Mitten in der Pandemie:Corona wird greifbar - endlich?

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Schon seit langer Zeit verfolgt einen das Virus wie ein dunkler Schatten. Nun, in der Omikron-Phase, zeigt es zum ersten Mal sein Gesicht - und das ist eigentlich gar nicht so hässlich.

Glosse von Anja Blum, Grafing

Es geht ein Gespenst um, nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt. Auch in Grafing. Das Gespenst heißt Corona und ist ein so allgegenwärtiger wie unsichtbarer Schrecken. Seit zwei Jahren nun schon richtet sich unser aller Alltag, ach was, das ganze Leben an der pandemischen Lage aus. Man hat schon einen ausgewachsenen Handwaschzwang entwickelt, sich an die Maske gewöhnt, lernte, niemandem zu nahe zu treten, und überhaupt alle unnötigen Kontakte zu vermeiden. Ein Fest feiern? Um Himmels willen! Der Gang ins Impfzentrum? Eine Selbstverständlichkeit.

Dabei gab es sehr lange Zeit im eigenen Familien-, Kollegen- oder Freundeskreis überhaupt keine Infizierten, geschweige denn Schwerkranken, Gott sei Dank. Corona, beziehungsweise seine Folgen, manifestierten sich praktisch nur auf abstrakte Weise, in Zahlen, Texten und Bildern. Das aber hat sich mit Omikron in den vergangenen Wochen schlagartig geändert. Plötzlich kommen die Einschläge immer näher. Und dann schon verdammt nahe. Bis zu jenem Tag, an dem der Schnelltest des eigenen Sohns plötzlich zwei deutliche Striche zeigt. Die Pandemie ist zuhause angekommen.

Doch die Fratze des Virus', der man nun endlich direkt ins Auge blicken kann, erweist sich als gar nicht so hässlich: Dank Zweifach-Impfung macht der Filius gerade mal so was wie eine schwere Erkältung durch. Einen Risikopatienten unterm selben Dach gibt es nicht, also kann man in medizinischer Hinsicht doch relativ entspannt sein. Überdies haben die Eltern beide Jobs, in denen Homeoffice problemlos möglich ist. Und das Homeschooling? Ein uralter, längst eingetragener Hut. Also: Wir bleiben jetzt alle wieder daheim - sehen wir's als großes Abenteuer!

Nur eine Sache erweist sich schnell als problematisch: Der infizierte 13-Jährige, normalerweise alles andere als ein Kuschelbär, möchte plötzlich sehr gerne umarmt werden. Nicht, dass es ihm an Einsicht in die Infektionswege mangelte, doch so ein leibhaftiges Gespenst vermag offenbar selbst einen obercoolen Teenager durchaus zu verstören. Und das ist dann doch eine neue Qualität des Verzichts: Abstand halten zum eigenen Kind - das fällt schwerer als alles andere. Hoffentlich verzieht sich dieses Gespenst bald wieder.

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