Flüchtlinge in Ebersberg:Wohnen im Impfzentrum

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Erst Schalterhalle, dann Impfzentrum, bald Wohnraum: Auch hier werden künftig Geflüchtete untergebracht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sofort nach dem Auszug der Einrichtung werden die Räume im früheren Sparkassengebäude für Geflüchtete umgebaut. Wie viele Menschen im Januar kommen, ist derzeit noch unklar. Lang werden die Kapazitäten aber nicht mehr reichen.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Wo man sich bis Samstag noch eine Spritze gegen das Coronavirus abholen konnte, werden bald Betten und Spinde stehen: Nach dem Auszug des Impfzentrums aus dem Sparkassengebäude werden hier weitere 80 Wohnplätze für Geflüchtete eingerichtet. Ein Großteil des Westflügels des Bürogebäudes, das seit 2017 dem Landkreis gehört, wurde bereits Ende November zur Unterkunft umgestaltet. Im früheren Sitzungssaal sind nun 52 Menschen untergebracht, im zweiten Obergeschoss sind es 56 Personen. Nach Angaben des Landratsamts sind im ersten Obergeschoss noch 68 Plätze frei, dazu kommen noch die 80 im ehemaligen Impfzentrum.

Dass die Immobilie nahe des Ebersberger Bahnhofs auf diese Weise genutzt werden kann, verschafft dem Landkreis eine kleine Atempause. Doch groß ist der Spielraum nicht mehr. Denn weiterhin kommen viele Menschen auf der Flucht vor Krieg und Unterdrückung nach Deutschland - und eben auch in den Landkreis. Bereits jetzt gibt es im Landkreis 82 staatliche Unterkünfte, in denen 1118 Personen leben. Einzelne weitere Immobilien habe das Landratsamt angeboten bekommen, so eine Sprecherin, diese Angebote seien aber noch in der Prüfung. Der nächste Bus mit Geflüchteten wird am 11. Januar in Ebersberg erwartet, wie es danach weiter geht, ist noch unklar.

Wie geht es weiter? Dazu wagt auch das Innenministerium keine Prognose

Auch das Innenministerium kann dazu nach eigenen Angaben "aufgrund des dynamischen und volatilen Zugangsgeschehens" keine seriöse Prognose abgeben. Wie sich etwa der Zugang von ukrainischen Kriegsflüchtlingen entwickeln werde, hänge von der Kriegsentwicklung und der humanitären Lage in der Ukraine ab. Bei dem Zugang an Asylbewerbern spiele nicht nur die Entwicklung der weltweiten Krisenherde, sondern unter anderem auch die Migrationspolitik der Bundesregierung eine zentrale Rolle, so eine Ministeriumssprecherin: "Aufgrund der vielfachen Anreize für eine zusätzliche Migration nach Deutschland, die die Bundesregierung in den vergangenen Monaten setzte und weiterhin setzt, gehen wir nicht davon aus, dass sich das derzeit hohe Zugangsgeschehen in den kommenden Monaten deutlich abschwächen wird."

Der Landkreis Ebersberg kann jedenfalls nicht damit rechnen, dass er einen Aufnahmestopp durchsetzen kann, wie ihn Landrat Robert Niedergesäß (CSU) schon einmal gefordert hatte. Ebersberg erfüllt die Quote aus dem Königsteiner Schlüssel, mit dem die Verteilung von Geflüchteten geregelt wird, derzeit nicht, man liegt bei 84,74 Prozent. Während man im Ebersberger Landratsamt darauf verweist, dass 100 Prozent und darüber im Moment fast ausschließlich Kommunen erreichen, die ein großes Ankerzentrum haben, gibt es Widerspruch aus dem Ministerium: "Auch mit einer ausreichenden Zahl an Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Unterkünften lässt sich die eigene Quote erfüllen, wie viele Landkreise und kreisfreien Städten auch beweisen."

Einig sind sich das Ministerium und das Landratsamt hingegen in einem: Die Nutzung von Bundesliegenschaften würde Entlastung bringen: "Das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration setzt sich daher bereits seit mehreren Monaten mit großem Nachdruck dafür ein, seitens des Bundes weitere Bundesliegenschaften zur mietzinsfreien Nutzung für die Asylunterbringung überlassen zu bekommen. Wir stehen in stetigem Kontakt mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) sowie dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, um auf die Dringlichkeit der Lage in den Kommunen aufmerksam zu machen und unserem Anliegen zur Durchsetzung zu verhelfen. Bislang waren die von der BImA im Verlauf diesen Jahres angebotenen Bundesliegenschaften aber sehr überschaubar." Daher halte man die Forderung nach der Unterstützung durch den Bund durch die Überlassung von deutlich mehr Liegenschaften aufrecht, da die bislang zur Verfügung gestellten Kapazitäten in Anbetracht des aktuellen Zugangsgeschehens bei Weitem nicht ausreichten.

Die Beschlagnahme von Immobilien wäre die "ultima ratio" - passiert ist das noch nie

Doch was würde passieren, wenn ein Landkreis sich weigern würde, weitere Geflüchtete aufzunehmen? Das Ministerium verweist darauf, dass es überall zunehmend schwierig werde, zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen. Die Kapazitäten seien nahe an der Vollauslastung. "Die Landkreise und kreisfreien Städte wurden daher schon seit September wiederholt auf die sich zuspitzende Lage sensibilisiert und eindringlich gebeten, mit Hochdruck neue Unterkünfte zu akquirieren. Hier ist jeder gefordert", heißt es aus dem Ministerium.

Sollten die Städte und Landkreise nicht genügend Unterkünfte anbieten, wären laut Ministerium theoretisch "in Einzelfällen mit Ausnahmecharakter Beschlagnahmen möglich, aber auch nur als ultima ratio und nur für eng begrenzte Zeiträume". Vorrangig wären andere Möglichkeiten auszuschöpfen. "Uns sind jedenfalls keine Fälle bekannt, in denen in der jüngeren Vergangenheit Flüchtlingsunterkünfte durch Beschlagnahme von Immobilien geschaffen wurden", so die Ministeriumssprecherin.

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