Kultur im Landkreis:Fröhlicher Abgesang

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Ein Konzert zum Abschied: Der Ebersberger Landfrauenchor probt in der Landwirtschaftsschule für seinen letzten großen Auftritt. (Foto: Christian Endt)

Nach 40 gemeinsamen Jahren beschließen die Ebersberger Landfrauen, nicht zu warten, bis die Überalterung ihnen das gemeinsame Singen im Chor unmöglich macht - und geben zum Abschied ihr letztes - und bisher einziges - Konzert. Ein Probenbesuch.

Von Anja Blum, Ebersberg

In diesem Chor wird das Zwerchfell wirklich ausgesprochen intensiv trainiert. Beim Singen freilich, ja, aber vor allem beim herzhaften Lachen. "Normalerweise geht es hier nicht so zivilisiert zu", sagt eine der 20 Damen nach den ersten beiden Stücken, aber heute sei ja Generalprobe, da müsse man sich eben schon ein bisserl zamreißen. Und prompt: schallendes Gelächter.

So ganz ernst nehmen diese Landfrauen sich und ihr Ensemble nicht, es herrscht wohltuende Ausgelassenheit. Die Gemeinschaft, die Geselligkeit sei das Wichtigste, sagt eine der Damen, sodass Chorleiterin Eva Mrosek sogleich ernst dreinschauen muss: "Und das Singen?" Ja, das sei natürlich auch wichtig. "Das tut einfach der Seele gut", hört man da, es mache glücklich und setze ungeahnte Energien frei. "Oft komme ich müde hierher, aber danach geht es mir wieder gut", erklärt eine der Sängerinnen, während die anderen fleißig nicken.

Trotz des bevorstehenden Abschieds herrscht unter den Sängerinnen beste Stimmung

Hier erklingt also ein gut gelauntes Loblied auf das Singen - dabei wäre eigentlich alles andere zu erwarten gewesen. Dieser Chor nämlich hat nun beschlossen, sich nach 40 Jahren selbst aufzulösen. Ein Jubiläumskonzert am kommenden Samstag in Grafing wird sein Abschied sein. Trotzdem herrscht bei dieser letzten Probe alles andere als Grabesstimmung, sondern Begeisterung und Vorfreude. Da werden gemeinsam nochmal die sängerischen Tiefen wie Höhen ausgelotet und ein paar "Wackelkandidaten" geübt, bevor es an den Gesamtdurchlauf des Programms geht. Und sollte mal ein Detail wie eine Punktierung nicht ganz korrekt sein, gibt Chorleiterin Mrosek sich höchst pragmatisch: "Wenn wir das alle so machen, dann passt das schon."

Landfrauen aus dem ganzen Landkreis sind an diesem Abend in die Landwirtschaftsschule in Ebersberg gekommen, um gemeinsam zu singen. Die großen Fenster sind weit geöffnet, sie geben den Blick frei ins Grüne und lassen die letzten Sonnenstrahlen herein. Die Sängerinnen haben sich um ein Klavier und ihre Dirigentin herum gruppiert. Man sieht so manchen grauen Schopf und ein paar geblümte Oberteile, wie wahrscheinlich in jedem anderen Chor auch.

Der traditionsreiche Landfrauenchor des Landkreises Ebersberg steht unter dem Dach des Bauernverbands. Ziel ist die Pflege von Brauchtum und Mundart. Das heißt: Auf dem Programm steht bayerisches Liedgut, mal frech und witzig, mal gefühlvoll, mal ernst, aber immer im wunderschönen Dreisatz und im Dirndl präsentiert.

Auf dem Programm steht bayerisches Liedgut, in Dirndl und Dreisatz präsentiert. (Foto: Veranstalter)

Gegründet wurde der Chor 1982 unter der Leitung von Hannes Zottl, auf ihn folgten Adolf Reis und Elisabeth Hamel. Seit fünf Jahren hat nun Eva Mrosek aus Grafing die Sängerinnen unter ihrer Führung. "Aber erst sie hat es geschafft, dass wir auswendig singen - zumindest fast", erklärt eine der Damen. Und erntet freilich wieder große Erheiterung.

"Ja, ich hab sie sehr gedrillt", gesteht Mrosek. Aber auch sie selbst habe etwas von ihren Sängerinnen gelernt, diese Proben seien nämlich ein hervorragender Bairisch-Kurs. Und wahrscheinlich hat die Chorleiterin auch gestaunt, wie sehr das gemeinsame Singen und Lachen zusammenschweißt, denn dieses Ensemble ist durchaus integrativ: Nicht alle 20 Frauen sind Bäuerinnen, genauso wenig wie alle ursprünglich aus Bayern stammen. Und auch die Altersspanne greift weit, die jüngste Sängerin ist 39, die älteste 86 Jahre alt.

Wie die allermeisten anderen Chöre kämpfen die Landfrauen mit Überalterung und Schwund

Trotzdem hat den Ebersberger Chor nun ein Schicksal ereilt, mit dem sehr, sehr viele Sängergemeinschaften zu kämpfen haben: Überalterung und Schwund. Auch die Landfrauen sind gemeinsam älter geworden, sechs Damen der aktuellen Besetzung sind tatsächlich bereits seit der Gründung des Chors vor 40 Jahren mit dabei. Doch die Stimmen werden mit der Zeit freilich nicht besser, so manche treue Seele hat das Ensemble deswegen bereits verlassen, die 20 Aktiven von heute empfinden sich als mehr oder weniger kläglichen Rest. "Vieles haben wir probiert, um Nachwuchs zu bekommen, aber alles vergeblich", erklärt eine der Sängerinnen. "Und wenn mal jemand Neues dazustößt, ist er auch schon 50 plus."

Für Chorleiterin Eva Mrosek sind die Proben ein hervorragender Bairisch-Kurs. (Foto: Christian Endt)

Zudem hat in den vergangenen zwei Jahren die Pandemie allen Chören erheblich zugesetzt und zu Kollateralschäden geführt. Das gemeinsame Singen war teils gar nicht möglich, teils nur unter strengen Auflagen. "Auch wir haben es probiert, mit jeweils zwei Metern Abstand zu singen, oder aufgeteilt in zwei Gruppen - aber das war alles sehr schwierig", heißt es vonseiten der Ebersberger Landfrauen. Außerdem, so Mrosek, hätten längere Pausen in der Chorarbeit sofort deutliche Auswirkungen. Sowohl stimmlich als auch mit Blick auf die Motivation, abends noch das Sofa zu verlassen, um dreistimmige Lieder zu lernen und zu üben.

Es herrschte also einiger Frust - als jemandem auffiel, dass der 40. Geburtstag des Chors vor der Tür stand. Da waren sich die Sängerinnen dann schnell einig, dass man diesen gebührend feiern wolle, mit, man staune, einem allerersten selbst organisierten Konzert. Bisher nämlich hatten die Ebersberger Landfrauen immer im Rahmen irgendwelcher Veranstaltungen gesungen, bei Maiandachten, Hochzeiten oder Christkindlmärkten. Nun lädt der Chor also erstmals selbst ein, zum Jubiläumskonzert am Samstag, 3. September, um 20 Uhr in die evangelische Kirche in Grafing. Neben bayerischen Liedern gibt es Volksmusik von der - ebenfalls rein weiblichen - Instrumentalgruppe Flauti Diversi zu hören sowie ausgewählte Mundartgedichte.

Diese herzliche Karikatur ziert den Flyer zum Konzert. Gezeichnet hat sie Eva Orinski aus Ottenhofen, Kinderbuchautorin und IFS-Therapeutin. (Foto: Veranstalter)

Das Motto des Jubiläumskonzerts lautet: "Wia's Leben so spuid" - und bekanntermaßen hat eben alles mal ein Ende, nun auch dieser Chor. Die Landfrauen nämlich haben befunden, dass der runde Geburtstag ein "toller Zeitpunkt" sei, Abschied zu nehmen, auch wenn diese Entscheidung niemandem leicht gefallen sei. Man müsse aber in einem Moment gehen, wo das Publikum sage: "Schod is!" - anstatt abzuwarten, bis es wirklich nicht mehr gehe, so der Tenor unter den Sängerinnen. Und so werden sie am Ende ihres Konzerts ein Lied anstimmen, das den Zuhörern vermutlich unter die Haut geht: "Weils nacher Zeit is, so sogn ma hiaz: Pfüat Gott! / Weils nacher Zeit is: Guat Nacht! / Es draht si d Welt, sie is so rund, vorbei geht a die schönste Stund." Was bleibt, ist nur die Hoffnung auf ein Wiedersehen, formuliert im allerletzten Vers: "Mir kemman a wohl wieder zam".

40 Jahre "Landfrauenchor des Landkreises Ebersberg": Jubiläumskonzert am Samstag, 3. September, um 20 Uhr in der evangelischen Kirche in Grafing, der Eintritt ist frei.

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