Literatur aus dem Landkreis:Von Mode zu Mord

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"Franz Wadlstein" vor einem der Regale bei Bücher Herzog in Grafing. Die Modegeschäfte, die der Krimiautor unter seinem echten Namen, Julius Kindl, seit vielen Jahrzehnten betreibt, sind nur wenige Schritte entfernt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Julius Kindl ist in Grafing bekannt als Inhaber eines Bekleidungsgeschäftes. Dabei hat der studierte Physiker unter dem Pseudonym "Franz Wadlstein" auch einen Heimatkrimi geschrieben.

Von Michaela Pelz, Grafing

Ein Dampfplauderer ist Franz Wadlstein definitiv nicht. Stattdessen überlegt der Mann mit dem gepflegten, weißen Schnauzbart gerne gründlich, bevor er etwas sagt. Zu erzählen hat er dennoch allerhand - etwa von verschlungenen und doch irgendwie folgerichtigen Lebenswegen. Die leicht bairische Färbung ist dabei unverkennbar, und sie findet sich auch in seinem Krimi "Zeilers Entdeckungen" wieder. Dessen Schauplatz liegt nämlich in Bayern, genauer gesagt, im Landkreis Rosenheim. Und das liest man dem Kurzroman dank Wortwahl und Satzstellung auf jeden Fall an.

Weit gefehlt allerdings, würde man annehmen, der Autor, der mit bürgerlichem Namen Julius Kindl heißt, habe sich am Vorbild der boomenden Heimatkrimis aus den vergangenen Jahren orientiert. Denn sein handschriftlicher "Urtext" ist bereits 2007 entstanden, nur das gedruckte Buch - im Format irgendwo zwischen Din-A-5 und Din-A-6, mit festem Einband und Lesebändchen - gibt es erst seit 2022.

Kindls literarisches Wirken begann mit Reisetagebüchern

Wie es dazu kam, erzählt der Grafinger beim Interview im Café neben dem örtlichen Buchladen. In diesem Ambiente fühlt sich der 74-Jährige sichtlich wohl, zudem liegt es nur wenige Schritte entfernt von den Modegeschäften, die er mit Ehefrau Birgit seit Mitte der 80er Jahre führt. Bevor er den seit 1956 bestehenden Familienbetrieb übernahm, schlug Kindl allerdings eine ganz andere Laufbahn ein: Da seine Eltern ihm völlig freie Hand ließen, studierte er Physik, inklusive Praktikum bei Siemens.

"Vom ersten Gehalt kaufte ich mir eine Nikon F in schwarz und dann ging es los. Mit dem Fotografieren und mit dem Reisen", schwelgt Kindl in Erinnerungen. Als Student fuhr er in den Siebzigern zweimal nach Marokko, begab sich in die Sahara, nach Algerien und Niger, war mit dem Laster in Togo, und ließ auch Ägypten und den Sudan nicht aus. Gleichzeitig war das Reisen der Anfang seines literarischen Wirkens, denn unterwegs schrieb Kindl fleißig Tagebuch.

2007 entstand die Urfassung des Krimis - erst 2022 wurde daraus ein gebundenes Buch. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seiner Diplomarbeit ließ der Grafinger noch zwei Semester Philosophie folgen, war aber parallel schon stark in die Aktivitäten des Familienbetriebs involviert. "In den Achtzigern waren die ersten Computer verfügbar, die stabil liefen, also habe ich mich dem Programmieren zugewandt und zum Beispiel Orderprogramme fürs Geschäft geschrieben", erzählt Kindl.

Aber auch seinem Hobby, dem Schreiben, blieb er treu, belegte ab 1989 Seminare bei Jürgen vom Scheidt, einem der Vorreiter für Kreatives Schreiben in Deutschland, und beherzigte auch gleich den Rat dieses Mannes: Nicht die Ehefrau oder einen Freund solle man zur Qualität eines neuen Textes befragen, sondern einen Lektor oder eine Autorengruppe. Also schloss sich Kindl den " Seitenspinnern" an - einem seit 1996 bestehenden Zusammenschluss von Schreibenden, aus dem unter anderem die Bestsellerautorin Katja Brandis hervorging. Bei den regelmäßigen Gruppentreffen trägt jeder seine Texte vor, die dann gemeinsam besprochen werden.

Ein schlechter Wasserburg-Krimi gab den Ausschlag für die Geschichte

So auch die Urfassung von "Zeilers Entdeckungen", die der Grafinger verfasst hatte, nachdem er sich über einen "schlechten Krimi mit einem Wasserburg voller Klischees" geärgert hatte. Relativ schnell stand der Plot fest. "Ich trug die Handlung im Kopf herum wie eine fixe Idee. Sie verfolgte mich regelrecht." Also habe er den ersten Entwurf in einem Rutsch heruntergeschrieben - mit Füller und komplett in Mundart. Die Reaktion der anderen Autoren war einhellig: Das Werk wirke vor allem durch das Vorlesen.

Julius Kindl alias Franz Wadlstein ist ein wirklich guter Vorleser, was er nun in Ebersberg unter Beweis stellen darf. Verfügbar ist sein Krimi bei Buch Otter in Ebersberg und Bücher Herzog in Grafing. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Beim Versuch, den Text einzutippen, merkte ich, das haut nicht hin. Also ließ ich ihn erstmal liegen," beschreibt der Autor den weiteren Entstehungsprozess, der gut 15 Jahre dauerte. In dieser Zeit kamen auch weitere Kapitel hinzu. Nach der endgültigen Fertigstellung habe seine Ehefrau dann gefragt: "Und, was willst du jetzt damit machen?" Das sei letztendlich der Auslöser für die Buchproduktion gewesen.

Für das Layout kam eine befreundete Grafikerin an Bord, für die jedem der 14 Kapitel vorangestellten Vignetten wandte sich Kindl an Andreas Mitterer. Der Ebersberger Künstler zeichnete aber nicht nur, er sei auch "ein total guter Lektor" gewesen, wie Kindl begeistert berichtet. Mitterer habe noch Fehler gefunden und ihn bei der "Bavarisierung" beraten.

Diese Illustration von Künstler Andreas Mitterer zeigt Hündin Rexi, die beim spannenden Showdown eine wichtige Rolle spielt. (Foto: Andreas Mitterer/oh)

Das Endprodukt kann sich nun wirklich sehen lassen. Im Mittelpunkt der 115 Seiten langen Geschichte steht Ernst Zeiler, Angestellter eines Elektrizitätswerks, der mal hier, mal da seine Nase in Dinge steckt, die ihn nichts angehen. Eigentlich nämlich hat der Griesstätter den wenig erbaulichen Job, das Geld säumiger Kunden einzutreiben und im schlimmsten Fall den Strom abzudrehen.

Dieser Mann vom E-Werk also wird von einer alten Freundin darum gebeten, sie bei der Suche nach ihrem abgängigen Mann zu unterstützen. Weil die verzweifelte Evi aber Zeilers Verflossene und der verschwundene Toni nicht nur sein Kumpel, sondern auch sein Kollege ist, interessiert sich alsbald ein Kommissar für den Hobby-Detektiv. Nicht immer zu dessen Bestem.

Doch Ernst Zeiler lässt sich nicht beirren, streckt seine Fühler in alle Richtungen aus und besucht dabei allerlei Orte, von denen es so manche wirklich gibt. So kommt er zwischen Ausflügen in die Berge, an den Simssee sowie in eine Privatsauna mit Bergblick einer ungeheuerlichen Sache auf die Spur...

Nun ist Franz Wadlstein bei einer Lesung in Ebersberg zu Gast

Was genau Zeiler herausfindet, kann man sich bei einer Lesung am Sonntag, 15. Oktober, im Ebersberger Therapiehaus anhören, auf die sich Kindl schon sehr freut. Bei dieser Gelegenheit wird er vielleicht auch enthüllen, wie es mit der Geschichte weitergeht. Mehr als ein Dutzend eng beschriebene Seiten gibt es schon von der Fortsetzung. Die allerdings ebenfalls nicht im Landkreis Ebersberg spielen wird - das sei ihm aktuell noch "zu nah", sagt der Autor.

Für die Zukunft allerdings schließt er einen literarischen Ortswechsel definitiv nicht aus. Obacht also, wenn sich der Mann mit dem spitzbübischen Lächeln in Franz Wadlstein verwandelt, dessen Name sich von "unserem bayerischen Kailash, dem Wendelstein" ableitet. Denn wer weiß, in welchen Krimi es mündet, was der Grafinger so alles hört und sieht. "Wenn sich in mir etwas festsetzt, muss ich es schreiben, damit ich es loswerde", sagt er. Doch eine Drohung soll das auf keinen Fall sein.

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