Hochwasserschutz in Grafing:Krater im Haushalt

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Seit einigen Wochen wird der Melakweiher ausgebaggert, dabei wurde jetzt der gefährliche Fund gemacht. (Foto: Christian Endt)

Das Ausbaggern eines Grafinger Weihers kommt die Stadt teuer zu stehen: Mindestens 1,7 Tonnen Sprengmittel und 900 Kubikmeter Schlamm wollen entsorgt werden.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Handgranaten, Panzerfäuste, Gewehre, Munition: Bei Kriegsende 1945 wollten offenbar einige Menschen in Grafing belastendes Material loswerden - und haben es in einem Weiher versenkt. Die Melak liegt mitten im Wohngebiet Goldberg, ganz versteckt, etwa hundert Meter lang und 25 Meter breit, in einer Senke zwischen Häusern und Bäumen. Idylle pur. Doch schon lange kursierten in der Stadt Gerüchte, dass auf dem Grund des kleinen Gewässers Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg schlummern könnten.

Nun gibt es darüber Gewissheit - und die Entsorgung wird deutlich teurer als gedacht, so viel ist seit der Stadtratssitzung am Dienstag klar. Im Raum stehen Kosten von mindestens 780 000 Euro - und ein Nachtragshaushalt, den die Stadt deshalb womöglich aufstellen muss.

Eine neue Kalkulation geht von mindestens 780 000 Euro aus

Auf zwischen 60 000 und 70 000 Euro hatten die Kampfmittelbeseitiger ihre Arbeit vor ein paar Wochen zunächst taxiert. Die mit dem Tiefbau beauftragte Firma schätzte ihre Tätigkeiten auf 14 400 Euro. Zusammen mit einigen anderen Posten wie der Baustraße und dem Abtransport des Schlamms kalkulierte man im Rathaus mit Gesamtkosten für das Projekt von gut 100 000 Euro. Nicht wenig, keine Frage. Aber im Kontext eines 43-Millionen-Haushalts durchaus stemmbar. Nach dem 780 000-Euro-Update jedoch, das in der Sitzung am Dienstag auf die Leinwand projiziert wurde, liegen die Dinge nun anders.

"Es sind bei solchen Räumungen einfach viele Unsicherheiten dabei", sagte Bürgermeister Christian Bauer (CSU). "Da ist vieles nicht so einfach vorhersehbar." Im Schlamm der Melak liege eben weit mehr Munition und Sprengstoff als zunächst vermutet. Sogar eine Phosphorbombe wurde dort gefunden. Und auch die Bergung und Entsorgung gestalte sich schwieriger als angenommen.

Drecksarbeit im Schlamm. Jede Baggerschaufel wird von den Kampfmittelbeseitigern mit einem kleinen Rechen gefilzt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Laut Heinrich Bernhard Scho von der Firma H.B.S. Sprengtechnik und Kampfmittelbeseitigung GmbH bei Aichach ist dies ein übliches Problem bei derartigen Projekten. "Sie baggern den Schlamm vorsichtig aus - und dann ziehen Sie jede einzelne Karabinerpatrone aus dem Schlamm." 50 000 habe man alleine bis Ende der ersten Märzwoche aus dem Weiher geholt. Bis zu einer Tiefe von vier Metern zogen die Kampfmittelbeseitiger daraufhin den Untergrund des Gewässers ab - und stießen auf weitere 500 000 Patronen.

Bereits 38 hochgradig gefährliche Panzerfaustköpfe wurden gefunden

Schwieriger noch sei die Bergung und Entsorgung der Panzerfaust-Sprengköpfe, die Scho und Kollegen im Sieblöffel des meterlangen Schwenkarms aus dem Schlamm holten. "Die bestehen aus 1,6 Kilo TNT. Der Sprengstoff ist auch noch nach Jahrzehnten hochgradig gefährlich. Und von diesen Panzerfaustköpfen haben wir schon 38 gefunden." Das Gewicht an insgesamt geborgenen Sprengmitteln bezifferte Scho auf 1,7 Tonnen. Da ist aber der dritte Kampfmittel-Hotspot im hinteren Teil des Weihers, den eine Analyse per Detektor vorab gezeigt hatte, noch gar nicht eingerechnet.

Immer wieder findet das Bombenräumkommando in dem Weiher Kampfmittel wie dieses Panzerfaustrohr. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch vom Schlamm gab der Grafinger Weiher immer mehr frei. "Wir sind am Anfang von 300 oder 400 Kubikmetern ausgegangen", sagte Scho. "Jetzt sind wir bei 900. Das sind einfach Faktoren, die können Sie nicht so einfach kalkulieren." Zudem sei der Schlamm auf Schadstoffe zu untersuchen, in der Regel zu reinigen und dann zu entsorgen. Vorher muss er aber aus Naturschutzgründen drei Wochen lang neben dem Weiher liegen bleiben. Dieser Schritt soll Amphibien Zeit geben, den Weg zurück ins Wasser zu finden.

Schlamm, Schlamm, und nochmal Schlamm. Neunhundert Kubikmeter wurden bereits ausgebaggert, die erst am Wasser gelagert, dann untersucht, gereinigt und entsorgt werden müssen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nächster Kostenfaktor sind Tätigkeiten am Weiher selbst, erklärte die Beschlussvorlage. Beispielsweise habe der Wasserstand für die Baggerarbeiten tiefer als gedacht abgesenkt werden müssen. Daraufhin drohte der bislang durchs den Weiher stabilisierte Hang abzurutschen. Zur Stütze wurden Wasserbausteine in den Boden versenkt.

"Wir müssen die Kosten jetzt erstmal übernehmen, so, wie sie leider anfallen", schloss Bürgermeister Bauer schließlich. "Am Ende müssen wir durch Einsparungen an anderer Stelle kompensieren - oder einen Nachtragshaushalt aufstellen." Immerhin: Grafing rechnet mit einer Rückerstattung der Kosten in einer Größenordnung von 400 000 bis 500 000 Euro. Zu erwarten sei diese jedoch frühestens im kommenden Jahr.

Später soll die Melak wieder ein Biotop sein - das dem Hochwasserschutz der Stadt dient

Voran geht es derweil in Sachen Renaturierung. Nachdem der Weiher vor den Munitionsfunden ein Biotop war, muss er nach den Maßnahmen wieder ein solches werden. Pläne, wie sich Grafing das neue Biotop vorstellt, sind laut Stadtverwaltung bereits an die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt weitergeleitet worden.

Zudem verbessert der ausgebaggerte See den Hochwasserschutz der Stadt: Er kann dann wieder mehr Wasser fassen. Dies zu erreichen war ursprünglich überhaupt erst der Grund, in dem Weiher nach den Munitionsresten zu suchen.

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