Altes Kino Ebersberg:Kleinkunst auf Abruf

Lesezeit: 5 Min.

Die Kulturmacher aus der Kreisstadt arbeiten an einer ganz besonderen Mediathek: "Altes Kino TV" soll Kabarett, Musik, Filme und allerhand Hausgemachtes bieten.

Von Anja Blum

Wenn keine Präsenzveranstaltungen möglich sind, wenn ohnehin mehrere Kameras die Augen der Zuschauer daheim an den Bildschirmen ersetzen müssen - was liegt dann näher, als diese mit viel Aufwand produzierten Aufnahmen dem Publikum auch dauerhaft zur Verfügung zu stellen? Kaum etwas. Das dachte sich offenbar auch das Team vom Alten Kino in Ebersberg: Bereits im Corona-Sommer 2020 reifte dort die Idee, eine unabhängige Mediathek aufzubauen, in der Kleinkunst und Kultur ihren Platz finden. Nun, Ende April, soll die Plattform namens "Altes Kino TV" an den Start gehen. Avisiert ist der Album-Release von Martin Kälberer am Donnerstag, 29. April, denn die neue Homepage soll nicht nur Angebote on demand bieten, sondern künftig auch den Zugang zu allen Livestreams der beiden Ebersberger Bühnen.

Doch ob bis zum 29. April wirklich alles funktioniert, ist noch ungewiss, ein interner Testlauf kommende Woche wird im Alten Kino mit Spannung erwartet. Denn es ist Pionierarbeit, die das Team hier leistet, wieder einmal. "Mediatheken für Filme gibt es zwar viele, aber so etwas ist neu", sagt Markus Bachmeier, der Chef der Ebersberger Kleinkunsttruppe. Egal, mit wem man spreche - ob mit Agenturen, Künstlern, Ticketsystemspezialisten, Medienanwälten oder Filmverleihern - die Antwort laute stets sinngemäß gleich, ergänzt seine Kollegin Uschi Treffer. "Immer hören wir: Ja - aber außer Euch braucht das, macht das, will das so keine andere Bühne." Sprich: "Wir sind offenbar die einzigen, die das so anpacken."

Hausherr Markus Bachmeier moderiert einen Livestream des Alten Kinos. (Foto: Christian Endt)

Das aber hat zur Folge, dass sich die Verantwortlichen für die Mediathek auch mit sehr viel Organisatorischem auseinandersetzen müssen. Zahllose Randaspekte ploppen da auf, zum Beispiel, "dass es keine Blaupause für die Künstlerverträge gibt und diese erst entworfen werden müssen, wenn wir die Aufnahmen der Auftritte hinterher in die Mediathek stellen", erklärt Treffer. "Oder dass die Gema keinen Tarif hat für den Livestream eines Konzertes und ein anschließendes On-demand-Angebot desselben Abends und, und, und." Deshalb fühle es sich manchmal an, als sei die eigentliche Plattform nur ein kleiner Teil des ganzen Unterfangens. "Hätten wir geahnt, wie viel Arbeit das alles ist, hätten wir es vielleicht nicht angepackt", sagt Bachmeier und grinst.

Nun aber gibt es für die Ebersberger längst kein Zurück mehr. Und die Devise ist klar: Altes Kino TV will durch Qualität überzeugen, nicht mit Masse. Zwar gibt es viele Ideen, was alles Eingang finden könnte, doch "wahllos" werde man die Plattform nicht bestücken, betont Bachmeier. Wie seine Kollegin Violetta Ditterich sagt, gibt es allerdings bereits jetzt etwa 50 mögliche Inhalte, von extra aufbereiteten Livestreams externer Künstlerinnen und Künstler über Eigenproduziertes bis hin zu Filmen aus dem "Mittwochskino". Wie breit die Ebersberger Mediathek aufgestellt sein wird, verrät ein Blick auf die geplanten Kategorien: Da finden sich die Klassiker "Konzerte/Musik" und "Kabarett/Comedy" genauso wie "Darstellende Kunst", etwa für Theaterabende, oder das "Couchkino", daneben aber auch ein "Kinderzimmer" für kleine Gäste, mit Sternschnuppe-Konzert oder Märchenlesungen, natürlich auch "Hausgemachtes" wie die Jahresrückblicke oder die "Vollbremsungen" des Alten Kinos, "Altes Zeug" von Valtorta, "Serien" wie die neue Eigenproduktion "Die Heizer" oder die "Gankino-Circus-Show", eine Rubrik "Outtakes" oder die "Letzte Chance".

Die Anzahl dieser Kapitel mag hoch erscheinen, doch klare Zuordnungen seien wichtig, so Ditterich, um die Mediathek so übersichtlich und benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Man soll auf den ersten Blick erkennen, um was es geht, alle nötigen Infos zu den Angeboten finden und unkompliziert bezahlen können. Manche Inhalte, gerade die hauseigenen, wird es auch kostenlos geben, doch generell ist es den Verantwortlichen ein großes Anliegen, die Wertigkeit von Kunst und Kultur zu vermitteln. "Man darf auf keinen Fall alles verramschen", warnt der Chef. Ein kleines Schloss-Symbol wird die Bezahlkontingente als solche ausweisen.

Sehr wichtig war es den Machern von "Altes Kino TV" auch, dass sie die Plattform künftig selbst werden pflegen können, denn sie wird sich im ständigen Wandel befinden. "Sie soll beliebig erweiterbar sein und immer weiter wachsen", sagt Ditterich. Erstens, weil das Ebersberger Team selbst ja laufend neue Inhalte produziert, außerdem möchte man allerhand neue Kooperationen eingehen, sei es mit anderen Plattformen oder Bühnen, sei es der Jugendkulturpreis des Ebersberger Kreisjugendrings im Onlineformat oder ein externer Kabarettabend: "Altes Kino TV" soll allen Platz bieten. "Natürlich ist unser Schwerpunkt dabei der Landkreis, aber wenn das Projekt sich irgendwann bayernweit verbreitet, wäre es schön", sagt Bachmeier. Könnte also gut sein, dass die Ebersberger Plattform bald Abende aus dem Münchner Lustspielhaus oder aus dem Passauer Scharfrichterhaus bietet.

In der "Gankino-Circus-Show" ist David Saam vom "Kellerkommando" zu Gast. (Foto: Christian Endt)

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Livestream aus dem Kino heißt nicht, dass einfach ein normales Kabarett oder Konzert ohne Publikum "abgefilmt" wird. Ganz im Gegenteil. Das Team überlegt bei jedem Act, welches Vorgehen, welcher Rahmen sich eignen könnte, und erarbeitet ein individuelles Sendungsformat. Schon öfter wurden vorab Künstlerporträts produziert, teils sogar im Außendreh, außerdem wird der Abend meist aufgelockert durch ein Interview mit den Protagonisten sowie einen Chat mit den Zuschauern. Mit der Band Gankino Circus hat man gar eine ganz neue Show entwickelt, in der die Musikkabarettisten selbst als Gastgeber auftreten. "Wir wollen eben jedes Mal was Eigenes, Besonderes mit persönlicher Note bieten", sagt Ditterich.

Doch was wird aus den Streams, wenn sie anschließend in die Mediathek wandern? "Klar ist: Das Livefeeling kann man nicht faken", sagt Bachmeier, das Gefühl, im Moment dabei zu sein, lasse sich nicht konservieren. Deswegen würden aus den Terminen wohl in den meisten Fällen zwei unterschiedliche Abende entstehen, das habe zum Beispiel der Auftritt der Münchner Frauenband Siea nun gezeigt: "Da gibt es erst einen interaktiven Livestream und dann, on demand, ein klassisches Konzert, wo man ungestört die Musik genießen kann." Das zusätzlich produzierte Material, Künstlerporträts oder Filmgespräche etwa, soll aber mitnichten in der Tonne landen, sondern auf der Mediathek als kostenloser Vorgeschmack Lust machen auf die Bezahlangebote.

Sogar eine Mini-Serie wurde in Ebersberg produziert: "Die Heizer" mit Peter Voith und Alexander Liegl sowie diversen bekannten Gästen. (Foto: Christian Endt)

Das alles sei zwar enorm aufwendig und rentiere sich noch nicht, sagt Bachmeier, schließlich müssten immer wieder technische Erweiterungen angeschafft und neue Fähigkeiten erlernt werden. "Aber nur so funktioniert es", ist der Bühnenchef überzeugt. Online müsse man eben einen Mehrwert bieten. Ziel ist, dass "Altes Kino TV" sich langfristig als zusätzliches Standbein selbst trägt - "und daran glauben wir ganz fest". Zumal man hofft, über den Bildschirm neue Zielgruppen erschließen zu können: Menschen, die sich aus gesundheitlichen oder anderen Gründen sonst nicht ins Alte Kino aufmachen würden. Oder jene Fans von Künstlern, für die eine Anreise nach Ebersberg viel zu weit wäre.

Nun, da die Mediathek konkret Gestalt annimmt, gilt es freilich mit den diversen Künstleragenturen zu verhandeln. Wer stimmt einer anschließenden On-demand-Nutzung zu, wer nicht? Manche seien nicht allzu begeistert, erzählt Bachmeier, vor allem, wenn es um sich ein neues Programm handle, mit dem der Künstler noch auf Tour gehen wolle. "Sie haben Angst, dass keiner mehr kommt, wenn man es vorab im Internet schon sehen kann." Eine Sorge, die der Bühnenchef für unbegründet hält, gerade wegen des unvergleichlichen Liveerlebnisses. Umso mehr freut er sich, dass "die Online-Skepsis gerade so langsam aufweicht": Wenn man den Künstlern und Agenturen erkläre, was genau geplant sei, und einen bereits produzierten Abend als Beispiel liefere, schlügen die Zweifel oft in Begeisterung um. "Wir bieten schließlich was Gutes, was Neues, und das zu fairen Konditionen."

© SZ vom 16.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: