Start-up für Start-ups:Es knirscht zwischen Stadtrat und Gründerzentrum

Lesezeit: 3 min

Vor knapp zwei Jahren hat das Gründerzentrum "Zamstarten" in die neuen Räume am Grafinger Marktplatz eröffnet, dort kann man beispielsweise Büroflächen mieten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein fraktionsübergreifendes Bündnis droht dem Grafinger Gründerzentrum mangels transparenter Mittelverwendung mit dem Stopp der Unterstützung. Eine Kündigung des Management-Vertrags mit der Zamworking GmbH kann das Rathaus gerade noch abwenden - allerdings mit Mitteln aus der Grauzone.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Mächtig stolz waren sie im Grafinger Stadtrat, dass das erste Gründerzentrum im Landkreis vor drei Jahren nicht in Poing, Markt Schwaben oder gar Ebersberg eröffnete - sondern eben in Grafing. Doch nach vielen warmen Worte zog bald Ernüchterung ein: Zu unklar, was in der Top-Adresse am Grafinger Marktplatz eigentlich genau passiere. Zu intransparent, wie die sechsstellige Unterstützungssumme pro Jahr eigentlich genau verwendet werde. Dann drohte ein bunter Zusammenschluss aus Stadträten von Bayernpartei, FDP, Freien Wählern, Grünen und SPD mit dem Bruch.

"Bis ein abgestimmtes neues Modell im Stadtrat beschlossen ist, soll kein neuer Management-Vertrag mit der Firma Zamworking GmbH abgeschlossen und der bestehende Mietvertrag (...) zum 31.12.2024 gekündigt werden", endet der von acht Mitgliedern des Gremiums eingereichte Antrag. Heißt frei übersetzt: Bis hierhin und nicht weiter! Auch der Rechnungsprüfungsausschuss soll sich mit der Angelegenheit schon beschäftigt haben.

Die Politik zeigt offen ihr Misstrauen gegenüber dem Gründerzentrum und Team von Zamworking

Erst einmal solle ein "Runder Tisch", dem "insbesondere auch erfahrene Unternehmer und Gewerbetreibende angehören, die keine direkten oder indirekten geschäftliche Beziehungen mit dem Gründerzentrum haben", ein neues Betriebsmodell erarbeiten. Hier lautet die freie Übersetzung in etwa so: Vom ursprünglichen Vertrauen in den Zamworking-Dunstkreis ist nicht mehr übrig.

Aber auch strategisch sehen die Stadträte das Gründerzentrum falsch aufgestellt. Noch immer sei es auf die Vermietung von Büroräumen fokussiert, klagen die Antragssteller. Dabei hätten sich die Zeiten längst geändert. "So liegt das Hauptinteresse der Gründer in der Möglichkeit zum Netzwerken und dem Info- und Coachingangebot. Eine Nachfrage nach Büroräumen ist dagegen in der heutigen digitalen Welt kaum noch in der Gründungsphase vorhanden."

Ist die Vermietung von Büro-Arbeitsplätzen, wie es Zamstarten betreibt, noch zeitgemäß? Einige im Grafinger Stadtrat bezweifeln das. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In der notorisch klammen Stadt, die auch dieses Jahr wieder mit einem neuen Rekordverschuldungsstand abschließen wird, geht es natürlich auch ums Geld. "In Summe sind insbesondere die aktuellen, laufenden Fixkosten mit Miet- und Managementkosten in Bezug auf den Haushalt der Stadt und den vielen anderen finanziellen Bedarfe (...) zu hoch", steht in der Antragsbegründung. Knapp 150 000 Euro hatte die Stadt nach SZ-Informationen im vergangenen Jahr mittel- und unmittelbar dem Gründerzentrum zugeschossen.

"Wir müssen ehrlich und offen diskutieren, ob dieser Betrag angemessen ist - und ob das, was im Gründerzentrum angeboten wird, auch tatsächlich unserer Auffassung von Start-up-Unterstützung entspricht", erläutert ein Stadtratsmitglied hinter vorgehaltener Hand. Ein Seminar zur treffenden Nachfolgeregelung in Unternehmen, so wie unlängst geschehen, gehöre jedenfalls nicht dazu.

Wie so oft, wenn es unangenehm wird, legt man in Grafing die Gemeindeordnung kreativ aus

Dass offen und ehrlich auch über potenziell unangenehme Punkte diskutiert worden wäre, wusste Bürgermeister Christian Bauer (CSU) zu verhindern. Er verfrachtete selbst die allgemeine Debatte um die künftige Ausrichtung des Gründerzentrums in den nichtöffentlichen Teil der Stadtratssitzung. Ein Weg, den Bauer in der Vergangenheit immer dann beschritt, wenn es unangenehme Nachrichten zu verbergen galt.

Grafings Bürgermeister Christian Bauer mag keine öffentliche Debatte über die Zamstarten-Zusammenarbeit. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im aktuellen Fall könnte dies sein: Dass das Rathaus schlicht nicht so genau hinschaute, was zwischen Gründerzentrum, Zamworking sowie dem Förderverein Zamstarten so alles mit den städtischen Zuschüssen passierte. Dass im Rathaus erst nach drei Jahren auffällt, dass das örtliche Gründerzentrum womöglich am Bedarf vorbeiarbeitet das spricht für kein gutes Controlling in Bauers Haus.

Ganz offensichtlich haben sich die bunte Antragssteller-Koalition in der Sitzung durchgesetzt. Es heißt, der Kostenbeitrag der Stadt sei auf etwa ein Drittel gesenkt worden. Bei einer bisherigen Größenordnung von 100 000 Euro bis 150 000 Euro im Jahr dürfte die Summe nun also zwischen 33 000 und 50 000 Euro liegen. Außerdem stehe nun eine transparente Regelung, welche Tätigkeiten des Gründerzentrums die Stadt trägt - und welche der Förderverein aus selbst erwirtschafteten Mitteln.

"Es ist ja total klar, dass der Stadtrat wissen will, wofür er sein Budget verwendet", sagt Zamworking-Geschäftsführerin Gaby Köhler. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und die Zamworking-Geschäftsführerin Gaby Köhler? Versteht die Aufregung nicht so ganz. "Ich bin total offen für diese Neuerungen", versichert Köhler. "Es ist ja total klar, dass der Stadtrat wissen will, wofür er sein Budget verwendet." Beim Gründerzentrum-Start vor zwei Jahren habe es schlicht keine Erfahrungswerte gegeben, auf die man sich beim Aufbau der Organisation hätte stützen können. "Es ist doch ganz normal, dass man nach einiger Zeit die Frage stellt: Wo läuft's gut, wo müssen wir nachbessern?" Nicht mehr und nicht weniger sei nun geschehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDeutschlandticket
:"Die Kommunen haben dafür kein Geld"

Nachdem der Landkreis Stendal aus dem Ticketmodell ausgestiegen ist, wird erneut über dessen Finanzierung diskutiert. MVV-Chef Rosenbusch und Bayerns Verkehrsminister Bernreiter (CSU) rechnen mit höheren Kosten für die Fahrgäste.

Von Linus Freymark und Barbara Mooser

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: