Es gibt Fälle, in denen immer wieder das gleiche Beispiel herhalten muss. So ein Fall ist bei der Grafinger Baupreisentwicklung das günstigste Haus im Einheimischenbauland, wie es damals noch hieß, der "Wolfschlucht". 700 000 Euro hatte es vor zehn Jahren gekostet. Eine bereits damals horrende Summe für preisgedrosseltes Bauland. Bei gut 600 Euro je Quadratmeter lag der Bodenrichtwert damals. Mittlerweile hat er in nicht wenigen Grafinger Ecken die 1500-Euro-Marke hinter sich gelassen. Der Rest ist Mathematik. Das Ergebnis führt dazu, das sich selbst viele Gutverdienende in Grafing kein Bauland mehr leisten können.
Um das Zahlenwerk zumindest ein bisschen zu verschieben schloss sich im Februar eine "Stadtratsampel" aus Grünen, SPD und FDP zusammen - um zumindest ein paar mehr Grafingern ein bisschen günstigeres Bauland zu ermöglichen. Geht es nach ihnen braucht die örtliche Baulandentwicklung eine Überarbeitung. Und zwar in Form eines neuen sogenannten Grundsatzbeschlusses zur sozialen Wohnungsbaupolitik. Der regelt, unter welchen Bedingungen billige Wiese zu teurem Bauland werden darf.
Auch die Eigentümer profitieren, wenn Äcker und Wiesen zu Bauland werden
Angepeilt hatten die Antragssteller eine 50/50-Aufteilung vom Bruttobauland. "Kernidee dabei ist, dass sich Kommune und Grundstückseigentümer den neu entstehenden, wertvollen Baugrund teilen, der durch das Zusammenlegen von Grund und Baurecht erst entsteht." Erhält die Stadt einen größeren Anteil am Bauland, kann sie auch mehr Häuser oder Wohnungen gemäß Kriterienkatalog vergeben. Im Gegenzug wertet sie billige Wiese zum teuren Bauland auf.
Laut Grundsatzbeschluss aus dem Jahr 2015 gilt in Grafing: Erschließungsflächen abgezogen dürfen Grundstückseigentümer 65 Prozent auf den freien Markt bringen. Die verbleibenden 35 Prozent müssen sie 40 Prozent unter dem aktuellen Bodenrichtwert verkaufen. Wer für diesen Teil den Zuschlag erhält, regelt der Kriterienkatalog der Stadt. Für hohes Einkommen gibt es Maluspunkte, für Kinder oder zu pflegende Angehörige Pluspunkte. Sozialgerechte Bodennutzung lautet der Fachterminus, kurz SoBon.
Im zwischenzeitlich etwas überarbeiteten Februar-Antrag standen dort der Einfachheit halber nicht mehr 50 Prozent vom Bruttobauland. Sondern, anstelle von früher 35 Prozent, nun 40 Prozent vom Nettobauland. Die Erschließungsflächen, die der Eigentümer ohnehin unentgeltlich zur Verfügung stellen muss, sind dort bereits abgezogen. Der Unterschied zur geforderten 50-Prozent-Sozialquote vom Bruttobauland ist Bauamtsleiter Josef Niedermaier in der Regel nur unwesentlich.
Bei kleineren Bauvorhaben mit bis zu zwei Häusern greift die Regelung nicht
Als die Angelegenheit in der jüngsten Stadtratssitzung zur Debatte stand, gab es erstmal Gegenwind. "Der Beschluss ist falsch, davon hat die Baukonjunktur keinen Vorteil", kritisierte CSU-Fraktionschef Max Graf von Rechberg. Das würde die Preise nur weiter anheizen. Davor warnte CSU-Ortsvorsitzender Florian Wieser ebenfalls. Man dürfe die Schmerzgrenze der Grundstückseigentümer nicht überstrapazieren. Schließlich kündigte auch Fraktionskollege Josef Fritz für die Abstimmung eine Gegenstimme an. "Die Bagatellgrenze stört mich gewaltig."
Sie legt fest, ab welchem Umfang Bauvorhaben überhaupt unter den Grundsatzbeschluss fallen. Bis zu zwei Wohngebäude sind nach wie vor "frei". Ein Grundstückseigentümer kann also zum Beispiel zwei Häuser für seine Kinder bauen, ohne davon rechnerisch 40 Prozent verbilligt an die Stadt abtreten zu müssen. Fritz ärgerte sich allerdings über die neue Geschossflächenbegrenzung von 500 Quadratmetern. Die wiederum ist von Grünen, SPD und FDP ausdrücklich erwünscht. "Das macht es leichter, künftig beim verbilligten Bauland mehr in den Geschosswohnungsbau zu gehen", erläuterte Christian Kerschner-Gehrling (SPD). Tatsächlich hatte der Fokus in den vergangenen Jahren allen voran auf Ein- und Zweifamilien- sowie Reihenhäusern gelegen.
Die Kritik aus der CSU blieb jedenfalls nicht ohne Kontra. "Wasser, Nahrung und ein Dach über dem Kopf kann man nicht nur der freien Marktwirtschaft überlassen", verteidigte Grünen-Stadträtin Roswitha Singer das Ansinnen. Fraktionskollegin Ottilie Eberl erinnerte daran: 60 Prozent des Nettobaulands dürften Grundstückseigentümer ja weiterhin zum Höchstpreis auf dem Markt verkaufen. "Ich sehe nicht, dass das jetzt irgendwie schmerzhaft wäre."
Die Gegenstimmen aus der CSU-Fraktion - mit Ausnahme ihrer Stadträtinnen Elli Huber und Susanne Linhart - vermochten den neuen Grundsatzbeschluss nicht zu verhindern. Damit tritt er nun für alle künftigen Bauanträge in Kraft.