Literatur aus dem Landkreis:Ein Grafinger packt aus

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Eine unterhaltsame kleine Sammlung: Hubertus Ametsbichler hat aufgeschrieben, was er in Grafing so alles Kurioses erlebt hat. (Foto: Christian Endt)

Dem Fotograf Hubertus Ametsbichler gelingt mit seiner Autobiografie ein unterhaltsames Portrait seiner Familie und seiner Stadt. In Wort und Bild - aus Hubsi-Perspektive.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Hubertus Ametsbichler, den sie in Grafing eigentlich nur als "Hubsi" kennen, spricht zwei Sprachen. Die eine beim Reden und Schreiben, da pflegt er ein ruhiges Deutsch mit unverkennbar bairischem Einschlag. Seine zweite Sprache aber ist jene der Bilder: Jahrzehntelang hat Ametsbichler gemeinsam mit seiner Frau Maria ein Fotogeschäft in der Kirchenstraße betrieben, bereits in dritter Generation, und gehörte mit seiner Kamera zum Stadtleben einfach dazu. Hubsi war stets allgegenwärtig in Grafing und Umgebung, bei Hochzeiten, Klassentreffen und sonstigen Feiern. Nun hat er eine Autobiografie veröffentlicht, die beide Sprachen miteinander kombiniert. "Hubsi, schalt wenigstens as Liacht ei!", heißt der kleine, aber feine Band.

Der junge Hubsi 1956 mit seiner ersten Kamera"Bilora Boy Box". (Foto: Archiv Ametsbichler/oh)

Geplant war das alles aber so nicht. "Niemals habe ich zu träumen gewagt, als ich anfing, einfach alles aufzuschreiben, was mir einfiel, was ich so erlebt habe, dass daraus einmal ein kleines Buch wird", schreibt Ametsbichler, Jahrgang 1949, in seinem Vorwort. Danach folgen 19 Kurzgeschichten, in der Länge zwischen ein paar Sätzen und ein paar Seiten, lauter persönliche Erinnerungen und launige Anekdoten. "Ich kann nicht ewig rumschwafeln, um Seiten zu füllen, ich schreibe so, wie ich Sachen erzähle, kurz, prägnant und dadurch (hoffentlich) interessant und fesselnd und, vor allem, zum Schmunzeln, oft zum Lachen." Der Untertitel des im Grafinger Dinter-Verlag erschienenen Buchs lautet passenderweise "Erstaunliches, Kurioses und Lustiges, auch mal Erschütterndes".

Die Telefonnummer 1805 beschert den Ametsbichlers einige "schlüpfrige" Anrufe

Zu finden ist darin etwa die Geschichte der in den 1990er Jahren "für schlüpfrige Dienstleistungen oder andere Gefälligkeiten" eingeführten 01805-Vorwahlnummern. Weil bei den Ametsbichlers das Telefon unter der 1805 klingelt, passierte das dann bisweilen auch nachts. Zum Beispiel, weil Leute den Nuller am Anfang vergaßen und nach der "5" zu lange brauchten, um die nächste Ziffer zu wählen. "Maria, meine Frau, erklärte ihm, er müsse vorher einen Nuller mehr wählen. Das kapierte er nicht und so schellte es fünf-, sechsmal und es war immer wieder das Gleiche (...). Ich meldete mich als Polizeiinspektion und sagte, er solle gleich seine Haustüre aufmachen, weil wir mit dem Streifenwagen kommen und ihn abholen. Er antwortete, er sei ja nicht daheim, sondern in einer Wirtschaft. 'Gut, dann holen wir Sie eben da ab!'"

Doch Ametsbichler kam mit seiner Kamera nicht nur zu Veranstaltungen aller Art, sondern hatte den Fotoapparat bei gefühlt jedem Gang vor die Haustüre dabei. Deshalb gerät die literarische Autobiografie nun gleich auch zum Portrait von Hubsis Heimatstadt: Man sieht die einstige Tafel in der Pfarrkirche mit der Aufschrift "Der Aufenthalt auf den Stiegen wird polizeilich geahndet!". Oder eine Gitarre aus der Grafinger Flower-Power-Zeit mit dem draufgeschriebenen Schriftzug "Danger, this machine kills". Den Bräuwagen, der eine Fuhre frisch gebrautes Bier über den Marktplatz in den Wildbräukeller fährt. Die schweren Unwetter im Sommer 1982. Nicht ohne Grund nennt Bräu Gregor Schlederer den Autor in seinem Grußwort einen "Grafinger Anker".

Grafing, westlicher Marktplatz mit Rathaus, der Bräuwagen bringt frisch gebrautes Bier zum Wildbräukeller. (Foto: Hubert Ametsbichler/oh)

Dass der Hubsi sein Grafinger Leben überhaupt so führen kann, wie er es tat und tut, hängt übrigens mit Kaiser Wilhelm II und Ametsbichlers Großvater Franz Xaver Ecker zusammen. Auch das ist eine Geschichte in der Autobiografie: Der Großvater hielt im Sommer 1914 sein Überseeticket für die USA in den Händen, war schon an der Waterkant und wollte in ein paar Tagen auswandern. Dann aber wurden die Einberufungsbefehle zum Ersten Weltkrieg verschickt. "Ironie des Schicksals", schreibt Ametsbichler: Es musste ein Krieg sein, der ihn und seine Grafinger Zukunft möglich machte.

Obwohl auch viele seiner Familiengeschichten "erstaunlich, kurios und lustig" sind, drängt sich Ametsbichler nie ins Rampenlicht. Selbst auf dem Buchcover nicht, obwohl er dort als Autor und Protagonist der Erzählungen freilich nicht um ein Porträtbild herumkommt. Doch der Fotoexperte hat sich mitnichten im perfekt ausgeleuchteten Studio ablichten lassen. Sondern im Halbschatten. Als hätte nur jemand von der Seite mit einer Taschenlampe auf die linke Backe geleuchtet. Trotzdem ist der Grafinger für Eingeweihte bestens erkennbar: die Hornbrille, der ergraute Zehntagebart, der charakteristische Hubsi-Hut, die Kette aus kleinen Kugeln um den Hals.

Drei Generationen, eine Leidenschaft: der Foto Ecker im Jahre 1959. (Foto: Archiv Ametsbichler/oh)

Der Titel des Buches übrigens klärt sich erst auf der vorletzten Seite auf, der 197sten. Und so viel sei verraten: Mit Ametsbichlers Fotostudio hat er nichts zu tun. Sondern mit einer abenteuerlichen Fahrradfahrt Anfang der 1970er Jahre durch Grafing - mit seiner späteren Frau auf dem Gepäckträger.

Hubertus Ametsbichler: "Hubsi, schalt wenigstens as Liacht ei!" Die Autobiografie ist unter der ISBN 978-3-944424-08-8 im Buchhandel erhältlich. Am Donnerstag, 20. Oktober, um 20 Uhr liest der Autor im Grafinger Kastenwirt. Der Eintritt ist frei, wegen der begrenzen Plätze sollte aber online reserviert werden.

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