Gymnasium Poing:Top, die Wette gilt

Lesezeit: 4 min

Zahlreiche Eltern und Kinder hatten sich jüngst an der Poinger Bergfeldstraße versammelt, um für den sofortigen Bau des fünften Landkreisgymnasiums zu demonstrieren. (Foto: Christian Endt)

Jetzt ist es amtlich: Die Großprojekte Gymnasium Poing und Berufsschule in Grafing Bahnhof sollen erst 2025 in die Umsetzung gehen. Zur Beruhigung der hitzigen Debatte dürfte diese Entscheidung des Ebersberger Kreistags wohl kaum beitragen.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg/Poing

Thomas Gottschalk war zwar nirgends zu sehen in der jüngsten Sitzung des Ebersberger Kreistags, dennoch lag ein Hauch von "Wetten dass..?" in der Luft. Unter den Augen der durchaus zahlreichen Zuschauer bewarben sich Landrat Robert Niedergesäß (CSU) und Kreisrat Albert Hingerl (SPD) um den Titel des Wettkönigs. Letzterer trat mit der Behauptung an, dass es auch im Jahr 2025 nicht sonderlich besser um die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen bestellt sein wird, als das im Moment der Fall ist. Niedergesäß hielt mit dieser Aussage dagegen: "Lieber Albert Hingerl, ich wette mit dir, dass das Gymnasium Poing nächstes Jahr von der Warteliste genommen wird." Gut möglich, dass beide Kandidaten am Ende Recht behalten werden - was wiederum die hitzige Debatte um das fünfte Landkreisgymnasium nicht unbedingt befrieden dürfte.

In den vergangenen Wochen hatte diese so richtig an Fahrt aufgenommen. Zunächst rief eine Poinger Initiative zu einer Kundgebung am künftigen Standort der Schule auf, vergangene Woche legten die örtlichen Gemeinderäte mit einer Resolution an den Landkreis und durchaus scharfer Kritik an Landrat und Kreisräten nach. Diese waren nun am Montagnachmittag zusammengekommen, um über das weitere Vorgehen in Sachen Gymnasium Poing und der geplanten Berufsschule in Grafing Bahnhof zu entscheiden. Wie sich bereits abgezeichnet hat, sprach sich eine Mehrheit des Gremiums dafür aus, beide Großprojekte noch ein weiteres Jahr auf der sogenannten Warteliste zu lassen und erst 2025 in die konkrete Umsetzung zu gehen - vorbehaltlich der Sicherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit von Landkreis und Kommunen, wie es explizit im Beschluss heißt.

Bildung im Landkreis Ebersberg
:"Wir lassen uns nicht verarschen"

Eine öffentliche Äußerung von Landrat Robert Niedergesäß (CSU) verärgert die Poinger Gemeinderatsmitglieder. Darum verabschieden sie nun eine zweiten Resolution an den Landkreis zur Realisierung des Gymnasiums.

Von Johanna Feckl

Genau um das Wort "vorbehaltlich" drehte sich schließlich auch die Debatte, die der Wettkönig-Anwärter und ehemalige Poinger Bürgermeister Albert Hingerl anstieß. Der Landkreis werde auch in den nächsten zehn Jahren keine 200 Millionen Euro haben, um die beiden Schulen zu bauen, sagte er mit Blick auf das vom Landratsamt vergebene Preisschild für Gymnasium und Berufsschule. "Aber verdammt nochmal, irgendwie müssen wir das doch finanzieren", so Hingerl, der damit argumentierte, dass man sich für den Bau der Schulen ohnehin verschulden müsse. Das Wort "vorbehaltlich" könne man also auch streichen und sich stattdessen darauf verständigen, die Projekte auf jeden Fall im nächsten Jahr anzugehen. "Woher soll das Geld kommen? Auf was hoffen wir?", fragte der SPD-Kreisrat in die Runde. Unterstützung bekam er von der Poinger CSU-Kreisrätin Christa Stewens, die Hingerls Anliegen in nicht weniger pointierte Worte packte: "Glauben wir, es kommt Goldmarie und schüttet uns die Dollar auf unseren Landkreis?"

Eine rhetorische Frage zwar, auf die Wettkönig-Mitbewerber Robert Niedergesäß dennoch eine Antwort gab. Der Landrat erklärte, man müsse das Jahr 2024 intensiv nutzen, um sich Mittel und Wege zu überlegen, wie man den Preis drücken könnte. "Wir müssen die Schulen günstiger realisierbar machen, damit sie realisierbar sind", so Niedergesäß. Es gebe durchaus Möglichkeiten, die Projekte preiswerter umzusetzen. Dafür sei jedoch eine seriöse Planung notwendig. "Wir brauchen dieses Jahr noch", sagte der Landrat - und erteilte damit auch den Forderungen von Eltern und Lokalpolitikern aus der Gemeinde Poing eine Absage, den Bau des Gymnasiums unverzüglich anzugehen.

Auf ein Gesprächsangebot des Landrats ist man in Poing offenbar nicht eingegangen

Ohnehin war Niedergesäß nicht gerade glücklich darüber, was er aus dem Landkreisnorden in jüngster Zeit zu hören bekam. "Was da im Gemeinderat passiert ist, das trägt nicht unbedingt zum Miteinander bei", sagte der Landrat über die Sitzung des Gremiums am vergangenen Donnerstag, als einige Mitglieder den Chef der Kreisbehörde scharf kritisiert hatten. Dabei habe er selbst bereits vor einigen Wochen ein Angebot zum persönlichen Austausch gemacht, das seitens der Gemeinde bisher jedoch ausgeschlagen worden sei. "Ich bin schon etwas enttäuscht darüber, dass man ein direktes Gesprächsangebot nicht annimmt", so Niedergesäß. Auch die besagte Resolution liege ihm bis heute nicht vor.

Für Ärger bei den Poinger Gemeinderäten hatte besonders die Aussage des Landrates gesorgt, wonach es im benachbarten Markt Schwaben noch 17 freie Klassenzimmer am dortigen Gymnasium geben würde. Das ist von ihm "unglücklich kommuniziert" worden, wie Niedergesäß nun einräumte. Er habe die Aussage des Schulleiters, ohne sie zu überprüfen, in die Öffentlichkeit getragen, was er bedauere. Dennoch stellte der Landrat klar, dass es in Markt Schwaben sehr wohl räumliche Kapazitäten gebe, um die Übergangsphase bis zum Bau des Poinger Gymnasiums zu überbrücken.

SZ PlusMeinungDebatte um fünftes Landkreisgymnasium
:Ein fataler Kommunikationsfehler

Dass der Landrat gleich zweimal eine falsche Zahl behauptet, wenn es um die aktuell freien Klassenzimmer am Markt Schwabener Gymnasium geht, und sie nicht kontextualisiert, hätte in einer solch emotionalen Debatte wie der um das Poinger Gymnasium nicht passieren dürfen.

Kommentar von Johanna Feckl

Dass dieses gebaut wird, daran ließ der Landrat keinen Zweifel: "Die Dringlichkeit ist uns bewusst." Allerdings sei das Gymnasium eine Schule für den gesamten nördlichen Landkreis und nicht nur für die Gemeinde Poing - und deshalb müsse man bei der Planung auch den gesamten Landkreis mitsamt seiner Kommunen im Blick haben. "Wir leben schließlich nicht auf einer einsamen Insel", sagte Niedergesäß, der klarstellte, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinden gesichert sein müsse. Deshalb wird das Poinger Gymnasium - genauso wie die Berufsschule Grafing Bahnhof - nochmals eine Ehrenrunde auf der Warteliste drehen.

Auf diese Entscheidung verständigten sich die Mitglieder des Kreistags mehrheitlich. "Alles andere wäre nur eine Beruhigungspille für aufgeheizte Gemüter", wie etwa Manfred Schmidt (AfD) sagte. Alexander Müller (FDP) erhoffte sich derweil durch das weitere Jahr Vorlaufzeit eine bessere Entscheidungsgrundlage zu bekommen, während Toni Ried (Freie Wähler) betonte, man dürfe die finanzielle Situation der Kommunen nicht aus den Augen verlieren. Untersuchungen für eine kostengünstigere Bauweise seien daher zu begrüßen.

Kritik kam neben den drei Poinger Kreisräten - Christa Stewens, Albert Hingerl und Günter Scherzl - vor allem aus den Reihen der Grünen. Reinhard Oellerer rechnete vor, dass der Landkreis in den kommenden Jahren einen 150 Millionen Euro großen Schuldenberg vor sich herschieben werde. Eine von der Ökopartei geforderte Priorisierung der Schulen, wonach nächstes Jahr zunächst das Gymnasium von der Warteliste genommen werden soll und die Berufsschule erst später, lehnte das Gremium ab. Die endgültige Entscheidung, ob die Poinger Schule gebaut wird, soll also im Herbst 2024 fallen. "Wir sitzen hier in einem Jahr wieder und beschließen", sagte Landrat Niedergesäß. Dann heißt es endgültig: Top, die Wette gilt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Einwohnerprognose
:Wohin werden wir wachsen?

Das Ebersberger Landratsamt legt aktuelle Zahlen zur Einwohner- und Schülerprognose vor. Daraus lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie sich der Landkreis in den kommenden Jahren entwickeln wird - und warum am Bau des Poinger Gymnasiums kein Weg vorbeiführt.

Von Andreas Junkmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: