Ebersberg:Zwischen 65 und 75? Mitbewohner gesucht!

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Die Original-Besetzung der Hausgemeinschaft, wie sie hier fast vollständig zu sehen ist, wird es bald nicht mehr geben. Doris August (dritte v. l.) und Hans Vollhardt (rechts) hoffen auf einen passenden neuen Mitbewohner. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei der Ebersberger Senioren-Hausgemeinschaft "Salwe" gibt es eine Vakanz. Corona erschwert es, Gleichgesinnte zu finden.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Das mit dem Planen ist so eine Sache: Am Ende ist die ganze Mühe dann doch oft für die Katz gewesen. In diesem Fall trifft das recht gut zu: Die Senioren-Hausgemeinschaft "Salwe" in Ebersberg hat vor eineinhalb Jahren damit begonnen, einen Freundeskreis aufzubauen, um das Fortbestehen des Wohnprojekts auch nach möglichen Auszügen aktueller Bewohnerinnen und Bewohnern zu sichern. Doch dann kam Corona. Nichts von dem geplanten langsamen und dadurch intensivem persönlichen Kennenlernen hat geklappt. Und nun ist genau das eingetreten, was durch den ursprünglichen Plan verhindert werden sollte: Eine Bewohnerin zieht aus, ihre Wohnung wird bald für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin bereit stehen - aber eine passende Person ist bislang nicht in Sicht.

Salwe, das ist kurz für "Sozial und Alternativ Leben und Wohnen in Ebersberg"; eine Hausgemeinschaft für ältere Menschen, in der sich die Bewohnerinnen und Bewohner untereinander helfen und unterstützen, sich aber nicht gegenseitig pflegen. Dass sich die Senioren vor dem Einzug in das Haus kennenlernen und miteinander Zeit verbringen, war allen Beteiligten wichtig. Schließlich sollte die Chemie stimmen, damit ein solches Vorhaben überhaupt gelingen kann. Und: Das Zusammenleben sollte vertraglich geregelt werden.

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Das Haus im Ebersberger Stadtteil Friedenseiche VII, in dem die neun Seniorinnen und Senioren - drei Ehepaare und drei alleinstehende Frauen - nun seit etwas mehr als neun Jahren leben, haben sie mitgeplant. Besitzer ist die Wohnungsbaugenossenschaft Wasserburg. Das hat praktische Gründe: Wenn einer von ihnen sterben würde, dann hätte keiner der übrigen Bewohner Einfluss darauf, was mit der Wohnung passiert - letztlich würden das die Erben entscheiden. Im Sinne der Hausgemeinschaft wäre ein solcher Fall freilich nicht. Denn es soll ja weitergehen mit der Salwe, dann eben mit neuen Mitmietern.

Und einen davon braucht es jetzt: Aus gesundheitlichen Gründen zieht eine Frau aus der Salwe-Originalbesetzung zum Mai hin aus. Das sei absehbar gewesen - Glück für die Bewohnerin, dass es mit dem Umzug nun schneller klappt als erwartet. Pech allerdings für die übrigen Salwe-Mitglieder, die nun dringend einen Ersatz suchen.

In den Wochen vor Corona hatten die neun Hausbewohner noch drei Frauen kennengelernt, die Interesse an dem Projekt gezeigt hatten. "Das war total nett, mit allen dreien", so Doris August. Die 80-Jährige wohnt mit ihrem Mann Reinhard im Haus. Die beiden waren es auch, die schon 2003 in der evangelischen Gemeinde Ebersberg die Initiative "Anders altern" ins Leben gerufen haben.

Innerhalb des Gesprächskreises hat das Ehepaar unter anderem für ihre Idee einer Hausgemeinschaft geworben. Fünf Jahre, bis 2008, dauerte es, bis sich aus den insgesamt 21 Mitgliedern die heutige Salwe-Besetzung ergeben hatte. Und weitere drei Jahre, bis die konkreten Pläne für das Projekt umgesetzt waren und die Gruppe im Dezember 2011 ihr neues Zuhause bezog.

Ein solches langfristiges Kennenlernen war eigentlich auch mit den drei Frauen geplant, die vor mehr als einem Jahr ihr Interesse an einem möglichen Einzug kundtaten. "Corona hat dann jeden persönlichen Kontakt unmöglich gemacht", sagt Hans Vollhardt. Der 82-jährige Alt-Landrat und langjährige Bürgermeister von Ebersberg lebt zusammen mit seiner Frau Doris Tauber-Vollhardt im Salwe-Haus. Eine der interessierten Frauen ist erkrankt, sodass für sie ein Einzug sowieso nicht mehr möglich ist. Zu den anderen beiden Frauen hat sich der Kontakt seit Corona vom Persönlichen hin zu E-Mails verlagert. Nicht gerade das, was sich die Beteiligten gewünscht hatten, aber es ging nicht anders.

Als feststand, dass eine Wohnung frei wird, hätten sie natürlich gleich die beiden verbliebenen Frauen kontaktiert, so Doris August. Für die eine sei der Zeitpunkt nun aber zu plötzlich gekommen, bei der anderen hätten sich die persönlichen Lebensverhältnisse so verändert, dass aktuell ein Einzug nicht in Frage kommt. Nun muss die Suche also von Neuem beginnen. Also: Was für ein Typ Bewohner sollte das neue Salwe-Mitglied im Idealfall sein?

Es sollte nur eine Person sein - für ein Paar sei die 52 Quadratmeter-Wohnung bestehend aus Bad, Küche, zwei Balkonen sowie einem Schlaf- und einem Wohnzimmer zu klein. "Es sei denn, das Pärchen wäre bereit, in einem Stockbett zu schlafen", sagt Vollhardt und lacht. Außerdem sollte die Person zwischen 65 und 75 Jahre alt sein. "Wenn jemand viel älter wäre, dann wäre das für uns schon schwierig, denn unser Ziel ist ja, dass wir uns erneuern", erklärt Doris August. Vollhardt stimmt ihr zu. Die beiden sitzen vor ihren Computern, das Gespräch findet per Zoom statt: August und Vollhardt sitzen zwar im selben Haus, jedoch jeder in der eigenen Wohnung vor dem eigenen Bildschirm.

Das Zusammenleben hat sich durch Corona stark verändert im Salwe-Haus. Gesellige Abende im Gemeinschaftsraum, dem Roten Salon, dessen Miete auf alle Bewohnerinnen und Bewohner umgelegt ist, finden nicht mehr in gewohnter Form statt. Bei den wöchentlichen Treffen, bei denen unter anderem Organisatorisches besprochen wird, sitzen alle mit FFP2-Masken und Abständen im Raum verteilt. Gemeinsame Unternehmungen oder Ausflüge, wie sie bislang regelmäßig stattfanden, fallen im Grunde genommen derzeit komplett aus. "Das ist schon eine Herausforderung für uns", sagt August.

Aber eine, die zu bewältigen ist. "Die geistige und kulturelle Innovationskraft, die uns immer belebt hat, ist nach wie vor vorhanden", so Vollhardt. Der monatliche Literaturkreis, dessen Treffen eigentlich immer im Roten Salon abgehalten wurden, findet nun online statt. An Weihnachten beteiligten sich die Salwe-Mitglieder an den Gottesdiensten, die in Ebersberg unter freiem Himmel abgehalten wurden.

Es mangelt keinesfalls an Ideenreichtum, durch den der Kerngedanke des Projekts - nämlich die Gemeinschaft - trotz der Corona-Umstände erhalten bleibt, das wird im Gespräch mit den beiden Bewohnern deutlich. Und Vollhardt betont, dass Sorgen von Interessenten, ob die Integration in eine seit neun Jahren bestehende Gemeinschaft als einzelne Person tatsächlich klappen kann, unnötig seien. "Wir freuen uns über jeden neuen Impuls hier in unserem Haus."

Interessierte wenden sich an Doris August oder an Hans Vollhardt, telefonisch unter (08092) 20224 oder (08092) 23944, oder per E-Mail an doris.august@web.de oder voll-taub@t-online.de.

© SZ vom 17.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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