Hans Gröbmayr im SZ-Interview:"Ich bin kein Supermann"

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Ebersbergs neuer Klimaschutzmanager über die Erfolgsaussichten der Energiewende - und warum wir uns ein Scheitern nicht leisten können.

Lars Brunckhorst

Er ist gelernter Bautechniker und Zimmerermeister: Hans Gröbmayr, der maßgeblich dafür sorgen soll, dass der Landkreis Ebersberg bis 2030 die Energiewende schafft, also unabhängig wird von Öl, Gas, Kohle und Uran. Vom Kreis wurde der 58-jährige Glonner dieser Tage zum Klimaschutzmanager bestellt - Gröbmayr setzte sich damit gegen 21 Mitbewerber durch. Die SZ sprach mit dem Vater dreier erwachsener Kinder, der bisher Vorsitzender des Aktionskreises Energiewende Glonn war, dort 24 Jahre für SPD/KommA im Gemeinderat saß und bis September noch stellvertretender Leiter der Fachschule für Bautechnik in München ist.

SZ: Die entscheidende Frage gleich vorneweg: Schaffen wir die Energiewende bis 2030?

Gröbmayr:Ja.

Ein kurzes, knappes Ja?

Ein kurzes, knappes Ja. Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, dann würde ich diese Aufgabe nicht übernehmen. In Glonn haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2020 genauso weit zu sein, wie der Landkreis bis 2030 sein will. Am schwierigsten ist der Anfang. Wenn der Anfang gelingt und die Leute sehen, dass es wirtschaftlich ist und ökologische Vorteile bringt, dann gewinnt der Energiewendeprozess an Fahrt und dann bin ich überzeugt, dass wir es bis 2030 schaffen.

Sie sind für drei Jahre als Klimaschutzmanager bestellt, das ist nicht allzu viel Zeit. Was wird bis 2014 im Landkreis alles anders sein?

Bis 2014 sollte es gelingen, die Weichen so zu stellen, dass für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar ist, was bis 2030 alles anders sein wird. Der Landkreis wird sich auch optisch ändern. Die Energiewende wird zu sehen sein in Biogasanlagen, in Heizwerken, in Windrädern und vielen anderen Dingen mehr. Was in drei Jahren zu schaffen sein wird, wird man sehen. Es sind ja auch schon einige Dinge umgesetzt und manches angedacht, zum Beispiel Strom über Windkraft zu erzeugen. Wenn wir die richtigen Akzente setzen, werden wir erfolgreich sein.

Zwei Leute haben sich schon in ähnlicher Position wie Sie versucht: Ebersbergs erster Regionalmanager Jens Tischer und direkt vor Ihnen Energiekoordinator Hartmut Adler. Schaffen Sie, was den beiden nicht gelungen ist? Sind Sie der erwartete Supermann?

Supermann bin ich definitiv nicht. Ich sehe mich als Arbeiter. Ich werde daran arbeiten, dass Dinge gelingen, die bisher nicht verwirklicht werden konnten, warum auch immer. Tatsache ist, dass sich das politische Umfeld im letzten halben Jahr gewandelt hat. Von allen politischen Parteien wird gesehen: Die Energiewende kommt, und es wird an uns liegen, ob deren Gestaltung effektiv ist und gelingt.

Mit der Arbeit Ihrer Vorgänger war der Kreistag nur bedingt zufrieden. Sind Sie die letzte Hoffnung? Und ist bei Ihrem Scheitern auch die Energiewende gescheitert, wie CSU-Kreisrat Martin Lechner bereits meinte?

Ich denke nicht ans Scheitern, das können wir uns nicht leisten. Alle politischen Gremien und die Verwaltungen bitte ich um Mitarbeit. Nur in gemeinsamer Anstrengung kann die Aufgabe erfolgreich bewältigt werden. Ich werde schnell auf die Kommunen und die Energiearbeitskreise zugehen, denn die Energiewende wird zum größten Teil in den Gemeinden stattfinden.

Aus manchen Rathäusern ist noch zu hören: Energiewende? Das macht doch der Kreis.

Der größte Teil der Energiewende passiert in den Gemeinden. Es wird auch schon viel getan, nur bisher wenig koordiniert und abgestimmt. Es gibt Kommunen, die sind beim Strom schon autark, aber auf dem Wärmesektor ist noch wenig geschehen. Die Energiewende im ganzen Landkreis wird in den nächsten Jahren Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro erfordern. Das sollte schon gut geplant sein. Pläne alleine nützen aber nichts. Das heißt: Wenn eine gewisse Planungssicherheit erreicht ist, muss man die Dinge umsetzen, damit die Bürger auch sehen: Es passiert etwas.

Aus dem Kreistag ist sehr viel Positives über Sie zu hören und in Glonn, wo Sie Vorsitzender des Aktionskreises Energiewende 2020 sind, ist schon Vieles erreicht. Was zeichnet Sie aus?

Ich glaube, dass ich offen bin und auf die Leute zugehen und für dieses Thema gewinnen kann. Ich bin ein Teamplayer, mit dem man, glaube ich, zusammenarbeiten kann. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Thema alternativer Energien und in Glonn haben wir in den letzten Jahren viel Erfahrung gesammelt. Als gelernter Zimmerer bin ich gewohnt, am Abend die Ergebnisse von dem zu sehen, was ich am Tag gemacht habe. Ich will also ziel- und ergebnisorientiert arbeiten.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie erfuhren, dass der Kreisumweltausschuss sich einstimmig für Sie entschieden hat?

Das hat mich ganz ehrlich erstaunt und unglaublich gefreut. Und dann habe ich mich gefragt, wie ich es meinen Kollegen und meinen Schülern klarmachen kann, dass es derzeit für mich eine noch wichtigere Aufgabe gibt als die gute Ausbildung unserer Jugend. Denn von der Frage, ob uns die Energiewende gelingt, hängt auch unser wirtschaftlicher Wohlstand ab.

Spürt man da eine große Verantwortung oder gar Last?

Ich habe höchsten Respekt vor der Aufgabe. Ich spüre schon auch die Verantwortung, die ich da übernommen habe. Aber ich sehe die Last nicht alleine auf meinen Schultern abgeladen. Sie liegt auf den Schultern aller Landkreispolitiker und letztlich auf den Schultern aller Bürgerinnen und Bürger. Alle sind eingeladen, sich zu beteiligen.

Was muss passieren, damit der Landkreis bis 2030 ohne Öl, Gas, Kohle und Atomstrom auskommt? Wie muss unser Energie-Mix der Zukunft aussehen und was bedeutet das für die Bürger und deren Geldbeutel?

Wir können uns nicht leisten, auf einen der im Landkreis zur Auswahl stehenden regenerativen Energieträger zu verzichten. Nicht immer wird es möglich sein, mit den Preisen von fossil erzeugter Energie schon sofort mitzuhalten. Ich bin aber überzeugt: Wir werden in fünf, zehn oder 20 Jahren einen enormen wirtschaftlichen Vorteil haben, weil die Preise für die zur Neige gehenden fossilen Energieträger mit Sicherheit steigen werden. In Glonn machen wir die Erfahrung, dass die Leute bereit sind umzusteigen, wenn es sich rechnet. Außerdem schafft das Verbrennen fossiler Energieträger enorme Umweltprobleme, deren Kosten bisher in keiner Rechnung enthalten sind.

Aber es wird doch nicht nur darum gehen, die Energie, die wir verbrauchen, zu ersetzen, sondern einen Großteil einzusparen.

Es geht darum, Energie effizienter einzusetzen, also etwa Häuser so zu bauen oder zu sanieren, dass sie weniger oder keine Energie verbrauchen. Die Schwierigkeit, die wir haben, ist nur, dass der beanspruchte Wohnraum pro Einwohner nach wie vor steigt. Wenn ein neues Haus nur noch halb so viel Energie pro Quadratmeter verbraucht, aber doppelt so groß gebaut wird, dann ist das am Ende ein Nullsummenspiel. Wollen wir uns regenerativ versorgen, heißt dies für mich, der Energieverbrauch muss insgesamt deutlich sinken.

Wenn man die Proteste etwa gegen Biomasse-Anlagen im Landkreis sieht - Sie kennen das selbst aus Glonn - dann mag man nicht recht daran glauben, dass die Wende gelingt.

Spätestens seit Stuttgart 21 gibt es die gesamtpolitische Erkenntnis, dass Information allein nicht ausreicht. Man muss die Bürger wirklich mitnehmen, das heißt, sie zu Beteiligten machen an dem ganzen Verfahren, ihre Ideen einbeziehen. Auch in Glonn waren die Bürger ja nicht gegen die Energiewende, sondern man hat einfach gewisse Ängste vor dem Unbekannten. Man muss diese Ängste aufgreifen und mit den Bürgern überlegen, was anders und besser gemacht werden kann.

Kritiker der Energie aus Biomasse führen als Gegenargumente die Verknappung der Lebensmittel an, den Düngemittel- und Pestizideinsatz, die Ausräumung der Wälder. Wie grün ist Energie aus Biomasse wirklich?

Beim Holz steht derzeit noch genügend Abfallmaterial zur Verfügung, das bei der Bewirtschaftung der Wälder anfällt. Es ist auch nicht sinnvoll, einen Baum stehen zu lassen und zu warten, bis er umfällt und verfault und dann genau so viel CO2 freisetzt wie bei der Verbrennung. Es ist sinnvoller, einen Baum, der ausgewachsen ist, zu ernten und diesen als Bauholz zu nutzen, das Restholz zu verbrennen und einen neuen Baum zu pflanzen. Die Energiewende muss nachhaltig und dezentral sein. Für Biogasanlagen gilt, dass sie passend zur landwirtschaftlichen Struktur sein sollten. Da sind mehrere kleine sinnvoller als eine große Anlage. Mir gefallen die großen Anlagen nicht, wo man 30 Kilometer hinfahren muss, um den Mais anzukarren, und in der ganzen Gegend nichts anderes mehr angebaut wird.

Man mag auch nicht glauben, dass es gegen die geplanten sechs Windräder im Forst keinen Widerstand geben wird.

Bei der Windkraft benötigen wir erst sichere Daten, ob wir sie in Ebersberg nutzen können. Dies muss durch Messergebnisse belegt werden. Dann gibt es nur wenige geeignete Standorte im Landkreis. Wir sollten die auswählen, die die Bürger am wenigsten beeinträchtigen, was Lärm und Schattenwurf betrifft. Eine optische Beeinträchtigung, wenn man das so empfindet, wird aber nicht zu verhindern sein. Die Beeinträchtigungen können durch eine gemeinsame Standortplanung aller betroffenen Gemeinden sicher verringert werden. Man kennt die Bilder aus Mecklenburg-Vorpommern - so soll der Landkreis nicht ausschauen. Die Bürgermeister im Landkreis sollten sich auf gute und schlechte Standorte einigen und überlegen, wie man die Lasten und Gewinne gerecht verteilt.

In Frauenneuharting steht, wenn auch klein, die erste Windkraftanlage im Landkreis und das Landratsamt Ebersberg bestraft die Gemeinde mit einer Ausgleichszahlung - da müssen Sie selbst in der Kreisbehörde offenbar noch ganz dicke Bretter bohren.

Die Bundespolitik will die Energiewende, die Staatsregierung will die Energiewende und der Landkreis will sie auch. Bei der Geschwindigkeit, mit der die Politik auf die Katastrophe von Fukushima in den letzten Monaten reagiert hat, ist es nicht verwunderlich, dass noch nicht alle Verwaltungsvorschriften an dieses Ziel angepasst worden sind. Ich bin mir sicher, dass dies schnell geschieht. Ziel sollte es sein, regenerativ erzeugte Energie nicht weiter unnötig zu verteuern und Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Umsetzung solcher Projekte fördern, ohne die öffentlichen Bedürfnisse zu missachten. Eine solche Entwicklung würde ich gerne mitgestalten.

Hat Fukushima wirklich etwas verändert?

Mit Sicherheit. Wer vor drei Monaten gesagt hätte, dass sich gerade auch die bayerische Politik so verändert, wäre nicht ernst genommen worden. So etwas war nicht denkbar. Von dem Ziel, sich unabhängig von Atomkraft und fossiler Energie zu machen, wird man nicht mehr abkommen. Was ich nur bedaure: dass sich alles auf den Ersatz der Atomkraft fokussiert. Wenn jetzt stattdessen Kohlekraftwerke gebaut und das CO2 unter der Erde verschwinden sollte, ist das für mich genauso undenkbar.

Die Resolution des Kreistags zum Atomausstieg hat keine direkten Auswirkungen auf Ebersberg. Ist sie in Ihren Augen dennoch wichtig?

Ich halte sie für wichtig und gut, weil man einen gemeinsamen politischen Willen nach außen trägt und dadurch die Bevölkerung sieht: Das ist der Weg, der gegangen wird, und da gibt es auch kein Zurück mehr.

Eine ganz wichtige Frage wird die Regionalisierung der Energieversorgung werden: Sollen die Kommunen eigene Stadt- oder Gemeindewerke gründen?

Wir haben in Glonn ein Gemeindewerk gegründet und halten das für einen sehr guten Weg. Ein Gemeindewerk kann wirtschaftlich für eine Gemeinde sein, muss aber geführt werden wie ein Unternehmen, auch mit einem entsprechenden Personal- und Zeitaufwand. Die Rekommunalisierung der Stromnetze ist ein wichtiges Thema, mit dem wir uns beschäftigen werden: beraten vom Landkreis, umgesetzt in den Gemeinden.

Zum Abschluss zurück zum Anfang: Die Energiewende, haben Sie gesagt, machen weder Sie noch der Kreis - was kann oder muss jeder Einzelne tun, damit wir Erfolg haben?

Der Bürger sollte als erstes seinen Energieverbrauch reduzieren. Jede Kilowattstunde, die eingespart werden kann, muss nicht erzeugt werden. Das ist das Beste überhaupt. Und das geht auch, ohne dass man seinen Lebensstandard sonderlich einschränkt.

Interview: Lars Brunckhorst

© SZ vom 04.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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