Amtsgericht Ebersberg:Schamlos ausgenutzt

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Ein 74-jähriger Rentner steht in Ebersberg vor Gericht, weil er sich Collagen aus Kinderpornos gebastelt hat. (Foto: Christian Endt)

Ein 29-Jähriger ließ sich von drei minderjährigen Mädchen Nacktfotos schicken - dafür setzte er sie massiv unter Druck. Vor Gericht entgeht er nur knapp einer Haftstrafe.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Bewertung des Vorsitzenden lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: "Eine krasse Straftat" hat der Beschuldigte begangen, so Richter Frank Gellhaus. Der 29-Jährige auf der Anklagebank des Schöffengerichts habe es ausgenutzt, dass ihm seine Opfer "intellektuell und von der Lebenserfahrung her unterlegen" gewesen seien.

Die Opfer sind drei Mädchen, zum Tatzeitpunkt waren sie zwischen zwölf und 13 Jahren alt. Der 29-Jährige soll, so steht es in der Anklageschrift, mit diesen über Chatforen in Kontakt getreten sein und sie zum Verschicken von Nacktfotos aufgefordert haben. In zwei Fällen war er damit auch erfolgreich. Als eine der Betroffenen ihn aufforderte, die Bilder wieder zu löschen, habe der Angeklagte dies nur unter der Voraussetzung tun wollen, dass sie weiterhin mit ihm in dem Forum Nachrichten austauscht. Für die Staatsanwaltschaft stehen damit die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Kindern, Beschaffung von kinderpornographischem Material sowie der versuchten Nötigung im Raum.

Er könne sich die Taten selbst nicht erklären, sagt der Angeklagte

Aufgekommen war die Angelegenheit, weil die Mutter einer seiner Chat-Bekanntschaften bei der Polizei Anzeige erstattet hat. Die Ermittler kamen schnell auf den Angeklagten, im Sommer vorigen Jahres gab es eine Hausdurchsuchung, dabei wurde unter anderem das Mobiltelefon des 29-Jährigen beschlagnahmt. Wie ein als Zeuge gehörter Kripo-Beamter aussagte, fanden sich darauf rund 12 600 Bilder und Videos, einige davon eben von den Geschädigten, mit denen der Angeklagte in Kontakt getreten war.

Über seinen Anwalt räumte der Angeklagte sämtliche Vorwürfe ein, er bereue die Taten "zutiefst". Er wolle sich auch einer Therapie bei "Kein Täter werden" - ein Angebot der LMU München - unterziehen, bei der Stelle habe man ihm aber gesagt, das gehe erst nach Ende des Prozesses. Der Angeklagte sei im fraglichen Zeitraum, zwischen 2017 und der Durchsuchung Mitte 2021, viel auf einschlägigen Chatplattformen unterwegs gewesen. Dort sind auch zahlreiche sexualisierte Fotos ausgetauscht worden, vor allem aber mit erwachsenen Frauen, wie der Angeklagte auf Nachfrage des Vorsitzenden und der Staatsanwaltschaft erklärte. Etwa 50 Chatpartnerinnen habe er gehabt, allerdings seien nicht immer Nacktfotos geschickt worden.

Wieso der Angeklagte denn, obwohl er wusste, dass einige seine Chatpartnerinnen minderjährig waren, auch von diesen Nacktfotos haben wollte, fragte der Vorsitzende. Dies könne er sich selbst nicht so genau erklären, erwiderte der Angeklagte. Laut seines Verteidigers ist es eine Mischung aus Grenzen austesten und Stress abbauen gewesen.

Die Chat-Protokolle zeigen, wie der Angeklagte die jungen Mädchen unter Druck setzte

Den Stress, das zeigten die verlesenen Chat-Protokolle, hatten dann die anderen. Mehrere Minuten lang trug der Vorsitzende verschiedene Dialoge vor, die der Angeklagte in den Foren mit den jungen Mädchen geführt hatte. Dabei bedrängte er diese massiv, Fotos von sich zu schicken und forderte, immer mehr nackte Haut zu sehen: Erst sollten sie beispielsweise ein Bauchfrei-Bild schicken, dann eines auf dem man die Unterwäsche sieht und so weiter. Auch forderte er die Mädchen auf, sich in sexualisierten Posen zu fotografieren oder an sich herumzuspielen.

Wenn die Chatpartnerinnen ablehnten, bedrängte der Angeklagte sie nur noch um so heftiger. Als eines der Mädchen schrieb, er bringe sie zum Weinen mit seinen Forderungen, ließ er nicht davon ab. In einem Fall, dem der dann als versuchte Nötigung angeklagt war, drohte der Angeklagte sogar damit, die bereits erhaltenen Bilder zu veröffentlichen, sollte deren Urheberin nicht weiter mit ihm Kontakt halten. Die hatte dem 29-Jährigen zuvor geschrieben, dass sie ihn für "ekelhaft und pervers" halte und nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle.

Ob es auch telefonischen Kontakt gegeben hatte, wollte der Vorsitzende noch wissen, oder einen Videochat? Weder noch, so der Angeklagte, auch habe er nie eines der Mädchen persönlich getroffen. Zudem sei es nie zu einer Weitergabe der erhaltenen Fotos gekommen, ergänzte der Verteidiger.

Sein Geständnis erspart den Geschädigten eine Aussage und dem Angeklagten das Gefängnis

Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Haftstrafe von zwei Jahren, die aber noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne, sowie 5000 Euro Geldauflage und die Verpflichtung, die Therapie zu machen. So habe der Angeklagte durch sein Geständnis den Geschädigten eine Aussage vor Gericht erspart, das sei sehr zu seinen Gunsten zu werten. Zudem sei seine Reue glaubhaft, er habe eine feste Arbeit und ein gefestigtes soziales Umfeld, außerdem keine Vorstrafen. Zulasten müsse man allerdings den langen Zeitraum werten, in dem die Taten begangen wurden und die Hartnäckigkeit, mit der er die Geschädigten unter Druck gesetzt habe.

Der Verteidiger ergänzte auf der Zugunsten-Seite noch, dass der Angeklagte auch durch das Bekanntwerden der Vorwürfe in seinem Umfeld, etwa dass seine Ehefrau davon erfuhr, schon gestraft sei. Zudem sei er aktiver Sportschütze und drohe seinen Waffenschein zu verlieren. In dem Zusammenhang regte der Advokat an, einen Teil der Anklagepunkte mit einer Geldstrafe zu ahnden, so dass die Haftstrafe geringer ausfallen könne.

Richter Gellhaus und die Schöffen folgten dagegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilten den 29-Jährigen zu zwei Jahren auf Bewährung. Außerdem muss er 5000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen und die angesprochene Therapie erfolgreich absolvieren. Wie die Anklagevertretung wertete die Kammer das Geständnis als entscheidend dafür, dass der Angeklagte nicht ins Gefängnis muss: "Sie sind hier auf der letzten Rille noch in die Bewährung gefahren", so der Vorsitzende, dadurch dass den Geschädigten eine belastende Aussage erspart wurde. Ansonsten, auch dass machte Gellhaus klar, "hätten die vier Jahre Höchststrafe, die ein Schöffengericht verhängen kann, vielleicht nicht ausgereicht".

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