Anerkannte Flüchtlinge:Unterstützung bei Arbeitslosenanträgen

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Die deutsche Behördensprache wird den Flüchtlingen im Ebersberger Jobcenter in ihre Muttersprache übersetzt. Davon profitieren auch die Sachbearbeiter. (Foto: Christian Endt)

Das Jobcenter in Ebersberg hilft anerkannten Flüchtlingen beim Ausfüllen ihrer Anträge. Für die Mitglieder der Helferkreise ist das eine große Unterstützung.

Von Max Nahrhaft, Ebersberg

Dicht gedrängt sitzen die Zuhörer im Seminarraum im Jobcenter. Vorne steht eine Mitarbeiterin und trägt langsam den einstudierten Text vor, der auch an die Wand hinter ihr projiziert wird. Nach einigen Sätzen legt sie eine Pause ein. Dann wird es lauter im Raum. Zwei Übersetzer erklären das Gesagte. Acht von den Besuchern sind Eritreer und sprechen Tigrinya, die anderen fünf kommen aus Syrien und sprechen arabisch oder kurdisch - alles Männer. Nach wenigen Minuten haben sie alles verstanden und der Vortrag kann weitergehen.

Inhalt des Seminars ist das Arbeitslosengeld II. Die 13 Männer haben in der vergangenen Woche ihre Bescheide vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erhalten und sind nun anerkannte Flüchtlinge. Da sie noch keine Arbeit in Deutschland gefunden haben, können sie nun einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen. "Wir haben uns dazu entschieden, den Menschen bei der Antragstellung zu helfen, damit sie verstehen, welche Rechte und Pflichten sich daraus ergeben", erklärt Hermann Schmidbartl, der Geschäftsführer des Ebersberger Jobcenters. Nach dem Motto "Fördern und Fordern" werden die ehemals Geflüchteten und jetzigen Angekommenen genauso behandelt wie jeder andere, der arbeitslos ist.

Diese Hilfestellung ist bislang einzigartig

Doch was in Ebersberg passiert, ist einzigartig. Die Menschen, deren Sprachkenntnisse für die komplizierte deutsche Bürokratie noch nicht ausreichen, füllen gemeinsam mit den Übersetzern und den Mitarbeitern des Jobcenters die Anträge aus. Das hat immense Vorteil für beide Seiten. Die Menschen verstehen, was sie unterschreiben, aber auch den Sachbearbeitern fällt es leichter, die Anträge zu prüfen. Schon am nächsten Tag können diese bewilligt werden. "Das ist seit Januar gängige Praxis bei uns. Meines Wissens waren wir damals die einzigen in Bayern, die das so gemacht haben. Inzwischen schauen diese Methode aber immer mehr Landkreise von uns ab", so Schmidbartl.

Auch die Helfer sind begeistert. Giulia Hillebrand vom Helferkreis in Zorneding ist äußerst dankbar: "Der Kurs ist eine extrem große Hilfe. Ich bin wirklich erleichtert und wünsche mir, dass sich das Konzept weiter durchsetzt." Vorher dienten die Helfer als Verbindung zwischen den Ämtern und den Flüchtlingen und mussten jede Unklarheit einzeln regeln. Heute sei das anders, seitdem das Jobcenter so entgegenkommend ist.

Ohne Information keine Integration

"Damit Flüchtlinge ordentlich hier leben können, müssen sie auch darüber informiert sein, was sie dürfen und was nicht. Das ist ein wichtiger Schritt zu gelungener Integration", sagt Hillebrand weiter. Bevor nämlich im Seminar die Anträge und Formulare ausgefüllt werden, geht es um Grundsätzliches: Deutschland, ein Land mit Meinungsfreiheit, Toleranz, Religionsfreiheit, Frauenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Die Männer im Raum verstehen und sind froh hier zu leben. Hidray Bahlbi aus Eritrea ist überwältigt von seinen Gefühlen: "Es ist ein wunderschönes Erlebnis, hier legal zu leben. Ich bin dankbar für meine neue Heimat. Hier habe ich die Chance auf eine echte Zukunft."

Als Alleinstehende erhalten die anerkannten Flüchtlinge ohne Arbeit nun 404 Euro Arbeitslosengeld II im Monat - genauso viel wie alle anderen Arbeitslosen, um die sich das Jobcenter kümmert. Außerdem wird die Krankenversicherung und die Monatsmiete übernommen. Ein weiterer Teilnehmer des Seminars, der 38-jährige Khalil Daher, hat gute Chancen, eine Wohnung zu finden, da ihm eine Helferin bei der Suche geholfen hat. Doch damit ist er die Ausnahme. Eigentlich müssten alle anerkannten Asylbewerber die Unterkünfte verlassen, aber die Situation ist prekär. "In meinem Container hat noch niemand eine Wohnung gefunden", sagt Bahlbi. Für ihn ist sein jetziger Schlafplatz immer noch ein Container und keine Wohnung.

Nicht die erste Wahl auf dem Immobilienmarkt

Obwohl das Jobcenter für eine monatliche Miete zwischen 500 Euro und 600 Euro aufkommt, finden die meisten schlichtweg keine eigene Bleibe. In der Region München herrscht akute Wohnungsnot und auch im Landkreis Ebersberg wird es immer schwerer, bezahlbare Wohnungen zu finden. "Der Markt ist völlig überhitzt", sagt Schmidbartl. Die Flüchtlinge haben zudem eine schlechtere Ausgangsposition auf der Wohnungssuche. Einerseits sind viele von der selbständigen Suche überfordert, andererseits sind Flüchtlinge auch nicht immer die erste Option für den Vermieter, wenn mehrere Bewerber zur Auswahl stehen.

Bisher sind über 200 Menschen mit Fluchthintergrund auf die Leistungen des Jobcenters angewiesen. Hermann Schmidbartl kalkuliert aber langfristig mit insgesamt 800 Personen, die zu ihm in das Jobcenter kommen werden, sobald sie vom Bamf anerkannt wurden. Die meisten davon werden Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren sein. "Das ist ein riesiges Potenzial, wenn wir es nutzen und die Menschen integrieren", so der Leiter des Jobcenters. Im Moment verfügt das Jobcenter über ein Jahresbudget von gut 200 000 Euro, um damit zum Beispiel berufsfachliche Deutschkurse anzubieten. Das sei aber viel zu wenig und mache das Jobcenter fast handlungsunfähig. Nötig seien mindestens 500 000 Euro, wenn nicht noch mehr, um die Angebote angemessen finanzieren zu können.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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