Pläne um Asylunterkunft in Markt Schwaben:Platz für 120 Geflüchtete

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In dem heute leerstehenden, ehemaligen Atron-Firmengebäude soll die Unterkunft entstehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In einem ehemaligen Firmengebäude in der Straße "Am Ziegelstadel" in Markt Schwaben soll eine neue Unterkunft entstehen. Anwohner reagieren besorgt, Landrat Robert Niedergesäß und Bürgermeister Michael Stolze versuchen zu beschwichtigen.

Von Merlin Wassermann, Markt Schwaben

Der Landkreis Ebersberg erhält eine neue Flüchtlingsunterkunft in einem früheren Firmengebäude Am Ziegelstadel im Westen Markt Schwabens. Das bestätigten das Landratsamt Ebersberg und die Gemeinde Markt Schwaben in einer gemeinsamen Stellungnahme der Süddeutschen Zeitung am Dienstagabend. Demnach habe das Landratsamt die Räume des ehemaligen Firmengebäudes der Atron GmbH angemietet und plane, sie bis zum zweiten Quartal 2024 als Unterkunft für bis zu 120 Menschen umzurüsten und zu belegen.

Der Landkreis hatte seit Langem mit wachsender Dringlichkeit nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete gesucht. Zuletzt waren zwei größere Containerunterkünfte in Grafing und Vaterstetten entstanden, letztere soll in diesen Tagen bezogen werden. Zur Wahl des Standorts in Markt Schwaben heißt es in der Stellungnahme, dass "die Größe und der Grundriss" ausschlaggebend für die Entscheidung waren und dass "der Standort im Rahmen der Aufgabenerfüllung des staatlichen Landratsamts festgelegt" wurde. Gegenüber der Ebersberger Zeitung hatte Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) vergangene Woche betont, dass er die Flüchtlingsunterkunft vor allem als Chance für den Markt versteht. Am Dienstag wollte er sich nicht mehr persönlich äußern und verwies auf die gemeinsame Pressemitteilung.

Einige Bürger zeigen sich besorgt um den sozialen Frieden im Burgerfeld

Dies dürfte auch daran liegen, dass die Anwohner des Wohngebiets "Am Burgerfeld" statt Chancen eher eine Krise sehen. In einem Schreiben, verfasst von Katrin Singer und Andreas Stumptner und unterzeichnet von mehreren Dutzend weiteren Bürgerinnen und Bürgern, äußern sie scharfe Kritik an Stolze und Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Sie hätten die Chance vertan, die Anwohner mit einzubeziehen und sie stattdessen "vor vollendete Tatsachen" gestellt.

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Dadurch sei auch der "soziale Friede" im Viertel und in der Gemeinde gefährdet. Das Burgerfeld sei "bisher ein ruhiges, friedvolles Wohngebiet" gewesen, in dem überwiegend Familien mit Kindern leben. Wenn nun 120 Geflüchtete - "möglicherweise aus anderen Kulturkreisen" - in das Firmengebäude ziehen sollten, könnte es damit vorbei sein, so die Sorge. Es stellten sich Fragen in Bezug auf Privatsphäre, Lärm, Sicherheit, Reinigung des Areals "und nicht zuletzt" die Auswirkung der "neuen Nachbarschaft" auf den "Wert von Wohneigentum".

Markt Schwabens Bürgermeister Michael Stolze warnt vor einer Pauschalisierung, was Jugendliche betrifft. (Foto: Christian Endt)

Die Anwohner wünschen sich eine "Ortsteilbürgerversammlung in der Theaterhalle noch vor Weihnachten", um alternative Standorte zu eruieren und über die Möglichkeit zu diskutieren, "darauf einzuwirken, welche Flüchtlinge konkret nach Markt Schwaben kommen würden".

Die Fraktion im Gemeinderat "Zukunft Markt Schwaben" hat wiederum einen Antrag beim Bürgermeister eingereicht, den Tagesordnungspunkt "Sachstandsbericht Flüchtlingszentrum in Markt Schwaben" in den öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung an diesem Donnerstag hinzuzufügen. Viele besorgte Bürger hätten sich mit Fragen an die Fraktionsmitglieder gewandt, die sie nicht hatten beantworten dürfen - ein "nicht weiter hinnehmbarer Zustand" für sie. Ob der Punkt in der öffentlichen Sitzung am Donnerstag besprochen werden wird, ist Stand Dienstagabend noch unklar.

Man will "bestmöglich gerüstet" sein, schreibt die Gemeindeverwaltung in einer Mitteilung

In ihrer schriftlichen Stellungnahme schreibt die Marktgemeinde, es lasse "sich aus heutiger Sicht nicht abschließend beantworten", ob lokale Infrastruktur wie Schulen, Kitas und Gesundheitsversorgung mit den zusätzlichen Bewohnern werden umgehen können. "Klar ist auf jeden Fall, dass im Hinblick auf die drei angeführten Bereiche die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden müssen, um bestmöglich gerüstet zu sein", heißt es weiter.

Landrat Robert Niedergesäß (CSU) steht unter Druck, die dem Landkreis zugewiesenen Geflüchteten unterzubringen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch was die Integrationsmöglichkeiten anbelangt, gibt man sich zuversichtlich oder zumindest ambitioniert. Es wird auf "Sprachkurse und Weiterbildungsangebote (für Erwachsene)" hingewiesen, die von der VHS in Markt Schwaben als "verlässlichem Kooperationspartner" angeboten würden - "auch und gerade im Zusammenhang mit der Unterrichtung von Geflüchteten".

Was die Bedenken bezüglich Sicherheit, Lärm und Wert des Wohneigentums anbelangt, hält sich die Stellungnahme kurz: "Es gibt keine Bedenken, die über das übliche Maß hinausgehen", so das Landratsamt in seiner Stellungnahme.

Tobias Vorburg vom Flüchtlingshelferverein ruft zu "konstruktivem Dialog" auf

Der Vorsitzende des Markt Schwabener Flüchtlingshelfervereins Seite an Seite, Tobias Vorburg, ruft alle Seiten zu einem konstruktiven Dialog auf. "Ich kenne keine politische Debatte, die so emotional geführt wird", sagt er. Natürlich könne er die Sorgen der Anwohner verstehen und sagt, man müsse selbige ernst nehmen und die Möglichkeit bieten, Fragen zu stellen. "Alles andere würde die Situation nur verschärfen."

Tobias Vorburg von "Seite an Seite" wünscht sich eine realistische Betrachtung und eine pragmatische Herangehensweise an die Situation. (Foto: Christian Endt)

Allerdings wünscht er sich auch, dass keine unangebrachten Vorwürfe unbedacht in den Raum gestellt werden. Stattdessen plädiert er für eine pragmatische und realistische Sicht auf die Situation. "Dem Landkreis werden Geflüchtete zugewiesen, das Landratsamt und die Gemeinden müssen sich um deren Unterbringung kümmern", so Vorburg.

Die Errichtung einer neuen Unterkunft bringe nie nur Freude mit sich. Er verweist allerdings auf die Situation 2015, als mehr als 300 Geflüchtete zeitweise in Markt Schwaben untergebracht waren. "Da haben wir es auch fertiggebracht."

Tatsächlich war 2015 die Hilfsbereitschaft der Markt Schwabener besonders groß gewesen. Mehr als 160 Menschen hatten sich damals spontan bereit erklärt, im Helferkreis mitzuarbeiten.

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