Pflegenotstand:Dem Mangel vorbeugen

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Um die Versorgung zu sichern, soll es bald mehr Ausbildungsplätze für Pflegeberufe im Landkreis geben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Landkreis Ebersberg prüft, wie sich das Angebot an Ausbildungsplätzen in der Pflege erhöhen lässt - allerdings nicht ganz freiwillig.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

In der Kreisstadt soll es bald mehr Ausbildungsplätze für Pflegeberufe geben. Wie dies konkret möglich sein könnte, will das Landratsamt nun prüfen. Damit verbunden ist auch eine Abfrage bei Pflegeeinrichtungen im Landkreis, um zu erfahren, wie sich deren Ausbildungssituation darstellt.

Hintergrund ist ein Prüfantrag der CSU-FDP-Fraktion im Kreistag, der nun im Ausschuss für Soziales, Familie, Bildung, Sport und Kultur (SFB) auf der Tagesordnung stand - und den die Verwaltung eigentlich gerne noch einmal geschoben hätte. Die Antragsteller hatten sich gewünscht, dass man zusammen mit der Kreisklinik prüft, unter welchen Voraussetzungen sich die Zahl der Pflege-Ausbildungsplätze möglichst schnell erhöhen lassen kann. Außerdem soll eruiert werden, wie viele zusätzliche Plätze in der Kreisstadt "sinnvoll und machbar" seien. Ebenfalls prüfen lassen wollten die Antragsteller, ob neben der dreijährigen auch eine einjährige Ausbildung in Ebersberg möglich ist. Derzeit ist der nächste Standort für eine solche Assistenz- oder Helferausbildung in Erding. Zu guter Letzt wollten CSU und FDP im Kreistag noch wissen, ob man übergangsweise das ehemalige Sparkassengebäude nutzen könne, um dort Unterrichtsräume einzurichten.

In der Kreisklinik sind 22 Vollzeitstellen unbesetzt

Zumindest aus Sicht der Kreisklinik Ebersberg sind die in dem Antrag formulierten Ziele größtenteils vernünftig - bis dringend notwendig. Pflegedirektor Peter Huber verwies auf die jetzt schon angespannte Personalsituation in der Klinik: So seien aktuell rechnerisch 22,07 Vollzeitstellen unbesetzt. Dies bedeutet schon im Normalfall mehr Arbeit für die Kolleginnen und Kollegen - und in den knapp zwei Jahren Corona "haben alle weit über das normale Maß der Belastungsgrenze hinaus gearbeitet". Des weiteren werde man in der Klinik auch durch die Impfpflicht Personal verlieren. Mindestens zwölf Personen würden deswegen bereits sicher aufhören. Zudem gehen 46 Kolleginnen und Kollegen demnächst in Rente. Huber zitierte auch eine Umfrage, wonach ein gutes Drittel aller in der Pflege beschäftigten Personen über einen Jobwechsel nachdenke.

Genau gegenläufig entwickle sich indes der Aufwand, nicht nur wegen Corona. Vor allem wegen des demografischen Wandels werde in den kommenden Jahren sehr viel mehr Personal benötigt, so Huber: "Der Landkreis wird vergreisen." So sei nach aktuellen Prognosen nicht nur bis Ende der 2030er Jahre ein Drittel der Menschen älter als 65, bis Mitte des Jahrhunderts rechne man außerdem damit, dass ein Drittel aller Patienten in der Klinik über 80 sein werde. Die Tendenz sei jetzt schon deutlich zu spüren: "Die Pflegebedürftigkeit unserer Patienten steigt seit Jahren." Und auch eine eigentlich positive Entwicklung schlägt sich auf den Personalbedarf nieder: der medizinische Fortschritt. Neue und mehr Therapien machten auch mehr - und spezialisiertere - Leute nötig, die diese dann den Patienten angedeihen lassen.

Pflegekräfte abzuwerben ist mit hohen Kosten verbunden

Die beste Möglichkeit, dieses zusätzliche Personal zu bekommen, der "Königsweg", wie Huber es nannte, ist die Ausbildung am Krankenhaus selbst. Ansonsten könne man zwar auch versuchen, anderswo Pflegekräfte abzuwerben, was aber mit hohem Aufwand verbunden sei und auch mit Kosten, wenn man etwa Agenturen im Ausland bezahlen müsse. Derzeit stehen in der Klinik 25 Ausbildungsplätze pro Jahr zur Verfügung - bei aktuell 63 Bewerbungen. Huber geht davon aus, dass, würde die Zahl der Plätze erhöht, auch die Zahl der Bewerbungen noch einmal steigen würde. Eine solche Erweiterung sei angesichts des geschilderten Bedarfs "sehr dringend" - aber derzeit nicht möglich. Dafür brauche es mehr Platz, so Huber, wie er anhand von Fotos der Unterrichtsräume erläuterte. Keinen Bedarf sehe man an der Klinik indes derzeit im Bereich Helferausbildung, hier habe man eine gute Kooperation mit der Erdinger Klinik und deren Ausbildungszentrum.

Zumindest was die Räume angeht, konnte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) mittelfristig Entspannung ankündigen: Im kommenden Jahr soll Baubeginn für die neue zentrale Notaufnahme sein, im Zuge dessen entstehen auch Räume für die Pflegeschule. Eigentlich habe man ja schon eher mehr Plätze schaffen und zwar im Berufsbildungswerk Sankt Zeno Kirchseeon. Hier habe es aber leider Probleme mit den Förderbestimmungen gegeben: Die Schule muss in der Nähe der Klinik sein, sonst gibt es kein Geld.

Wie die Verwaltung am liebsten mit dem Antrag umgehen würde, erläuterte Jochen Specht von der Abteilung für Demografie im Landratsamt: Bevor man final über den Antrag abstimmt, solle man erst "die Ausbildungssituation im Bereich der Pflege im Landkreis Ebersberg bei allen Ausbildungsträgern erfragen". Für Pflegeeinrichtungen im Norden und Westen des Landkreises könnte der Standort Stadt Ebersberg nämlich zu schlecht erreichbar sein.

Johann Schwaiger, Kreishandwerksmeister und CSU-Kreisrat, warb dennoch dafür, dem Prüfantrag seiner Fraktion zuzustimmen. Aus seiner Erfahrung mit berufsorientierenden Praktika könne er sagen, dass es sehr viel Interesse an Ausbildungen im Pflegebereich gebe. Wer aber eine solche Ausbildung mache und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sei, "ist ewig unterwegs". Seine Fraktionskollegin Marina Matjanovski, die den Antrag initiiert hatte, verwies darauf, dass auch im seniorenpolitischen Gesamtkonzept des Landkreises die Empfehlung formuliert werde, mehr Ausbildungsplätze im Pflegebereich zu schaffen.

Auch aus den anderen Fraktionen kam Unterstützung, allerdings nicht für die Idee, das Sparkassengebäude zu nutzen. "Der Punkt kann raus, da ist schon klar, wie die Prüfung ausgeht: dass es nicht geht", so Ebersbergs Bürgermeister und Kreisrat Uli Proske (SPD-Fraktion). Am Ende gab es keine Gegenstimmen zum Prüfauftrag, ebensowenig wie für die von der Verwaltung vorgeschlagene Bedarfsermittlung in den Einrichtungen.

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