Städtische Finanzen:Kleine Stadt, große Not

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Ein bisschen mager wirkt der Bär auf dem Wappen am Grafinger Rathaus - das hat er mit den städtischen Finanzen gemein. (Foto: Christian Endt)

Der Grafinger Stadtrat beschließt den nächsten Rekordschuldenhaushalt. Jetzt sind auch noch die Rücklagen aufgebraucht, von denen die Stadt jahrelang zehren konnte.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Es dürfte wahrlich angenehmere Tage für Grafinger Bürgermeister und Stadtratsmitglieder geben als zuletzt die Sitzungen der alljährlichen Haushaltsaufstellungen. Während für Christian Bauer (CSU) als Sitzungsleiter quasi Anwesenheitspflicht herrschte, ließen sich am Dienstagabend - wohlgemerkt zur wichtigsten und vornehmsten Sitzung des Jahres - ganze sieben von 24 Gremiumsmitglieder entschuldigen.

Womöglich spielte dabei das vorangegangene Studium der Beschlussvorlage eine Rolle. Sie weist eine Kreditaufnahme von gut 3,6 Millionen Euro aus sowie einen Anstieg der Schulden um etwas über 2,8 Millionen Euro auf dann knapp 19 Millionen Euro zum Jahresende. Am 1. Januar 2021, also zur ersten Haushaltsaufstellung des im Jahr 2020 neu gewählten Bürgermeisters und Stadtrats, waren es rund 12 Millionen Euro.

Auch sonst stehen in der Vorlage vor allem schlechte Nachrichten. Die seit Jahren kontinuierlich gestiegene Zuweisung aus der Einkommensteuer, immerhin die wichtigste städtische Geldquelle, ist fürs erste gestoppt. Mit prognostizierten 12,25 Millionen Euro stagniert sie auf Vorjahreslevel.

Die Gewerbesteuereinnahmen bleiben zwar stabil, aber auf eher niedrigem Niveau

Bei der Gewerbesteuer als zweitwichtigster Quelle sieht es mit dem aktuell kalkulierten Plus im Vergleich zum 2023er-Ansatz von gut 500 000 Euro auf rund 6,5 Millionen Euro zwar etwas besser aus - allerdings nur auf dem Papier: Selbst damit bleibt Grafing deutlich hinter dem zurück, was halbwegs vergleichbare Städte so schaffen. In Ebersberg waren es zuletzt um die neun Millionen Euro. Und nachdem die Stadt im vergangenen Herbst überraschenderweise 730 000 Euro zusätzlich aus der Gewerbesteuer, also rund 6,7 Millionen einnahm, liegt der aktuelle Ansatz sogar 200 000 Euro unter den Ist-Zahlen des Vorjahres.

Zudem steigen, keine Überraschung, die Ausgaben. Bauer verwies auf den Tarifabschluss, der die Personalkosten spürbar steigen lasse. Unter anderem dies schlägt sich in einem um rund 2,3 Millionen Euro auf 35,17 Millionen Euro gestiegenen Verwaltungshaushalt nieder. Wichtig war Bauer in diesem Kontext der Hinweis auf die gleichbleibenden Hebesätze bei Gewerbe- und Grundsteuer. Vergleichsweise gering fällt in diesem Jahr das Plus bei der Kreisumlage aus. Sie steigt von 9,2 auf 9,46 Millionen Euro.

Zahlreiche teure Projekte stehen auf der Agenda

Auch der Vermögenshaushalt wächst. Hatte die Stadt im vergangenen Jahr 11,48 Millionen Euro für Investitionen veranschlagt, so sollen es im laufenden Jahr 12,72 Millionen Euro werden (plus 1,24 Mio. Euro). Den größten Einzelposten markieren weitere 2,5 Millionen Euro fürs Kinderhaus in der Forellenstraße. Dieses stellt gewissermaßen die Spitze einer mittlerweile zwölfjährigen Grafinger Anstrengung zum Ausbau der Kinderbetreuung dar. "Alleine in den letzten vier Jahren haben wir ungefähr 200 neue Betreuungsplätze geschaffen", unterstrich der Bürgermeister.

Auf den Plätzen folgen dann 900 000 Euro für die Generalsanierung und Erweiterung der städtischen Liegenschaften in der Kranzhornstraße. 750 000 Euro für den Grunderwerb in der Tiefgarage des Seniorenhauses. 700 000 Euro für die Altlastensanierung des alten Bauhofs. 680 000 Euro für Außenanlagen und Tartanbahn am Schulzentrum. Und 400 000 Euro respektive 350 000 Euro für die Erschließung von Rosenheimer und Nettelkofener Straße.

Die perspektivisch wohl bitterste Pille: Mit dem 2024er-Haushalt sind nun auch die Grafinger Rücklagen leergeräumt. "Wir haben jetzt nur noch die Mindestrücklage auf dem Konto, da kann nichts mehr entnommen werden", berichtete Kämmerin Veronika Kainz. Kreditneuaufnahmen in der Größenordnung der aktuellen 3,6 Millionen Euro (oder der angesetzten 3,3 Millionen Euro aus dem Vorjahr) gehören damit der Grafinger Geschichte an. Ohne weitere Reserven sei die maximale Höhe der neuen Kredite deutlich begrenzt, hieß es in der Sitzung sinngemäß. Gut möglich also, dass sich der Haushalt 2024 noch als vergleichsweise leichte Übung herausstellt - Rückblickend aus dem nächsten Jahr.

Die Zahlen

Gesamtvolumen: 47,9 Millionen Euro

Verwaltungshaushalt: 35,2 Millionen Euro

Vermögenshaushalt: 12,7 Millionen Euro

Gewerbesteuer: bereits vorliegender Ist-Wert 2023: 6,7 Millionen Euro; Ansatz 2024: 6,5 Millionen Euro

Einkommensteuer: Ansatz 2023: 12,25 Millionen Euro; Ansatz 2024: 12,25 Millionen Euro

Kreisumlage: 2023: 9,2 Millionen Euro; 2024: 9,5 Millionen Euro

Schulden Ende 2023: 16 Millionen Euro; Ende 2024: 18,8 Millionen Euro.

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