Geflüchtete im Landkreis:Verhängt Ebersberg einen Aufnahmestopp?

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Laut UNHCR waren Ende 2021 mindestens 89,3 Millionen Menschen auf der ganzen Welt gewaltsam vertrieben. Darunter sind fast 27,1 Millionen Flüchtlinge, von denen etwa die Hälfte unter 18 Jahren alt ist. (Foto: Catherina Hess)

Immer mehr geflüchtete Menschen suchen Schutz im Landkreis Ebersberg. Doch damit könnte bald Schluss sein, wie Landrat Robert Niedergesäß nun in einem Brief an den oberbayerischen Regierungspräsidenten fordert. Denn die Kapazitäten sind restlos ausgelastet.

Von Sina-Maria Schweikle, Ebersberg

Die Zahl der Geflüchteten im Landkreis Ebersberg steigt. Immer wieder begeben sich Menschen auf die Flucht und suchen Schutz vor Verfolgung, Krieg und Terror - und landen dabei auch in der Region. Vergangenen Dienstag erst kam ein Bus mit 50 Geflüchteten aus Syrien, der Türkei und Afghanistan an. Es war der zweite Bus binnen weniger Wochen, der in der Kreisstadt Ebersberg angekommen ist. Die insgesamt 100 Menschen sind nach Aussage des Landratsamtes nun in den 78 staatlichen Unterkünften für Geflüchtete im Landkreis verteilt worden. Ein weiterer Bus mit Geflüchteten soll nach den Herbstferien in Ebersberg ankommen, so Landrat Robert Niedergesäß (CSU).

Doch mit der Aufnahme von schutzsuchenden Menschen soll schon vorher Schluss sein. "Wir sind nicht mehr aufnahmefähig", sagt Niedergesäß. Die Unterkünfte seien voll, die Helferkreise teilweise aus- und überbelastet und die Krisen überschlagen sich. "Wir haben einfach keine Kapazitäten mehr." Deshalb hat er eine E-Mail an den oberbayerischen Regierungspräsidenten Konrad Schober verfasst und ihm mitgeteilt: "Es geht nicht mehr!" Seit Ausbruch des Ukrainekrieges habe sich die Anzahl der Unterkünfte für Geflüchtete von 30 auf knapp 80 erhöht, insgesamt seien rund 1770 Menschen aus der Ukraine im Landkreis untergekommen. Knapp über die Hälfte davon lebt in staatlichen Unterkünften. Welche Möglichkeiten, das fragt sich der Landrat, hat man für die Geflüchteten, die nun noch kommen sollen?

Eine Unterbringung in Turnhallen lehnt der Landrat ab

Natürlich kämen Fragen auf, ob man nicht die Turnhallen wieder für Geflüchtete öffnen oder erneut Traglufthallen aufstellt und ihnen damit eine Unterkunft bieten könne. Doch das lehnt Robert Niedergesäß entschiedenen ab. "Diese Art der Unterbringung ist nicht menschenwürdig", sagt er.

Ob man in München dem angeforderten Aufnahmestopp aus Ebersberg Folge leisten wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Denn die Aufnahmequoten der einzelnen Bundesländer und damit auch die Verteilung innerhalb des jeweiligen Bundeslandes ist festgelegt. Diese bestimmen, welchen Anteil der Asylbewerber jedes Bundesland aufnehmen muss und werden nach dem sogenannten "Königsteiner Schlüssel" festgesetzt. Er wird für jedes Jahr entsprechend der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder berechnet und regelt, wie viele nach Deutschland Geflüchtete auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden. Der Anteil für Bayern liegt 2022 bei 15,56 Prozent.

Dass eine würdevolle Unterbringung der Geflüchteten nun eine Rolle im Landratsamt zu spielen scheint, wird vermutlich nicht nur bei Helfern, wie Tobias Vorburg vom Markt Schwabener Verein "Seite an Seite" auf offene Ohren stoßen. "Es ist schön zu hören, dass es scheinbar einen Wandel im Landkreis gibt und man die Menschen würdevoll unterbringen möchte", sagt er. Für ihn sei dies eine positive Entwicklung im Umgang mit den Geflüchteten seit 2015.

Die Mitarbeiter im Landratsamt stoßen an ihre Grenzen

Doch es dürfte vermutlich nicht nur die Würde der Menschen sein, die der Landrat in seiner Entscheidung abgewogen hat. "Die Mitarbeiter sind ausgezehrt", sagt Niedergesäß und spielt damit auf hohe Arbeitsbelastung und auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in seiner Behörde ab. Dazu wolle man es den Bürgerinnen und Bürgern der Kreisstadt und in den umliegenden Gemeinden nicht zumuten, die Turnhallen für den Schulsport oder sonstige Veranstaltungen erneut zu schließen. Und auch die Krisen, die vor Ebersberg nicht Halt machen, spielen bei seiner Abwägung eine Rolle: Energiekrise, der Ukrainekrieg und die andauernde Corona-Pandemie. All dies würde sich auch auf die Arbeit mit den Geflüchteten auswirken - nicht nur m Landratsamt.

Ob der Bus mit den Geflüchteten im Herbst nun kommen wird oder nicht. Vielleicht wäre es wichtig in diesen Zeiten der Unsicherheit genau denjenigen Sicherheit zu geben, die sowieso schon alles zu verloren haben scheinen.

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