Bahnschwellenwerk Kirchseeon:Bitte ohne Rechnung

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Derzeit die beiden einzigen Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Bahnschwellenwerks in Kirchseeon. Bald könnte dort ein neues Wohngebiet entstehen - die Grünen sorgen sich um die finanziellen Folgen für die Gemeinde. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kirchseeons Gemeinderat spricht sich gegen einen Grünen-Antrag zur Ermittlung der Folgekosten durch die Entwicklung des alten Bahnschwellenwerks aus.

Von Wieland Bögel, Kirchseeon

Die gehobene Gastronomie erkennt man unter anderem daran, dass die Speisekarte dort meist ohne Angabe der Preise auskommt - da passt es ganz gut, dass der Gemeinderat nun auch für das oft als Filetstück von Kirchseeon bezeichnete Bahnschwellenwerk lieber keine Rechnung präsentiert haben will. Konkret ging es um einen Antrag der Grünen-Fraktion, die gerne die Kämmerei damit beauftragt hätte, die finanziellen Folgen der möglichen Bebauung des Areals für die Gemeinde zu errechnen.

Anfang vorigen Jahres wurden neue Pläne für das rund 16,5 Hektar große Areal südlich des Kirchseeoner Bahnhofes bekannt. Der neue Eigentümer, der Hamburger Projektentwickler ECE Group, will dort ein Baugebiet erstellen, vor allem Wohnungen, aber auch Gewerbe sollen dort entstehen. Jedenfalls, wenn es gelingt, das stark mit Giftstoffen belastete Areal bewohnbar zu machen. Bis in die 1950er Jahre wurden auf dem Gelände Bahnschwellen imprägniert, dabei gelangten tonnenweise Teeröle und Schwermetalle ins Erdreich. Sollte der Investor eine bezahlbare Lösung für die Dekontamination des Grundstücks finden, könnten dort etwa 2800 bis 3000 Menschen einmal leben, ein nicht ganz kleiner Zuwachs für eine Gemeinde mit aktuell knapp 11 000 Einwohnern.

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Und genau dies ist ein Kritikpunkt, der das neue Vorhaben von Anfang an begleitet und auch der Anlass für den aktuellen Antrag der Grünen sein dürfte: Die Sorge, dass die Marktgemeinde mit dem Umfang des Zuzuges überfordert wäre - auch finanziell. Die Kämmerei solle daher einmal darlegen, welche Folgen für die Gemeindekasse mit der Entwicklung des Areals verbunden sein könnten. Zwar wurde dem Gremium bereits eine sogenannte Fiskalanalyse vorgelegt, diese ist nach Meinung von Grünen-Fraktionssprecherin Nathalie Katholing nicht ausreichend: "Uns würde interessieren, was die Kämmerei dazu zu sagen hat."

Gar nichts, zumindest nach Meinung von Bürgermeister Jan Paeplow (CSU), der hinter dem Antrag ein politisches Manöver jener vermutete, die gegen eine Bebauung des alten Bahnschwellenwerks sind. Er wehre sich dagegen, dass die Verwaltung in politische Fragen involviert werde, so Paeplow. Schon im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern müsse er daher gegen den Antrag stimmen. Sein Parteifreund Dominik Zacher stellte die Frage, ob die Kämmerei überhaupt eine derartige Analyse erstellen könne, "das ist ja kein Fachbüro für solche Sachen".

Am 8. Oktober gibt es einen Bürgerentscheid zum Thema Bahnschwellenwerk

Letztere Einschätzung teilte auch Domenico Ciccia (SPD): "Ich glaube, die Kämmerei ist der falsche Ansprechpartner." Die Idee hinter dem Antrag könne er dagegen gut nachvollziehen, aber die Aufgabe sei keine, die von einer Kämmerei geleistet werden könne, "da müsste man schon das Planungsbüro fragen". Susanne Markmiller (FDP) regte an, die Projektgruppe, in der sich im vergangenen Jahr Vertreter des Gemeinderates und des Investors ausgetauscht hatten, wiederzubeleben.

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Unterstützung für den Antrag der Grünen kam dagegen von Dominik Bernert (UWG). Er äußerte zwar gewisse Zweifel, dass dies ein Thema für eine öffentliche Sitzung sei, ganz grundsätzlich "will ich aber schon auch wissen, wie viel Geld uns 3000 zusätzliche Einwohner kosten".

Dass diese Frage auch die Verwaltung beschäftigt, gab auch Paeplow zu, "das ist schon bei uns angekommen und wir werden es bearbeiten". Wenn der Bürgerentscheid am 8. Oktober zugunsten des Projekts ausfällt, werde man sich auch damit zu beschäftigen haben - nur eben nicht so, wie es die Antragsteller forderten. Auch der Bürgermeister verwies darauf, dass die Kämmerei so eine Analyse gar nicht leisten könne. Für den Antrag stimmte am Ende neben den sechs Mitgliedern der Grünen-Fraktion lediglich Bernert.

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