Literatur aus Poing:Unerschrockene Frauen voraus

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Nein, nicht Barbie, die "Wanderhure" hat Iny Klocke und Elmar Wolrath unter dem Pseudonym Iny Lorentz berühmt gemacht. Die beiden stehen zu Hause in Poing in ihren pinkfarbenen T-Shirts vor dem Regal mit einem Teil der Bücher, die sie selbst geschrieben haben. In Händen halten sie eines vom vergangenen Jahr. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch in "Ritter Constance", dem neuesten Werk des Poinger Autorenduos Iny Lorentz, dürfen weibliche Wesen nicht nur mit Schönheit, sondern vor allem mit Scharfsinn und Stärke glänzen. Liegt darin das Erfolgsgeheimnis?

Von Michaela Pelz, Poing

Ein höchst unangenehmer Kerl will seine Nachbarin zur Ehe nötigen. Doch er hat die Rechnung ohne das Schwert gemacht, mit dem Constance von Laronne und Beljeux die unerwünschte Brautwerbung beantwortet. "Im letzten Augenblick lenkte einer seiner Begleiter ihre Waffe mit der seinen ab und keuchte einen Herzschlag später auf, als sie den Schwung der Klinge ausnützend den Hieb gegen ihn führte." Eine solch wehrhafte Protagonistin, erfahren in Reit- und Kampfkunst, beim Klettern wendig wie eine Katze, in Auftritt und Wesen selbstbewusst, entschlossen und schlau, begleitet man gern über weitere gut 540 ereignisreiche Seiten. Umso mehr, wenn sie aus der Feder des Poinger Bestseller-Autorenpaars Iny Klocke-Wohlrath und Elmar Wohlrath stammen.

48 Iny-Lorentz-Romane und insgesamt 81 Bücher hat das Paar verfasst

In ihrem 48. Iny-Lorentz-Roman und insgesamt 81. Buch schicken die beiden ihre Titelheldin "Ritter Constance" auf eine gefährliche Mission: Gekleidet als Mann macht die junge Adlige sich auf die Suche nach ihrem Gatten, der während des Kreuzzugs im Heiligen Land gefangengenommen wurde. Dabei erleidet sie allerhand Unbill - von Naturkatastrophen bis hin zur Verstrickung in feindliche Angriffe.

Ein eher unwahrscheinlicher Plot? "Frauen, die ähnlich gehandelt haben, gab es wirklich", sagt Elmar Wohlrath. Zu solch bekannten Damen mit Kreuzzug-Erfahrung gehören etwa Fleurine de Bourgogne, Ida von Österreich oder Cecilia von Le Bourcq. Auch dabei: Eléonore von Aquitanien, Mutter von Richard Löwenherz. Die wiederum spielt auch eine wichtige Rolle im Roman. Und zwar in einer Szene, die Wohlrath als seine Lieblingsstelle im Buch beschreibt.

"Manche Herrscher machten sich gern einen Spaß daraus, ihre Entourage zu verheiraten"

Um nach dem Tod ihres Vaters die in der Normandie gelegenen zwei Landgüter der Familie halten zu können, braucht Heldin Constance einen Ehemann, mit dem beide Lehnsherren einverstanden sind - der französische König Philippe II. und Richard, König von England. Als Herzog von Aquitanien und der Normandie ist Letzterer aber ein Lehensmann des Ersten, und das Verhältnis nicht ungetrübt. Darum trifft es sich gut, dass der fahrende Sänger, von dem beide begeistert sind, keiner Seite mehr zugeneigt scheint als der anderen. Kurzerhand erhält er auf Vorschlag der oben genannten historischen Eléonore als Preis für seine Darbietung die Hand der jungen Vicomtesse Constance und ihren Besitz gleich mit dazu.

Klingt übertrieben? "Man darf nicht vergessen: Die Menschen damals waren sehr impulsiv - für einen König war es Pflicht, großzügig zu sein. An den Höfen gab es durchaus vergleichbare Ereignisse, manche Herrscher machten sich gern einen Spaß daraus, ihre Entourage zu verheiraten", erklärt Wohlrath den historischen Background.

Die 21-jährige Heldin jedenfalls ist nicht unglücklich über die Vermählung "von oben". Denn Raoul, ebenfalls aus gutem Hause, ist zwar als vierter Sohn arm wie eine Kirchenmaus, aber ein angenehmer, geistreicher Zeitgenosse, dessen körperliche Vorzüge seiner Einfühlsamkeit in nichts nachstehen. Als der Ehemann kurze Zeit später beim Kreuzzug in Palästina als vermisst gilt, ist es daher keine Frage, dass die junge Constance ihm nachreist. Zumal sich der üble Nachbar nun erst recht Hoffnungen macht.

"Iny Lorentz" schreiben sich seit Jahrzehnten zuverlässig in die Herzen ihrer Leserinnen und Leser. Denn wie die Fanpost zeigt, sind es beileibe nicht nur Frauen, die die penibel recherchierten Romane schätzen, weil sie dort neben Ablenkung jede Menge Wissen finden - von politischen Zusammenhängen bis hin zu Kirchenrecht. "Seit frühester Jugend lese ich gern Sachbücher," berichtet Elmar Wohlrath, als "fränkischer Bauernbua" sei er von seiner Religionslehrerin jahrelang mit Lektüre versorgt worden.

Die akkuraten Beschreibungen der Landschaft hingegen sind nicht angelesen. Wenn die Ritter auf ihrer Flucht durch die Wüste in einen Sandsturm geraten, dann basieren ihre Empfindungen angesichts des schwarzen Himmels und des Staubes im Gesicht auf dem, was das Ehepaar 2018 in Israel erlebte. Und auch wenn die Figuren einen Hügel mit zahllosen Steinstufen ersteigen oder sich in eine unterirdische Höhle begeben, dann sind diese Orte keine Produkte reiner Fantasie.

2019, nach einer Jordanienreise, zeigt Iny Klocke-Wohlrath auf einer Karte im Flur, wo sie überall mit Ehemann Elmar war. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor dem Schreiben ging es für die Wohlraths 2019 zweimal nach Jordanien. "Der Weg, den die Helden dort gehen, ist derselbe, den wir zurückgelegt haben." Sehr anstrengend seien die Recherchen gewesen. "Einige Male gingen wir bis an unsere Grenzen", erinnert sich Iny Klocke-Wohlrath, die schon seit vielen Jahren aufgrund einer Hüftfehlstellung und ihrer instabilen Gelenke auf Krücken angewiesen ist. Mit diesen hat sie sich bei den Königsgräbern von Petra nach oben gequält, "Stüfchen für Stüfchen", am Ende waren es 200.

Doch nicht nur die bildgewaltigen Schilderungen profitieren von den auf Reisen gesammelten Eindrücken. Auch das Autorenduo selbst tut es. Deutlich ist zu spüren, wie sehr Iny Klocke-Wohlrath diese Form der Recherche während der Corona-Zeit vermisst hat. "Wir haben mehr geschrieben als sonst, weil es nichts anderes zu tun gab. Doch das hat uns ziemlich geschadet, wir brauchen es, unterwegs zu sein, zu recherchieren, mit Menschen zu sprechen, in Museen zu gehen." Jeder Baum und jeder Strauch der unmittelbaren Umgebung in Poing sei ihnen inzwischen persönlich bekannt. Darum konnten die beiden Autoren es kaum erwarten, wieder auf Achse zu gehen und bei Lesereisen neuen Stoff zu sammeln.

Heldin Constance tut, was getan werden muss, zeigt sich teils aber auch verletzlich

Diesen mit historischen Fakten zu verknüpfen, das ist eine Kunst, die die beiden Poinger wirklich gut beherrschen. "Warum sollen wir uns etwas ausdenken, wenn uns die Geschichte kostenlos die Ideen liefert?" Dann gilt es natürlich noch, das passende Personal zu ersinnen. Hier mag man sich fragen, warum Heldinnen wie "Ritter Constance" so beliebt sind. Vielleicht, weil sie angstfrei tun, was getan werden muss, ohne lange zu zögern? Wenn sie gebraucht werden, lassen sie sich von keinem Bedenkenträger bremsen. Praktischerweise besitzen sie außerdem die nötigen Fertigkeiten, um allen Herausforderungen zu begegnen. Auch Konventionen beugen sie sich nur bedingt. Trotzdem ist diese Heldin nicht frei von Gefühlen wie Eifersucht und streckenweise Unsicherheit, etwa, wenn sie ob ihrer für eine Frau ungewöhnlichen Größe verspottet wird. Das macht sie verletzlich, menschlich, liebenswert.

Auch sonst stimmt die Mischung: Man freut sich diebisch mit Constance, wenn es ihr gelungen ist, dem räuberischen Nachbarn ein Schnippchen zu schlagen. Man leidet mit den Helden, die nicht nur im Kampf gegen die Sarazenen immer wieder unterliegen, sondern sich auch der heimtückischen Ränke ihrer alten Feinde erwehren müssen. Und man ist froh, wenn am Ende (Spoiler) alles gut wird - dank der tatkräftigen Unterstützung zweier einheimischer Frauen. Was im übrigen tatsächlich ebenfalls als wahr überliefert ist.

So sieht "Ritter Constance" auf dem Cover aus - wer weiß, ob sich eine mögliche Verfilmung an diesem Erscheinungsbild orientieren würde. (Foto: Verlag / OH)

Streckenweise mag man sich, etwa bei einem wichtigen Duell auf Leben und Tod, an opulente Dramen wie "Game of Thrones" erinnert fühlen. Doch obwohl es das Faible für Fantasy war, das die Kölnerin und den Franken seinerzeit zusammengeführt hatte, ist das doch lange her. Heute beschäftigen sich die beiden Autoren viel lieber mit historischen Stoffen, und wenn sie an ihrem geheiligten Wochenende mal etwas anschauen, dann sind dies mitnichten epische Schlachten in Mittelerde, sondern BBC-Krimis.

Krimiähnlich ist übrigens auch das Ende von "Ritter Constance", wenn sich plötzlich sämtliche Gewissheiten ins Gegenteil verkehren und es eine große politische Finte braucht, um die Dinge doch wieder zurechtzurücken. So hat man nach 544 ereignisreichen Seiten viele Dinge gelernt, die man einst im Geschichtsunterricht bestimmt verpasst hat.

Iny Lorentz: "Ritter Constance". Knaur HC, München 2022. 544 Seiten, 21 Euro. Autorenlesung bei den Kulturtagen Poing am Freitag, 21. Oktober, um 19.30 Uhr im Unverpacktladen. Der Eintritt ist frei, Anmeldung erforderlich, entweder im Buchladen im City Center oder bei Familie Gütlich unter (08121) 71610.

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