Markt Schwaben:Führungskräfte unter sich

Lesezeit: 4 min

Bernhard Winter (Mitte) lädt Manager, Verwaltungsleute und Politiker seit drei Jahren zum Stammtisch. Frauen sind bisher nicht dabei. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit etwa drei Jahren gibt es in Markt Schwaben einen Manager-Stammtisch. Ins Leben gerufen wurde er von Bernhard Winter, dem Begründer der Sonntagsbegegnungen. Doch worüber reden die Führungskräfte, wenn sie sich bei einem Glas Bier treffen? So viel vorweg: Es geht nicht nur ums Geschäft.

Von Merlin Wassermann, Markt Schwaben

Die Manager, Politiker und Verwaltungschefs sitzen um mehrere zusammengestellte Tische im Schweiger Bräu in Markt Schwaben. Vom Rest des Wirtshauses sind sie durch eine Fensterwand abgetrennt, um nicht gestört zu werden. Es wird - viel alkoholfreies - Bier getrunken, aus dem Hauptsaal dringt die Musik eines Akkordeons herüber. Die Männer unterhalten sich, lachen, scherzen, tauschen Neuigkeiten aus.

So fängt nicht der neue Dan-Brown-Illuminaten-Roman an, sondern der von Bernhard Winter ins Leben gerufene Manager-Stammtisch. Winter ist bekannt für seine Sonntagsbegegnungen, die er seit dreißig Jahren leitet und in deren Rahmen er die verschiedensten Menschen ins Gespräch bringt. In seinem alltäglichen Leben ist er jedoch Psychotherapeut und hilft Menschen durch schwierige Zeiten. Für den Manager-Stammtisch verband Winter diese beiden Elemente.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

"Ich habe im Laufe der Zeit mehrere Menschen in Führungspositionen gecoacht", so Winter. Sein Coaching wurde in Anspruch genommen, um Fragen zu beantworten wie diese: Ist dieser Job der Sinn meines Lebens? Wie gehe ich mit dem Druck und der Verantwortung um, die eine Führungsposition mit sich bringt?

"Und dann dachte ich mir: Wieso führe ich sie nicht zusammen?" Diejenigen, die er besonders "menschlich stark" und interessant fand, lud er vor drei Jahren zum ersten Stammtisch ein, mittlerweile gibt es zwei Gruppen, deren Mitglieder sich alle paar Monate treffen. An diesem Abend kommen beide Gruppen und einige Assoziierte zusammen. Mehr als ein Dutzend Manager und Führungskräfte sind es am Ende, teils aus global agierenden Konzernen - SAP, BMW - teils aus Start-ups wie Voltstorage, die am Ende um den Tisch sitzen.

"Ich finde es gut, sich lokal einzubringen"

Einer von ihnen ist Daniel Trost. Er arbeitet bei SAP und ist dort für Front-Office E-Commerce Cloud-Lösungen zuständig. "Es ist nicht leicht, andere Menschen für meine Arbeit zu begeistern", witzelt er. "Aber mir macht es Spaß." Allerdings ist der Anspruch hoch: Für 600 Mitarbeiter und mehrere internationale Großkunden ist Trost in letzter Instanz verantwortlich. Wenn es bei letzteren ein Problem gibt, muss Trost blitzschnell ran, Zeitzonen und Schlafzyklen sind dann Nebensache. Viele um den Tisch nicken, als Trost davon erzählt.

Seine Motivation, am Stammtisch teilzunehmen ist allerdings nicht nur der Austausch mit Menschen, die ähnliches (durch-)machen wie er. "Ich finde es gut, sich lokal einzubringen", so Trost, der in Poing die U-10-Fußballmannschaft trainiert. Auch Oliver Wenzel, zuständig für Datenverschlüsselung beim Unternehmen Nagra, findet den lokalen Aspekt des Stammtischs spannend: "Ich hatte keine Ahnung, dass so viele namhafte Unternehmen in der Umgebung ansässig sind." Christian Philipp, der Crash-Tests bei BMW durchführt, ergänzt die offensichtlichste Motivation: Man lernt neue Menschen kennen, knüpft neue Freundschaften. Und neue Geschäftsbeziehungen? "Bis jetzt noch nicht", heißt es aus der Gruppe.

Zwischen Selbsthilfegruppe und Workshop

Das sei ohnehin nicht die Funktion des Stammtischs. Er wirkt vielmehr wie eine Mischung aus Selbsthilfegruppe, interdisziplinärem Workshop und eben Stammtisch.

Jeder Abend ist in zwei Teile unterteilt. Im ersten Teil tauschen sich die Teilnehmer untereinander aus, was das Privat-, aber auch und vor allem, was das Berufsleben anbelangt. Markus Geisler vom Unternehmen Oracle nennt das "gegenseitiges Coaching". An diesem Abend kommt das Gespräch auf das Home-Office: Wie führt man Menschen, die nicht im Büro sind? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden? Welche Modelle gibt es? Kann und darf eine Mitarbeiterin einfach mal für einen Monat vom Strand aus arbeiten?

Etwa eine Stunde lang unterhalten sich die Manager über diese und ähnliche Fragen. Doch nicht nur Geschäftsleute sitzen mit am Tisch. Immer mehr Teilnehmer trudeln ein, darunter auch der Polizeichef von Poing, Helmut Hintereder. Er ist kein fester Teil des Stammtisches, sondern ein ehemaliger Referent und mit ihm assoziiert.

So auch der Markt Schwabener Bürgermeister Michael Stolze, der ebenfalls mit dabei ist. Ob er in diesem Kontext nicht eine unangemessene Beeinflussung durch die Wirtschaft fürchtet? "Nein", so die Antwort. "Vor drei Jahren hätte ich noch gut hier hereingepasst und ich will zu dieser Art Mensch Kontakt halten." Das sei hilfreich, um die Bedürfnisse und Brennpunkte der Arbeitgeber - wie etwa Home-Office-Regelungen und damit verbunden der Bedarf an schnellem Internet - im Blick zu behalten.

Winter lädt stets externe Referenten ein

Im zweiten Teil wird ein Vortrag eines extra eingeladenen Referenten - wie Hintereder oder Stolze - gehalten, der Einblicke in seine Arbeit gibt und den anderen Teilnehmern Rede und Antwort steht. An diesem Abend ist der geplante Referent allerdings krank, spontan springen dafür drei Stammtischler mit Kurzvorträgen ein.

Daniel Trost erklärt, wie mittels Cloud-Magie die Marmelade vom Online-Shop in den Briefkasten kommt. Fazit: es ist sehr kompliziert. Polizeichef Hintereder, der seit 41 Jahren im Dienst und seit 14 Jahren in Poing ist, resümiert daraufhin einige der derzeitigen Probleme seines Berufs. Ganz vorne mit dabei: ein "langsam um sich greifender Erfahrungsverlust", da es nicht genug Nachwuchs gebe. Viele Jungpolizisten und -polizistinnen zögen nach der Mindestverweildauer von drei Jahren wieder aus dem teuren Münchner Umland weg. Jakob Bitner, Geschäftsführer des Start-ups Voltstorage, spricht über Energiespeicher und die Energiewende - eine kleine Diskussion schließt sich spontan an.

Ein Frauenstammtisch ist für 2023 geplant

Bei so vielen Alphatieren am Tisch ist es nicht verwunderlich, dass es zum ein oder anderen - respektvollen - Schlagabtausch kommt. Die Männer erklären gern auch mal ausführlich ihre Sicht der Dinge. Hingegen ist keine einzige Frau an diesem Abend anwesend, wenn man einmal von der Kellnerin absieht.

Dieser Umstand ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass schlicht deutlich mehr Manager-Männer zu einem Coaching gekommen seien, als Frauen, erklärt Bernhard Winter. Von den Frauen entsprach zunächst keine seinen Auswahlkriterien. "Ich wollte keine Alibi-Frauen", so Winter. Er sieht auch kein unmittelbares Problem in der einhundertprozentigen Männerquote: "Dann treffen sich halt mal nur Männer, wieso auch nicht?"

Dennoch ist mittlerweile ein Frauenstammtisch geplant, Winter konnte genug Kandidatinnen finden. In diesem Jahr soll er das erste Mal zusammenkommen und sich getrennt von den Männern treffen. Gemeinsame Treffen sind geplant.

Neben Frauen kann sich Winter auch vorstellen, Personen jenseits des Manager-, Politiker- oder Verwaltungsberufs einzuladen. Auch Naturschützer, Sozialarbeiter und andere könnten in Zukunft mit um den Tisch sitzen und den Abend - wie diesen - mit Geplauder und Nachtisch ausklingen lassen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEnergiewende
:Wenn der Boom zum Bumerang wird

Herbert Frey aus Baldham hat viel Geld in die Hand genommen, um sich eine Brennstoffzellenheizung in sein Haus einbauen zu lassen. Eigentlich könnte die Familie dadurch autark leben, stattdessen wartet sie seit fast einem Jahr darauf, dass die Anlage angeschlossen wird. Wegen der vielen Anfragen kommt der Netzbetreiber nicht mehr hinterher.

Von Andreas Junkmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: