Preisgekrönte Spionagestory:Geschichten von morgen

Lesezeit: 4 min

In der "Hofkäserei Stroblberg" holt sich die umtriebige Unternehmerin nicht nur ihren geliebten Chilikäse, sondern auf der Terrasse des Salettl mit Blick auf die Alpen auch Inspiration für neue Projekte. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Britta Muzyk-Tikovsky aus Glonn verbindet als Autorin und Verlegerin ihre scheinbar kontroversen Leidenschaften für Literatur und Technik. Nun wurde sie bei einem New Yorker Drehbuchwettbewerb ausgezeichnet.

Von Michaela Pelz, Glonn

Bei einem Betreff in englischer Sprache schlagen viele Mailprogramme gleich Alarm: Es könnte ja Spam sein. Anders bei Britta Muzyk-Tikovsky, war doch ihr Unternehmen mit Namen Capscovil - 2009 als Verlag gegründet, inzwischen auch Innovationsagentur - stets international ausgerichtet. Dennoch hielt die Glonnerin die Aufforderung einer New Yorker Agentur für kreatives Schreiben, sich am Drehbuchwettbewerb "New York Screenwriting Awards" zu beteiligen, zunächst für nicht echt.

Zum Glück landete die Nachricht dann aber doch nicht im Junk-Ordner, ganz im Gegenteil: Muzyk-Tikovsky, die unter dem Pseudonym Alice N. York Romane verfasst, und ihr Co-Autor Niall MacRoslin, reichten eine Zusammenfassung ihrer Spionagestory "Projekt Black Hungarian" als Filmidee ein. Und ernteten dafür nun tatsächlich eine "Honorable Mention" (Lobende Erwähnung) in der Kategorie "Best Feature/TV-Pilot - Story/Synopsis".

Eine "Lobende Erwähnung" bei einem Drehbuchwettbewerb für die Zusammenfassung eines Spionageromans, von dem es noch gar kein Drehbuch gibt. (Foto: privat)

Eine konkrete Verfilmung steht zwar dennoch nicht bevor - dafür bräuchte es das Interesse einer Produktionsfirma, die derzeit nicht in Sicht ist - aber so viel Aufmerksamkeit für ein Buch aus einem kleinen, deutschen, inhabergeführten Verlag ist in jedem Fall ungewöhnlich. Noch viel erstaunlicher ist aber die Entstehungsgeschichte der 2013 veröffentlichten Geschichte um ein hochbrisantes Elektroauto-Rennen, bei dem es für einige Teilnehmer um sehr viel geht. Denn der Roman basiert in Teilen auf Tatsachen. Davon später mehr.

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Wie sämtliche bei Capscovil erschienenen Bücher, hat auch "Projekt Black Hungarian" einen Technikanteil von 20 bis 30 Prozent. Genau das nämlich ist der Anspruch der Wirtschaftsingenieurin Muzyk-Tikovsky: Technologiethemen unterhaltsam zu beleuchten.

Die Affinität dazu habe sie wohl ihrer Familie zu verdanken, sagt die Glonnerin - bereits die Großmutter, Jahrgang 1902, hatte ein für damalige Zeiten bei Mädchen ungewöhnliches Interesse an Mathe, Chemie, Biologie und Physik, was sie studierte und unterrichtete. Der Vater wiederum, ein Physikingenieur und Tüftler, baute schon für seine damals zehnjährige Tochter ein E-Fahrzeug - aus einem Dreirad, einem Türstopper und einem alten Scheibenwischermotor. Da habe sie begriffen, sagt Muzyk-Tikovsky, dass für Innovationen nicht alles neu sein müsse, sondern auch bestehende Dinge anders kombiniert werden könnten.

"Während des Studiums reparierte ich mein Auto selbst," ergänzt sie. Es folgten 15 erfolgreiche Jahre in der Industrie, bei Unternehmen im IT- und Automobilbereich, bevor die damals 38-Jährige beschloss, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Fortan wollte sie ihre Interessen für Literatur und Technik verbinden.

Ihren Co-Autor fand sie in Schottland

Also schrieb Muzyk-Tikovsky ein Buch mit dem Titel "Richtungswechsel" und gab sich als Autorin ein Pseudonym. Und weil sie von ihrem Debüt auch eine englische Version haben wollte, machte sie sich auf der Suche nach einem Übersetzer. Dazu schrieb sie die zehn weltweit größten Universitäten an, in denen Deutsch als Fremdsprache gelehrt wird, und bat um Weiterleitung ihres Jobangebots. 30 Bewerbungen gingen ein. Am besten gefiel ihr die von Niall MacRoslin, daher vereinbarte man nach einigen Mails ein Kennenlernen in einem Café in Edinburgh.

Mit dem Schotten Niall MacRoslin verbindet Britta Muzyk-Tikovsky eine enge Arbeitsbeziehung. Für "Projekt Black Hungarian" telefonierten sie zweimal die Woche, um den Fortgang der Handlung zu besprechen. (Foto: privat)

"Bis zu unserem Treffen war ich aufgrund der Schreibe davon überzeugt, dass es sich bei Niall um eine Frau handelt. Der Name ist ja nicht eindeutig. Dann ging die Tür auf und er kam herein: 1,90 Meter groß und rothaarig", erinnert sich die Autorin lachend an die erste Begegnung. Seitdem ist der Schotte nicht mehr aus ihrem beruflichen Leben wegzudenken. Zumal schon bei der Gründung des Verlags 2009 klar war, dass das Programm nicht nur zugleich als Print- und E-Book-Ausgabe erscheinen sollte, sondern idealerweise auch auf Englisch.

Britta Muzyk-Tikovsky hat ein Faible für Chilis - auf das auch der Name ihres Verlags zurückgeht. Die derzeit schärfte Sorte 'Carolina Reaper' züchtet sie selbst. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor zehn Jahren dann nahm Muzyk-Tikovsky an einer echten Elektroauto-Rallye von Wien quer über die Alpen nach Zürich teil, um daraus Inspiration für einen Spionageroman zu ziehen. "Damals war Tesla dauernd in der Presse, das Thema E-Autos wurde stark diskutiert und dann kam im Juni 2013 auch noch Snowden", erklärt die Autorin den Aufhänger des Romans.

Zusammen mit MacRoslin entwickelte sie also eine fiktive Geschichte rund um Industriespionage, Elektromobilität und IT-Sicherheit, in die sowohl Erfahrungen von der Rallye, als auch aus ihrer beruflichen Vergangenheit einflossen. Die Autoren schrieben parallel in deutscher und englischer Sprache: Auf eine einwöchige Plotting-Session in Glonn, bei der die Struktur ausgetüftelt wurde, folgten zwei Telefonate Bayern-Schottland pro Woche für die Detailarbeit, so dass beide Fassungen gleichzeitig veröffentlicht werden konnten, ohne eine Übersetzung zu sein.

In dem Spionageroman geht es um Technologie für E-Fahrzeuge und um ein Rennen, das für manche tödlich endet. (Foto: privat)

Im Zentrum der actionreichen Geschichte steht die "Wave Trophy". Einer der Teilnehmer will unter dem Deckmantel des Rennens seine bahnbrechende Technologie für ein E-Fahrzeug mit revolutionärer Reichweite testen. Einflussreiche Gegner aus der Industrie setzen alles daran, dies zu torpedieren, bevor der Markt Wind davon bekommt und das Produkt Auswirkungen auf zahlreiche Wirtschaftszweige haben kann. Und dabei kennen sie absolut keine Skrupel ...

Die Teilnehmer der echten Rallye waren laut Muzyk-Tikovsky Pioniere und meist in eigens umgebauten Fahrzeugen unterwegs, schließlich gab es damals fast keine Elektro-Serienfahrzeuge von Automobilherstellern. Was die Autorin besonders freut: "Informationen, die seit Veröffentlichung immer wieder ans Licht kommen, zeigen, dass Fiktion und Realität tatsächlich nahe beieinander liegen können." Zwei Jahre später zum Beispiel stellte Teilnehmer Andrej Pecjak vom Institut Metron in Slowenien tatsächlich einen Weltrekord über 826 Kilometer mit nur einer Batterieladung auf.

Übrigens: Wie viele seiner Mitstreiter stimmte er zu, im Buch aufzutauchen - ohne jeglichen Einfluss auf die eigene Rolle. Muzyk-Tikovsky versprach lediglich, dass sie niemanden zum Schurken machen würde. Nun basieren fast alle Figuren auf echten Personen und tragen sogar deren Namen. Zudem enthält das Buch Schwarz-Weiß-Fotos von der Reise.

Ihren schottischen Co-Autor immer im Blick hat die Autorin per Foto neben ihrem Schreibtisch. (Foto: privat)

Oft sei sie mit ihren Büchern der Zeit voraus gewesen, sagt Muzyk-Tikovsky. Das passt zu ihrer Agentur mit Fokus auf Innovation, Nachhaltigkeit und Diversity im Technologieumfeld. Die aktive Netzwerkerin entwickelt Strategien und Konzepte für Firmen, bringt unterschiedliche Menschen und Branchen zusammen. Für ihren Newsletter " Chillipicks" verwandelt sie sich in eine Art Trüffelschwein für ungewöhnliche Informationen und Studien, etwa über die Erhöhung des Wirkungsgrads von Solarzellen mittels Capsaicin oder das geringere Schmerzempfinden von Rothaarigen.

In der 2016 gegründeten Initiative Diversity Natives wiederum setzt Britta Muzyk-Tikovsky sich als Organisatorin von Events und Mentorin für Frauen und Angehörige von Minderheitsgruppen in der Technologiebranche ein. "Wer klein ist, wird gezwungen, kreativ zu sein", erklärt Muzyk-Tikovsky. Die Fähigkeit dazu hat die Glonnerin selbst schon reichlich bewiesen. Und wer weiß, was nach der nächsten Mail mit englischem Betreff noch so alles passiert.

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