T.S.Eliot im Meta Theater:Ein Haufen kaputter Bilder

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"Either Your shadow at morning striding behind / You Or your shadow at evening rising to meet" - Schauspielerin Nicole Kleine auf dem Weg durch Eliots Waste Land. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Axel Tangerding bringt "The Waste Land" mit großer Schauspielkunst, intelligenter Kulissengestaltung und ungewöhnlicher Musik auf die Bühne.

Von Alexandra Leuthner, Moosach

Am Ende steht ein Bild der Verwüstung. Oder doch ein Bild der Schönheit. Wie man es auch immer sehen will - Text und Inszenierung lassen gleichermaßen Raum für eigene Interpretation. Was zu sehen ist, nachdem die Schauspieler die Bühne verlassen haben, gleicht der faszinierend brutalen Landkarte eines wüsten Planeten, dreidimensional, bestehend aus unregelmäßig gebrochenen Brocken von Stein, oder vielmehr Gips, den Bühnenbildner Louis Panizza vor der Probe gerührt und auf eine viereckige Metallplatte aufgebracht hat. "Waste Land."

Der Bühnenboden markiert Schichten des Textes, des Bewusstseins, des Seins. Am Schluss ist er zerstört. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Alles ist hart, das Metall, der Boden, der zuvor, als die Fläche noch intakt ist, fast weiß erscheint. "Wie ein Blatt Papier", erklärt Axel Tangerding. Er hat T.S. Eliots ikonischen Text szenisch in seinem Meta Theater eingerichtet. Den Raum über der wüsten Fläche definieren eine Tafel aus Blech und drei dicke Metallstangen, die in unterschiedlichen Höhen aufgehängt Turnbarren sein könnten, zumindest dienen sie der Schauspielerin Nicole Kleine, die für die Inszenierung nach Moosach gekommen ist, als Schaukel, als Bartresen, als Felsmassiv vielleicht, auch als Instrument. So wie der Text von einer Ebene zur anderen springt, von der Gegenwart des archaischen Nichts einer unwirtlichen Gesteinslandschaft in die Erinnerung ans süßliche Renaissance-Ambiente des Münchner Hofgartens, so markiert auch das Bühnenbild in seiner Abstraktion völlig unterschiedliche Ebenen, des Geschehens und auch des Bewusstseins.

Da ist das Londoner Pub, in dem mal eben menschliche Abgründe im Vorbeigehen abgearbeitet werden, die Wohnung, in der tatsächlich Abgründiges passiert, die Straßenszene, aber auch die völlige Einsamkeit der sich im Laufe der Jahreszeiten verändernden Natur, von der sich der Mensch immer mehr entfremdet. Nicht ohne Grund bricht Eliot mit dem Bild des zart keimenden Frühlings, kein blaues Band weht bei ihm.

Bühnenbildner Louis Panizza stellt Überlegungen zur richtigen Beleuchtung an. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Ich habe sehr hartes Material gesucht", erklärt Bühnenbildner Panizza, "keine Theaterdekoration, sondern echten Widerstand, an dem man sich stoßen kann." Und muss. Einmal gerät eine der Stangen bedenklich nahe an Ardhi Engls musikalische Aufbauten heran, fast siegt die Gewalt über das Schöne, siegt Bia über Apollo mit seiner Leier. Absichtslos zwingt es die Crew, die in einer ihrer letzten Proben steckt, zu einer Pause und einem Neustart der Szene. Wüstes Land eben, der Mensch muss sich seinen Weg suchen.

Nichts Süßes, keine Schmeichelei ist dem Text zu eigen, den Eliot, Zeitgenosse von Virginia Woolf, Ezra Pound und James Joyce, noch unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs 1922 geschrieben hat, und der in seiner Wirkungsgeschichte als einer der einflussreichsten des 20. Jahrhunderts gilt. Und trotz seiner Härte besticht "The Waste Land" mit dem poetischen Zauber seiner Zeilen. Mit Then spoke the thunder etwa, oder dem aufrührenden Eingangsvers April is the cruellest month / Breeding Lilacs out of the dead land. Für die Anglistin und Kulturmanagerin Martina Taubenberger, die bei den beiden Aufführungen am Wochenende 25. und 26. November eine Einführung halten wird, ist der 434 Zeilen lange und nicht als Theaterstück geschriebene Text einer, der in seiner Bedeutung über sich selbst hinausweist. Heute würde man vielleicht aus Netflix-Serien zitieren, sagt sie, damals eben aus Shakespeare, "doch die Aussage bliebe die gleiche". Ein Stück dramatische Lyrik, die es gilt, schichtenweise zu verstehen.

Axel Tangerding hat das Stück inszeniert und fungiert auf der Bühne als Stichwortgeber aus dem Hintergrund. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

So wie die Schichten, in die der Bühnenboden zerlegt wird, auf dem Nicole Kleine, die den Hauptteil des im englischen Original dargebotenen Textes faszinierend wandelbar und eindringlich spricht, und Axel Tangerding wandeln. Der Hausherr fungiert dabei in grauem Kostüm als eine Art Stichwortgeber, zwischendurch auch als der Erzähler, den es in The Waste Land so eigentlich gar nicht gibt, und darüber hinaus ist er der Mann mit der Schaufel. Ein grauer Mann, fast unsichtbar, der - ja, was eigentlich darstellt? Den Totengräber der Realität, der das, was da tragender Untergrund scheint für das seltsam vagabundierende Treiben, Stück um Stück zerstört? Vielleicht markiert er auch den blinden Seher Tiresias, der mit seinem Wirken den Blick auf das Jenseitige lenkt und dessen wiederholtes Erscheinen in Eliots Text seinen Teil beiträgt zum Dunklen, Orakelhaften, das ihn kennzeichnet.

Man muss nicht alles verstehen. Es sei auch nicht notwendig, dass man immer wisse, wer gerade spricht, sagt Taubenberger, oder auf welcher Ebene sich das Geschehen befindet. Das Stück sei eine Einladung an die Zuschauer, sich darauf einzulassen. "Wie bei einem Kaleidoskop. Entweder erkennt man ein Muster oder auch nur bunte Bilder. Beides ist schön."

Musik aus Eigenproduktion: Multiinstrumentalist Ardhi Engl macht Musik aus allem, das er finden kann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schön ist es auch, einfach zuzuhören. Der mal summenden, mal ratschenden Stimme von Nicole Kleine, die - wenigstens bei der Probe - zwischendurch nach einem Glas Wasser verlangen muss: Which are mountains of rock without water / If there were water we should stop and drink /Amongst the rock one cannot stop or think / Sweat is dry and feet are in the sand. Neben ihrer Schauspielkunst sind aber auch die Töne den Besuch wert, jene, die aus Ardhi Engls selbst gebauten Musikinstrumenten kommen und jene, die mittels Tonabnehmern durch das Scheuern und Treten auf dem Bühnenboden entstehen - für letztere ist Sebastian Strauß verantwortlich.

Ardhi Engl am Stanglcello. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Multiinstrumentalist Engl hat seine "Trash-Kalimba" aus Baumarktutensilien gebaut und solchen Dingen, die gut und gerne auf einem Wertstoffhof zu finden sind - Kabel, Federn, ausgediente Schläger, Rohre. So korrespondiert seine Musik mit dem Geist des Textes, Sinnhaftes zerlegt, neu zusammengesetzt und Schönes daraus erschaffen. Während Eliot seinen Heap of broken images in lyrische Zeilen lenkt, kreiert Engl Theaterdonner aus Werkteilen, entlockt ihnen Flötentöne und Geigenjammer.

The Waste Land wird am Samstag und Sonntag, 25. und 26. November im Meta Theater in Moosach aufgeführt. Beginn ist jeweils um 19 Uhr, Eintritt frei, um Spenden wird gebeten.

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