Man wird von farbenfrohen Bannern in Türkis und Rosa begrüßt, wenn man die nächsten zwei Wochen in die Galerie des Rathauses Ebersberg steigt. Nur die Fotografien auf den Bannern - sie zeigen Gesichter von Menschen aus ganz Bayern - sind schwarz-weiß. Unter den Gesichtern stehen Namen wie André oder Tenzin und deren Diagnosen: Burnout und Persönlichkeitsstörung, Depressionen und Burnout. In deutlich größeren Lettern liest man ihre Botschaften: "Du bist nicht allein" oder "Jede Erfahrung, die mir geholfen hat, möchte ich mit anderen teilen".
Auch Stephanie Greskötter ist mit dabei. Sie ist die Gründerin der Initiative Selbsthilfe Ebersberg und dafür verantwortlich, dass die Wanderausstellung "Ein WIR ist stärker als ein ich" nach Ebersberg kam. Sie habe jedoch viel Unterstützung erhalten, etwa von den Sozialpsychiatrischen Diensten Ebersberg (SPDI) und vom Ebersberger Rathaus.
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Die Ausstellung selbst ist vom Starnberger Verein Mutmachleute ins Leben gerufen worden, der sich gegen Stigmatisierung psychisch Kranker einsetzt. Sie ist simpel gehalten: Menschen bringen den Mut auf, sich und ihre Diagnosen zu zeigen und zu vermitteln: "Ich bin ein Mensch und nicht meine Diagnose."
So drückt es Tina Meffert von den Mutmachleuten aus, die an diesem Dienstag die Ausstellung eröffnete. Sie sei überzeugt, dass Entstigmatisierung nur gelingen kann, wenn sie aus der Mitte der Gesellschaft erfolgt.
Sie selbst ist Betroffene mehrerer psychischer Erkrankungen und musste sich öfters Sprüche anhören wie: "Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank." In den Augen vieler sei sie nicht "normal" genug gewesen. Der Verein und die Ausstellung wollen Menschen Mut machen, zu fragen, was "normal" überhaupt bedeutet und was psychisch Kranke von der Gesellschaft brauchen, wie Meffert sagt.
Gesundheitsrisiko:"Von außen sieht man meine Einsamkeit nicht"
Wie lebt es sich mit Einsamkeit? Vier Betroffene berichten, wie es ist, wenn das Alleinsein unerträglich wird - und was ihnen hilft.
Das ist zunächst einmal Toleranz und Verständnis. Stephanie Greskötter nimmt in ihrer Rede Bezug auf das Thema der derzeit laufenden Wochen der Toleranz, nämlich "Leben.Sinn.Suche". Die Menschen auf den Bannern seien ratlos, verzweifelt und traurig, aber auch mutig, sie würden nicht aufgeben.
Allerdings sei deren Krankheit oft nicht sichtbar, was eine tolerante Haltung erschweren würde. Im Grunde hätten jedoch alle mit psychischen Erkrankungen zu tun, sei es unmittelbar oder wegen Kollegen, Freunden, Verwandten. Deswegen sei es wichtig, einen gesellschaftlichen Dialog über diese Themen zu beginnen, betont auch Ebersbergs Zweiter Bürgermeister Günter Obergrusberger (CSU).
Wobei die Schwierigkeit oft bereits darin liege, die richtigen Worte zu finden, wie Grünen-Kreisrätin Ottilie Eberl sagt: Was soll ich meinem Freund oder Kollegen antworten, wenn er sich mir gegenüber öffnet? Was würde helfen? Wird er wieder gesund? Sprachlosigkeit basiere oft auf Unwissen und Hilflosigkeit. Das Resultat: "Es wird mehr geschwiegen als geredet." Sie sieht Politiker in der Pflicht, sich des Themas an- und ihre Rolle als Multiplikatoren wahrzunehmen.
Einer von fünf Menschen erkrankt in seinem Leben an einer Angststörung
Denn noch ist es ein weiter Weg. Das sieht auch Peter Zwanzger so. Er ist Psychiater und Chefarzt der Allgemeinpsychiatrie am kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg und seit über 30 Jahren in diesem Beruf tätig. Er sieht, dass das Thema psychische Krankheiten in der Gesellschaft präsenter wird. Allerdings sei die Angst vor diesen Krankheiten und den Erkrankten immer noch groß, auch weil sie in den Medien oft reißerisch dargestellt würden.
Er sagt, es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, gegen diese Krankheiten zu kämpfen. Einer von fünf Menschen wird in seinem Leben eine Angsterkrankung erleiden, einer von acht eine depressive Episode. Claudia Kronseder, Leitung des SPDI, berichtet von 1000 betreuten Klienten im Jahr, die allerdings sicher nur "die Spitze des Eisbergs" seien.
Zwanzger bedankt sich deswegen für die "riesen Hilfe", die die Selbsthilfe leistet, betont jedoch auch, dass alle mehr Einsatz zeigen könnten, psychische Erkrankungen zu verstehen. Nicht zuletzt in der Familie. Andreas Dassner, ebenfalls vom Verein Mutmachleute, berichtet von seiner Tochter, die er fast an eine Magersucht verloren hätte. Die Familie konnte gestärkt daraus hervorgehen, deswegen sein Appell: "Sprecht mit allen. Das ist die erste Maßnahme für Zusammenhalt." Alles was es dafür braucht, ist ein bisschen Mut.
Die Ausstellung "Ein WIR ist stärker als ein ich" ist bis zum 20. November in der Galerie des Rathauses Ebersberg, Marienplatz 1, zu sehen. Am 14. November findet im Rathaus außerdem der "Tag der Selbsthilfegruppen" statt. Von 16 bis 18 Uhr können Besucher mit Leitern von Selbsthilfegruppen in Austausch treten.