Inklusion im Landkreis Ebersberg:Und jetzt alle

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Zum Abschluss des Besuchs der französischen Delegation gibt es im Ebersberger Alten Speicher einen gut besuchten Tanzabend. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Unter dem Motto "Alors on danse" hat die Stadt Ebersberg am Mittwochabend auf einen inklusiven Tanzabend mit der französischen Delegation der Special Olympics eingeladen. Bis in die Nacht hinein wurde zusammen gefeiert, gerockt und gelacht.

Von Moritz Rosen, Ebersberg

Es ist kurz nach sieben Uhr am Mittwochabend, als der Alte Speicher schlagartig zum Leben erwacht. Nach ein paar Begrüßungsworten an die Gäste im Saal, hallt euphorischer Jubel durch die Reihen - und schon stehen ein Dutzend Mitglieder des Ebersberger Trachtenvereins parat. Mit einem Paartanz und einem Schuhplattler wirbeln sie umher, bevor es ans Eingemachte geht: Jetzt sind die Gäste an der Reihe - auf geht's! Unter leichtem Gejohle bilden sich Paare, immer ein Mitglied der Trachtler und ein Gast. Eine Mordsgaudi! Einer der Gäste lässt seine Partnerin vom Trachtenverein gar fünf Umdrehungen an seinem Finger machen! Ein bisschen schwindelig ist ihr am Ende dann aber schon - doch halb so schlimm, hat schließlich Spaß gemacht!

Es war eine große Feier, die die Stadt Ebersberg als Abschluss für den Besuch der 94-köpfigen französischen Delegation der Special Olympics veranstaltet hat: ein inklusiver Tanzabend gemeinsam mit den olympischen Athletinnen und Athleten aus elf verschiedenen Disziplinen bei freiem Eintritt, bevor sie am Donnerstag wieder abreisen sollten - denn am Samstag beginnt schließlich das Sportturnier für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in Berlin und damit der eigentliche Grund, weshalb sie nach Deutschland gereist sind. Im Vorfeld wurden mehr als 200 Vertretungen der teilnehmenden Länder auf sogenannte Host Towns verteilt. Auch Ebersberg bewarb sich und bekam passend zur Partnerstadt Yssingeaux im südwestlichen Frankreich die französische Delegation zugewiesen.

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Schon vor dem Beginn der eigentlichen Veranstaltung tummeln sich mehr Menschen als an einem gewöhnlichen Mittwochabend um das Ebersberger Einkaufszentrum. Im Klang der Stimmen mischt sich das übliche Deutsch und Bairisch - und ganz viel Französisch natürlich. Die Mitglieder der Delegation sind gut an ihren roten T-Shirts und dunkelblauen Trainingsanzügen zu erkennen. Im Schein der Abendsonne gibt's noch ein Eis, bei den Mutigeren sogar eine typisch bayerische Leberkäs-Semmel. Die meisten von ihnen sind aber noch im Klosterbauhof, wo auf dem aufgeschütteten Beachvolleyballplatz bis vor wenigen Minuten ein inklusives Sporttraining stattgefunden hat. Bei all dem Gelächter und Gejohle der vielen jungen Menschen gleicht die Stimmung der einer entspannten Klassenfahrt.

Nachdem wenig später die Trachtler den Tanzabend mit ihrer Einlage eröffnet hatten, betritt die inklusive Band Das rote Motorrad mit Musizierenden aus dem Einrichtungsverbund Steinhöring die Bühne. Mit einem Rock-Song bringen sie die Gäste sofort auf die Tanzfläche. Unter dem charakteristischen "Dam-Dam" aus dem Lied "Marmor, Stein und Eisen bricht" tanzen französische und deutsche, junge und alte, kleine und große Gäste mit- und nebeneinander. Nur das spontane Mitsingen deutscher Liedtexte, damit klappt es dann doch noch nicht so gut.

Nach und nach betreten mehr Gäste den Saal, viele mit einem Kaltgetränk, andere mit einem Kind an der Hand. Auch eine Gruppe jugendlicher Mädchen, die zu Beginn noch etwas schüchtern am Eingangsbereich standen, hat mittlerweile ihren Weg auf die Tanzfläche gefunden. Kein Wunder: Die Bandmitglieder klatschen und heizen die Menge ordentlich an. Nach einer Stunde Musik mit Gitarren-, Mundharmonika- und sogar Panflötensolos beendet die Band unter langanhaltendem Applaus ihren Auftritt.

Am Ende gab es wohl niemanden, der sich nicht in die tanzende Menge geschoben hat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Anschluss ergreift Peter Hölzer das Mikrofon. Er ist hauptverantwortlich für die Organisation des Programms für die Delegation - und ist nach den vergangenen Tagen geschafft, wie er vor der Veranstaltung verriet. Aber vor allem ist er eines: überglücklich. Begeistert sei er davon, wie gut die Atmosphäre in der Delegation sei und das alles funktioniert hätte. Trotz der vielen Programmpunkte hätte es genug Zeit gegeben, sich zu erholen, bei Bedarf auch individuell angepasst. So hätten die Betreuer einzelne Personen, die etwas Pause brauchten, zur Seite genommen und seien beispielsweise gemeinsam spazieren gegangen. Überhaupt sei er begeistert davon, wie gut die Betreuenden auf die jeweiligen Bedürfnisse der Sporttreibenden eingehen.

Auf der Bühne nun bedankt er sich bei der französischen Delegation. Als Zeichen der Freundschaft und Verbundenheit überreicht er ihnen eine der beiden Fackeln, die beim Fackellauf ein paar Stunden zuvor verwendet wurden. Die andere bleibe "als Erinnerung an die tollen vergangenen Tage" in Ebersberg.

Die Athletinnen und Athleten hatten in Ebersberg die perfekten Bedingungen, um sich gegenseitig kennenzulernen

Auch der Leiter der französischen Delegation, Antoine Fournier, bedankt sich überschwänglich für die beeindruckende Organisation und die Art und Weise wie man aufgenommen wurde. So konnten sich die Athletinnen und Athleten nicht nur untereinander gut kennenlernen, wie er abseits der Bühne zuvor verraten hat, sondern auch zu Menschen im Landkreis hätten sich Kontakte gebildet - zum Beispiel beim Besuch des Einrichtungsverbundes in Steinhöring oder dem gemeinsamen Basketballtraining mit der Mittelschule Ebersberg. Das alles hätten sie sich vorher niemals vorstellen können, jetzt seien sie gestärkt für Berlin, sagt er nun auf der Bühne. Dann überreicht er ein weißes Poloshirt mit den Unterschriften der ganzen Delegation.

Nach einer kurzen Verschnaufpause betreten zwei DJs die Bühne. Das erste Lied war - wie sollte es auch anders sein - "Alors on danse" des französischen Musikers Stromae. Ein Stück, das auf beiden Seiten des Rheins bekannt und beliebt ist. Von einer Sekunde auf die andere ist die Tanzfläche voller feierwütiger Menschen, die sich begeistert im Takt der Musik bewegen, ab und zu auch eine Person im Rollstuhl.

Das bunte Treiben wird erst durch Tina Germeier von der TSG Da Capo unterbrochen, als sie strahlend die Bühne betritt. "Mein Französisch ist ganz schlecht", sagt sie. "Aber nachdem ich euch tanzen gesehen habe, freue ich mich und möchte mit euch sprechen." Tatsächlich ist auch diese Barriere mit Hilfe der Dolmetscherin schnell überwunden. Eins, zwei, drei, vorwärts, rückwärts, links und rechts - mehr braucht es nicht, um den Anwesenden einen einfachen Line-Dance beizubringen. Da hat die Tanzlehrerin auf jeden Fall recht behalten mit dem, was sie zuvor auf der Bühne zur Menge sagte: "Das Tanzen braucht keine Sprache."

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