Religion und Brauchtum im Landkreis Ebersberg:Letzte Reise mit leichtem Gepäck

Lesezeit: 3 min

Im Neuen Friedhof Ebersberg sollen künftig auch Bestattungen ohne Sarg möglich sein. (Foto: Christian Endt)

In Ebersberg kann man sich nun auch im Leichentuch bestatten lassen. Die Stadt ist damit nach Kirchseeon die zweite Landkreiskommune, in der es keine Sargpflicht mehr gibt.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Sarg oder Urne? Diese Frage galt es bislang in der Kreisstadt vor einer Beerdigung zu beantworten - nun gibt es eine dritte Option. Der Ebersberger Stadtrat beschloss, die Sargpflicht aufzuheben, künftig kann man sich auch in einem Leichentuch beerdigen lassen. Da dies vor allem den muslimischen Bestattungstraditionen entgegenkommt, soll außerdem im Neuen Friedhof ein entsprechendes Gräberfeld entstehen. Nach Kirchseeon, wo die Friedhofssatzung bereits Ende 2022 entsprechend geändert wurde, ist Ebersberg damit die zweite Landkreiskommune, die Bestattungen im Leichentuch erlaubt.

So sicher wie der Tod galt lange Zeit die Sargpflicht auf bayerischen Friedhöfen, Ausnahmen gab es nur für Urnen. Vor fast genau drei Jahren fiel diese Vorschrift, seitdem können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie auf ihren Friedhöfen auch andere Bestattungsformen zulassen. In Ebersberg griff man diese Möglichkeit kurz nach der Gesetzesänderung auf, bereits im Mai 2021 beschloss der zuständige Stadtratsausschuss auf Antrag der SPD und ohne Gegenstimmen grundsätzlich ein Aus der Sargpflicht.

Kreis Ebersberg
:Bestattung ohne Sarg soll ermöglicht werden

Muslime begraben ihre Angehörigen ohne Sarg. Bisher ist dieses Ritual im Landkreis Ebersberg nicht umsetzbar. Zwei Gemeinden wollen das ändern.

Von Wieland Bögel und Andreas Junkmann

Dass es dann doch noch etwas gedauert hat, bis die Sache offiziell wurde, liegt daran, dass die Verwaltung zunächst noch einige Dinge zu prüfen hatte. Die Frage, ob die Bodenbeschaffenheit im Neuen Friedhof auch sarglose Bestattungen zulässt, war dabei noch am schnellsten geklärt. Das Gesundheitsamt hatte bereits vor Eröffnung des Friedhofes 1982 ein entsprechendes Gutachten erstellt, daraus gehe auch hervor, dass die Beisetzung vom Verstorbenen im Leichentuch unproblematisch sei.

Auch habe man bei Vertretern muslimischer Religionsgemeinschaften eruiert, wie die Gräber anzuordnen sind, damit die Verstorbenen mit dem Gesicht Richtung Mekka liegen können. Dies soll nun in drei neu anzulegenden Grabfeldern möglich sein. Diese entstehen im Bereich zwischen den klassischen Reihengräbern und den Baumgräbern. Dort könnten insgesamt bis zu 35 Gräber angelegt werden.

Ebenfalls zu klären war das Procedere einer muslimischen Beisetzung. Denn zum Friedhof muss der oder die Verstorbene in einem Sarg transportiert werden, dort werden die Verblichenen dann auf einem sogenannten Gebetsstein aufgebahrt. Dies müsse kein monumentaler Marmorblock sein, erklärte Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos) auf Nachfrage seines Stellvertreters Günter Obergrusberger (CSU), der Stein sei ohnehin von einem Tuch bedeckt. Aufstellen müsste diesen aber die Stadt auf eigene Kosten, entsprechende Mittel sollen in den Haushalt 2024 aufgenommen werden.

In München kann bereits seit Herbst 2021 sarglos bestattet werden

Wie die Reaktion der Bestatter auf die geplante Satzungsänderung ausgefallen seien, wollte Toni Ried (FW) wissen, konkret, ob diese mit Problemen rechneten. Dies sei nicht der Fall, so der Bürgermeister, man habe die Bestatter kontaktiert und die Auskunft erhalten, "die machen das woanders auch schon und haben geschultes Personal". Demnach werden die Bestatter den oder die Verstorbene auf dem Stein aufbahren, danach wird ein muslimischer Geistlicher Gebete sprechen und ein muslimischer Bestatter den Toten dann beisetzen.

Was auch noch zu Verzögerungen geführt habe, sei, dass man warten wollte, bis der Freistaat eine entsprechende Mustersatzung erstellt, schreibt die Verwaltung in ihrer Stellungnahme. Dies sei aber bislang nicht geschehen, darum habe man sich der Satzung bedient, welche die Stadt München in Abstimmung mit dem Bayerischen Gemeindetag erarbeitet hat. In der Landeshauptstadt fand im Herbst 2021 auf dem Westfriedhof die erste sarglose Bestattung statt.

Künftig gelten auch strengere Regeln für die Herkunft von Grabsteinen

Ohne Gegenstimmen wurde die Satzung beschlossen. Zusammen mit einer weiteren Änderung: Künftig sind auf allen Ebersberger Friedhöfen Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit nicht mehr zugelassen. Diese Regelung hatte die Grünen-Fraktion ebenfalls schon vor drei Jahren beantragt, auch diese wurde damals ohne Gegenstimmen beschlossen. Allerdings nicht ohne längere Diskussion, vor allem aus den Fraktionen von CSU und Freien Wählern kam der Vorwurf, man wolle den örtlichen Steinmetzen unlautere Methoden unterstellen.

Schon damals verwies die Verwaltung darauf, dass man mit den hiesigen Betrieben bereits Gespräche geführt und erfahren habe, dass dort entweder zertifizierte Steine oder solche aus einheimischen Quellen verwendet würden. Die Verwaltung wies nun erneut darauf hin, dass es sich bei dem Verbot um eine reine Formalie handele, "da die örtlichen Steinmetze sich schon seit Jahren an das Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit halten". Dies beruhe auf der bereits 1999 von der Internationalen Arbeitsorganisation verabschiedete und 2001 von der Bundesrepublik übernommenen Forderung, gegen Kinderarbeit vorzugehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGeschichte im Landkreis
:"Das ist mein Beitrag dazu, dass so ein Scheiß nie wieder passiert"

Josef Kendlinger hat sich 2017 auf die Suche nach dem Grab seines im Ersten Weltkrieg verstorbenen Großvaters gemacht. Was als ein persönliches Anliegen begann, entwickelte sich über die Jahre zu einer Lebensaufgabe. Mittlerweile hat er knapp 300 Ruhestätten von Gefallenen aus der Region gefunden.

Von Pia Hitzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: