Fahrradgefahren:Der große Gefahrenatlas für Radler im Kreis Ebersberg

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Ein Fahrradausflug ins Grüne macht Spaß - wenn auch nicht auf allen Strecken. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Fehlende Wege, gefährliche Einmündungen, überraschende Hindernisse: Der ADFC hat die Risikostellen im Landkreis in einem Online-Atlas gesammelt. Die SZ gibt einen Überblick mit Problemzonen und Lösungsvorschlägen.

Von Valentin Tischer

Die Tage sind lang, die Wetterperspektiven bestens - gute Bedingungen also, um am Wochenende eine Radtour zu unternehmen oder werktags zur Arbeit zu radeln. Eigentlich. Denn weniger ideal sind bisweilen die Strecken, auf denen die Radler im Landkreis Ebersberg unterwegs sind - zumindest dort, wo überhaupt eine Fahrradtrasse vorhanden ist. Damit der sommerliche Radausflug nicht mit einer Fahrt in das Krankenhaus endet, ist an vielen Stellen besondere Vorsicht geboten. Gerade im Vergleich mit Autos ziehen Radler meist den Kürzeren. Die Zahl der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt sind, steigt.

Der Landkreis Ebersberg sei zwar nicht so schlecht aufgestellt wie andere, aber es gebe viel Raum für Verbesserungen, sagt Heinz Schmeling von Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) in Ebersberg. An vielen Stellen werden Radfahrer vermeidbaren Gefahren ausgesetzt, vor allem wenn sich Rad- und Autoverkehr in die Quere kommen. Der ADFC Ebersberg sammelt Gefahrenstellen im Landkreis auf einer interaktiven Karte. Viele problematische Stellen gehen auf die gleichen baulichen Fehler zurück.

Gefährliche Ausfahrten und Kreuzungen

Auf der Münchener Straße in Ebersberg ist Vorsicht geboten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Problem: Radwege kreuzen an einigen Stellen Ausfahrten, an denen die Sicht der Autofahrer auf die Radfahrer verdeckt ist und die Vorfahrtsregelungen nicht klar erkennbar sind.

Die Gefahr: Meist haben die Radfahrer Vorfahrt, die ihnen sehr oft durch Autofahrer und andere Verkehrsteilnehmer genommen wird. Die Radfahrer können so leichter in Kollisionen verwickelt werden, die schwere Verletzungen und sogar den Tod nach sich ziehen können.

Die Beispiele: In der Münchner Straße am westlichen Ortsausgang von Ebersberg kam es schon zu einem tödlichen Unfall. Im Jahr 2016 überrollte ein Lastwagen eine Radfahrerin. An der Stelle erschweren Bäume, Sträucher und Hecken die Sicht aus den Ausfahrten des Edeka-Parkplatzes zur Josef-Brendle-Straße und Zur Gass. Auch 2018 registrierte die Polizei dort einen Unfall.

In der Stadt Grafing ist die Situation ähnlich. Die Ausfahrt des Aldi-Parkplatzes über die Pfarrer-Aigner-Straße zur Glonner Straße kreuzt den Radweg aus Richtung Schammach. Die Sicht der Autofahrer auf den Radweg ist durch zwei Container für Kleiderspenden, einen Bauzaun mit Banner, sowie einen Anhänger mit Werbung versperrt. Zudem kann man die Autos, die in Richtung Grafing fahren, erst sehen, wenn man direkt auf den Fahrradüberweg fährt.

Ein etwas kleinerer Unfall-Schwerpunkt ist die Karl-Böhm-Straße in Baldham. Dort registrierte die Polizei im Jahr 2018 im Bereich des Bahnhofs vier Unfälle, die auf nicht eingehaltene Vorfahrt an Kreuzungen und Ausfahrten zurückzuführen sind. Vor allem die unübersichtliche Führung der Rad- und Fußgängerwege sei ein Problem, sagt Jo Neunert vom Verkehrsarbeitskreis Agenda 21.

Die Problemlösung: Ist eigentlich ganz einfach, aber dann wieder doch nicht. Die Lösung für das Problem südlich des Bahnhofs in Baldham gestaltet sich schwierig. Die Grundstruktur sei zu sehr auf den Autoverkehr ausgerichtet, erläutert Neunert. Die Vorschläge, den Bereich sicherer zu machen, reichen von einer Verengung der Autofahrbahn mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer bis zu einem offenen Konzept, das keine Trennung der verschiedenen Verkehrswege vorsieht und auf Rücksicht für die schwächeren Verkehrsteilnehmer baut. Ein abschließendes Konzept gibt es aber nicht.

In Ebersberg ist der Übergang an der Straße "Zur Gass" insofern gesichert, als dass er als Fußgängerüberweg markiert ist und die Radfahrer auf Schildern aufgefordert werden abzusteigen. Eine kurze Stichprobe ergibt, dass sich aber kaum ein Radler an die Regelung hält.

Der ADFC fordert, dass die Sichtbehinderungen in Grafing entfernt werden. Das sei aber nicht einfach möglich, sagt Leonard Kogler von der Stadt Grafing. Die Sichtbehinderungen befinden sich auf privaten Flächen. Für die öffentliche Hand sei da wenig zu machen, erklärt Kogler, solange das sogenannte Sichtdreieck nicht blockiert ist. Die Sichthindernisse seien noch im Rahmen des Zulässigen. An gewissen Stellen müssen die Radler besonders auf den Verkehr achten, sagt er.

Endende Radwege

Das Problem: Radwege enden oft ohne eine Verschwenkung auf die Straße oder einen Sicherheitsstreifen.

Die Gefahr: Radfahrer müssen auf der Straße weiterfahren oder die Straßenseite wechseln. Sie müssen die Straße mit dem Autoverkehr kreuzen, was meist nicht durch eine Ampel oder eine Verkehrsinsel gesichert ist. So können leichter Kollisionen entstehen.

Die Beispiele: In Zorneding mündet der Radweg aus dem Westen nach der Unterführung der Staatsstraße 2081 direkt in die Münchner Straße, die Radler müssen zum Weiterfahren auf die Fahrbahn oder den Gehsteig wechseln.

Ähnlich ist die Lage für Radfahrer in Poing. Dort endet der Radweg an der Gruber Straße aus der namensgebenden Ortschaft kommend an der Kreuzung mit der Alten Gruber Straße. Um weiter auf der Straße zu fahren, müssen Radfahrer auf den Radweg der anderen Straßenseite ausweichen, durch eine laut ADFC mängelbehaftete Unterführung. An der Stelle und dem weiteren Verlauf der Straße verzeichnete die Polizei 2018 vier Unfälle. Die Zusammenstöße sind auf nicht beachtete Vorfahrtsregelungen und Gegenverkehr zurückzuführen.

Die Problemlösung: Die Gemeinde Zorneding ist in Gesprächen mit dem ADFC, zur besseren Überführung des Radweges auf die Münchner Straße, sagt Zornedings Bürgermeister Piet Mayr (CSU). Eine Ausweitung des Radweges auf die Münchner Straße hält er aber für problematisch, aufgrund der dort parkenden Autos. Der ADFC fordert für die Stelle einen Fahrradstreifen, der die Einmündung des Radweges entzerrt. Eine konkrete Lösung ist noch nicht ausgearbeitet. Thomas Stark, Geschäftsführer der Gemeinde Poing, bestätigt, dass die Gemeinde an der Stelle in der Gruber Straße Handlungsbedarf sieht, nennt aber keine konkreten Pläne.

Die Ampel auf dem Radweg

Die Breite der Radwege, hier die St 2080 in Ebersberg, wird überall als zu gering bewertet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Problem: Am nördlichen Ortseingang von Ebersberg, an der Kreuzung Schwabener Straße/Hohenlindener Straße, steht ein Ampelmast auf dem Radweg.

Die Gefahr: Entlang der Schwabener Straße führt der Radweg aus und in den Ebersberger Forst. An der Stelle mit dem Ampelmasten geht die Straße aus dem Forst kommend steiler bergab und um eine Rechtskurve. Radler, die nach Ebersberg fahren, können den Masten erst spät sehen. Dem Gegenverkehr können die Bergab-Fahrer nur schlecht ausweichen, weil sich auf der rechten Seite des Ampelmasts eine Betonwand befindet und auf der linken Seite die stark befahrene Schwabener Straße beziehungsweise Staatsstraße 2080. Zudem verlängert die Steigung für Radfahrer den Bremsweg. Im Jahr 2017 gab es an der Stelle einen schweren Unfall. Ein Radfahrer, der in Richtung Norden unterwegs war, wurde von einem bergabkommenden Radfahrer gestreift. Der Mann verlor das Gleichgewicht und stürzte auf die Straße, wo er von einem Lkw überfahren wurde. Der Radfahrer überlebte schwer verletzt.

Die Problemlösung: Schwer möglich. "Der Ampelmast muss da weg, der hat da nichts verloren", sagt Heinz Schmeling vom ADFC. Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) hat Verständnis für diese Haltung: "Wenn man die Stelle neu bauen würde, dann würde man versuchen, den Ampelmast zu entfernen." Allerdings ist die Stadt an der Stelle nicht zuständig, sondern der Freistaat Bayern in Form des staatlichen Bauamts in Rosenheim.

Die Schwabener Straße ist eine Staatsstraße, wodurch das Staatliche Bauamt Rosenheim zuständig ist. Von dort heißt es, dass eine Entfernung des Mastes nicht möglich ist. "Die Situation ist bautechnisch nicht anders gestaltbar", sagt Mathias Kreuz, Bereichsleiter für den Landkreis Ebersberg im Bauamt. Die Ampel sei an der Stelle nötig und die Bebauung lasse keine andere Lösung zu, erklärt er.

Nach einer Begehung mit der Polizei, dem Bauamt und der Unteren Verkehrsbehörde wurde die Stelle mit Warnhinweisen versehen, die Radler zum langsam Fahren auffordern. Bürgermeister Brilmayer sieht die Radler selbst in der Pflicht. "Die Radfahrer müssen so fahren, dass sie jederzeit stehen bleiben können. Ob an der Stelle eine Ampel im Weg steht oder eine Mutter mit Kinderwagen macht erst einmal keinen Unterschied", sagt er.

Überholende Autos und enge Straßen

Autofahrer nehmen nicht immer Rücksicht beim Überholen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Problem: Viele Autofahrer überholen Radfahrer an zu engen Stellen oder bei Gegenverkehr. Meist halten die Autofahrer dabei den Sicherheitsabstand nicht ein.

Die Gefahr: Radfahrer werden von den Autos in Bedrängnis gebracht und können nicht richtig ausweichen.

Die Beispiele: Christoph Moder vom ADFC beobachtet auf der Wasserburger Straße in Kirchseeon immer wieder fragwürdige Überholvorgänge. Vor allem im Sommer sind dort viele Radfahrer unterwegs, zum Beispiel Schüler, die zum Gymnasium fahren. Entlang der Straße befinden sich Parkplätze. Wenn diese besetzt sind, dann ist die Straße laut Moder zu eng zum Überholen. Trotzdem überholen die Autofahrer. Zu enge Straßen sind nicht nur innerorts ein Problem. So führt der ADFC auf seinem Gefahrenatlas einige andere Beispiele auf, etwa die Parsdorfer Straße zwischen Purfing und Baldham-Dorf. Die Straße ist an vielen Stellen zu eng, um sicher Radfahrer zu überholen. Zudem ist das Bankett nicht fest genug, dass es Radfahrern eine Ausweichmöglichkeit bietet. Auch an dieser Stelle überholen Autos und Lkw mit zu geringem Abstand.

Die Problemlösung: Liegt für Moder auf der Hand. Es müssen Radwege, Fahrradstreifen und breitere Straßen her. Aber nicht nur bessere Infrastruktur sei nötig. "Die Verantwortung liegt beim Autoverkehr", sagt Moder. Auto- und Lkw-Fahrer sollten mehr auf den Radverkehr achten müssen und nicht umgekehrt, sagt er.

Fehlende Radwege

Auf der B 304 herrscht immer viel Verkehr. Die Fahrbahn ist deshalb an manchen Stellen in schlechtem Zustand. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Problem: Viele der gefährlichen Stellen für Radfahrer im Landkreis Ebersberg gehen auf nicht passend ausgebaute oder schlicht nicht existente Radwege zurück. Gerade zwischen den Gemeinden fehlen Radwege, sagt Heinz Schmeling.

Die Gefahr: Es häufen sich die Unfälle mit Radfahrern. So registrierte die Polizei im Landkreis 2018 eine steigende Zahl von Unfällen, an denen Radler beteiligt waren. Der Sachbearbeiter für Verkehr der Polizeiinspektion Ebersberg, Stephan Mittermaier, führt dies darauf zurück, dass der Radverkehr zunimmt und die Infrastruktur noch nicht genug ausgebaut ist. Im November 2018 wurde zwischen Forstinning und Markt Schwaben ein Radfahrer bei einem Unfall getötet. Er war auf der Staatsstraße 2080 von einem Auto erfasst worden.

Die Beispiele: Zahlreich. Verbindungen zwischen den Gemeinden und Ortschaften fehlen sehr oft, bemängelt Heinz Schmeling. "Oft muss man da auf den Straßen fahren", sagt er. Zwischen Kirchseeon und Grafing fehle eine direkte Radverbindung, ebenso zwischen Zorneding und Oberpframmern, kritisiert der ADFC.

Die Problemlösung: Es müssen Radwege ausgebaut und gebaut werden. Manche werden schon geplant. In Poing wird auf dem Westring ein neuer beidseitig befahrbarer Radweg entstehen. Zornedings Bürgermeister Mayr will zusammen mit den Nachbarn Vaterstetten und Oberpframmern neue Wege bauen. Andere Gemeinden haben fortgeschrittene Pläne für neue Fahrradtrassen. Das Staatliche Bauamt Rosenheim plant ebenso viele neue Projekte, erläutert Mathias Kreuz. Er nennt als Beispiele einen Radweg entlang der Staatsstraße 2086 von Ebersberg nach Hohenlinden und einen entlang der Staatsstraße 2332 von Markt Schwaben nach Pastetten. Trotz geplanter Projekte herrscht noch mehr Bedarf. Allein in Poing sieht die Gemeinde an neun Stellen Bedarf für weitere Radwege. Deren Bau verhindern meist nicht fehlendes Geld. Die größten Probleme sind der Ausbaugrad der Straßen und die Grundbesitzverhältnisse, erklärt der Poinger Geschäftsleiter Thomas Stark. An vielen Stellen ist es aufgrund von Platzmangel oder Parkplätzen rechtlich nicht möglich Radwege zu bauen.

Auch muss Land gekauft werden, das nichts mit dem Radweg zu tun hat, sagt Mathias Kreuz vom Bauamt in Rosenheim. Radwege versiegeln Flächen, weswegen Ausgleichsflächen geschaffen werden müssen, erklärt er. Und die Preise für die Grundstücke sind oft horrend.

Der Gefahrenatlas des ADFC Ebersberg: Zu finden unter www.adfc-ebersberg.de/gefahrenatlas/

© SZ vom 06.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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