im südlichen Landkreis aufgestellt. Zehn davon stehen direkt in Glonn und werden auch gut ausgelastet, vor allem an den Hauptstraßen in Richtung Grafing, erklärt Bürgermeister Josef Oswald. Die Banken für den innerörtlichen Verkehr sind aber noch etwas wenig benutzt. "Das braucht eine gewisse Anlaufzeit. Solche Sachen funktionieren durch positive Mund-zu-Mund-Propaganda", sagt Oswald. "Und wenn die Bankerl nicht benutzt werden, dann sind das eben zusätzliche Ruhebänke."

In Zorneding dagegen sollen die vor gut einem Jahr aufgestellten Bänke schon wieder abgebaut werden, weil sie zu wenig benutzt werden. Das habe verschiedene Gründe, sagt Sieglinde Kornek-Peters, Vorsitzende des Seniorenbeirats der Gemeinde. Die Wartezeiten seien immer sehr lang gewesen, dies habe sie auch bei Selbstversuchen festgestellt. Zudem vertrauten viele den Autofahrern nicht, erklärt sie. Viele Rentner in Zorneding würden stattdessen auf den Einkaufsbus zurückgreifen. Der koste zwar drei Euro, aber dafür kenne man die Fahrer, sagt die Vorsitzende des Seniorenbeirats. Die Mitfahrbankerl sollen immerhin künftig an den Abholorten des Einkaufsbusses bequemeres Warten ermöglichen.

In der Kreisstadt stand das einzige Bankerl bisher am Marienplatz, die Idee dahinter war laut Geschäftsleiter Erik Ipsen, dass diejenigen, die ihr Auto vom dortigen Parkplatz abholen, auf diejenigen aufmerksam werden, die eine Mitfahrgelegenheit suchen. Derzeit ist die Bank allerdings schon wieder weg - sie soll aber laut Ipsen wieder aufgestellt werden, sobald die Bauarbeiten am Marienplatz über die Bühne sind. Daneben sind Bänke an vier weiteren Standorten - unter anderem am Klostersee - bereits geplant. In Poing hat man bisher das Konzept noch nicht eingeführt, auch entsprechende Pläne gibt es laut Auskunft aus der Gemeinde nicht. Etwas weiter ist man in Vaterstetten, der Gemeinderat beschloss kürzlich, die Verwaltung solle prüfen, wie und wo Mitfahrbänke aufgestellt werden könnten.

Ein kleiner Beitrag zu mehr umweltfreundlichem Verkehr

Doch möglicherweise kommt bald mehr Schwung in die Sache. Denn im Landkreis Ebersberg soll im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht werden, welchen Beitrag die Mitfahrbankerl zur Eindämmung des Individualverkehrs leisten können, erklärt Hans Gröbmayr, Klimaschutzmanager des Landkreis Ebersberg. Dies setze ein dichtes Netz und gute Standorte voraus, um eine gewisse Verlässlichkeit zu gewährleisten. Man werde sich jedenfalls bemühen, so Gröbmayr, möglichst viele Gemeinden von der Idee zu überzeugen.

Mitfahrbankerl seien ein kleiner Beitrag zu mehr umweltfreundlichem Verkehr, der verhältnismäßig wenig koste, sagt Gröbmayr, zudem funktionierten die Bänke und seien oft schneller als der ÖPNV. Um sie auch in das digitale Zeitalter zu bringen, sagt Gröbmayr, dass der Landkreis eine App in Auftrag geben wolle, die Standorte anzeigt und Wartende und Fahrer vernetzt.

Wie das umgesetzt werden kann, beschäftigt gerade Patrick Ansbacher. Er ist Berater und Projektentwickler einer Berliner Agentur. "Das Konzept der Mitfahrbankerl ist charmant, weil simpel", so Ansbacher. Ob eine zusätzliche digitale Plattform etwas bringt oder sie eher den charmanten Charakter kaputtmacht, müsse erst herausgefunden werden, erklärt er.

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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