Kreis Ebersberg:Junges Gemüse und neue Perspektiven auf dem Hof

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Anna Fritzsche hat auf ihrem Hof in Oberpframmern zuerst eine Direktvermarktung aufgebaut. Jetzt überlegt sie gemeinsam mit einem Architekten, wie man ein Gebäude für Urlauber umgestalten könnte. (Foto: Christian Endt)

Jung-Landwirte suchen nach zusätzlichen Standbeinen für ihre Betriebe. Manchmal geht es auf Umwegen zum Erfolgsmodell.

Von Aurelia Hennes, Ebersberg

Exotische Reiseziele und außergewöhnliche Destinationen scheinen in diesem Jahr aufgrund der unsicheren Infektionslage in vielen Ländern unerreichbar zu sein. Also werden derzeit in ganz Deutschland Alternativen gesucht, wie man mit der Familie die freien Tage am besten verbringen könnte. Viele sehnen sich etwas Abwechslung herbei und wollen etwas anderes sehen als die altbekannten eigenen vier Wände.

Ein Dauerbrenner, der in diesem Jahr vermutlich besonders viel Zuspruch finden wird, ist der vor allem bei Familien beliebte Urlaub auf dem Bauernhof: raus aus der Stadt und das Landleben in vollen Zügen genießen, das ist es, was sich viele wünschen. Auch im Landkreis Ebersberg will man sich auf Besuch von außerhalb einstellen: Aus diesem Grund hat Matthias Vodermeier, Landwirt aus Neufarn, im Rahmen der Betriebszweigentwicklung das Grundlagenseminar "Urlaub auf dem Bauernhof" besucht.

Angeboten wird die Fortbildung von der Akademie für Diversifizierung und wird schlussendlich mit einer Urkunde des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten belohnt. Mit den Seminaren in den Bereichen "Urlaub auf dem Bauernhof", "soziale Landwirtschaft" und "Direktvermarktung" solle die landwirtschaftliche Urproduktion mit neuen Betriebszweigen ergänzt und die Existenz der Betriebe gesichert werden, heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums. Die Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Unternehmen sollen des Weiteren wichtige Impulse für die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Regionen geben.

An 15 Terminen, die im Zeitraum zwischen September und März wöchentlich am Samstag stattfanden, hat sich Matthias Vodermeier so unter anderem das erforderliche Wissen zu Werbestrategien, Raumgestaltung der Ferienwohnungen, und die rechtliche Bestimmungen zur Umsetzung des Modells "Urlaub auf dem Bauernhof" angeeignet: "Sehr gut gefallen hat mir die Kompetenz der Dozenten: Sie wussten auf sämtliche Fragen eine Antwort."

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Anna Fritzsche lebte vier Sommer lang als Sennerin auf einer Alm. Nun hat sie ihren Hof in Oberbayern zum Biobetrieb umgebaut und experimentiert mit Gemüsesorten. Sie sagt: "Man kann mit so wenig Anbaufläche so viele Leute ernähren."

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Auch die Exkursionen zu landwirtschaftlichen Betrieben, die das Urlaubsmodell bereits verwirklicht haben, kann Matthias Vodermeier positiv herausheben: So wurde die Balance zwischen Theorie und Praxis sichergestellt. "Wir wurden als Gäste herzlich empfangen und es gab immer was zum Essen und Trinken - wie es eben im bayrischen Raum üblich ist", erzählt er schmunzelnd.

"Auch wenn etwas krumm gewachsen ist, ist es schmackhaft und wertvoll"

Abgeschlossen wurde das Seminar schließlich mit einer Präsentation der Teilnehmer, mit der aufgezeigt werden sollte, wie man das erlernte Wissen im eigenen Betrieb möglicherweise realisieren könnte. Die Überlegung des Landwirts war es ursprünglich, in einem alten Stallgebäude Gästezimmer einzurichten, um dort Tagesausflügler, aber auch Besucher und Mitarbeiter der Münchner Messe zu empfangen. Nach dem Kurs hat er sich allerdings gegen die Umsetzung entschieden: "Es hat sich dann mit dem Seminar herausgestellt, dass es für unseren Betrieb nicht sinnhaft ist."

Ähnlich erging es Anna Fritzsche von dem Bauernhof "Maierei" in Oberpframmern. Auch sie hat das Seminar "Urlaub auf dem Bauernhof" besucht, und hat sich zunächst dagegen entscheiden, das Konzept in ihrem Betrieb zu implementieren. Stattdessen hat sie sich mit den Eiern ihrer Legehennen und selbst angebautem Gemüse für die Direktvermarktung entschlossen. "Als Landwirtin produziere ich zwar Lebensmittel, war aber vom direkten Kundenkontakt entkoppelt. Ich wollte meine Produkte vor Ort für die Region vermarkten." Wichtig sei es ihr nämlich, dass der Kunde den Erzeuger hinter den Waren kennt. Besonders bei Gemüse und Eiern funktioniert dies sehr gut, nachdem sie nicht noch durch einen externen Dienstleister verarbeitet werden müssen, so Fritzsche.

Das Gemüse, das auf ihrem Bio-Bauernhof wächst, wird außerdem nicht nach Handelsklassen sortiert, auch das ist ein großes Anliegen der ausgebildeten Landwirtin. In dem "Maierei Biokistl" findet man deswegen unter anderem saisonales "Charaktergemüse", wie Fritzsche es nennt: "Auch wenn etwas krumm gewachsen ist, ist es schmackhaft und wertvoll." Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums hat vor allem die Direktvermarktung als Diversifizierungsvariante in Zeiten der Pandemie regen Zuspruch erfahren. "Durch das große Engagement steigern die Betriebe die Attraktivität des ländlichen Raums und erhöhen die Wertschöpfung in der Region. Gleichzeitig stärken sie aktiv den Erzeuger-Verbraucher-Dialog", resümiert Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU).

Anna Fritzsche hat sich schlussendlich nun doch noch dazu entscheiden, die angeeignete Theorie aus der Fortbildung zu nutzen, um die Voraussetzungen für einen "Urlaub auf dem Bauernhof" zu erschaffen. Deswegen überlegt sie aktuell mit einem Architekten zusammen, wie man ein Altgebäude auf ihrem Betrieb dementsprechend umzugestalten könnte: "Mit unserer Lage im Münchner Raum ist es sicherlich interessant, hier Urlaub zu machen und es mit Tagestrips zu verbinden." Und auch wenn Matthias Vodermeier das erlernte Wissen aus dem Seminar in seiner Landwirtschaft momentan nicht umsetzen wird, würde er die Weiterbildung dennoch empfehlen.

Wie auch Anna Fritzsche profitiert er von den Kontakten, die er während dem Seminar geschlossen hat. Außerdem sollte man sich nach seiner Überzeugung - egal in welchem Berufsfeld - stetig weiterentwickeln. Aus diesem Grund belegt seine Frau aktuell ein Seminar zur landwirtschaftlichen Buchhaltung: "Wir sind regelmäßig dabei, uns fortzubilden."

© SZ vom 19.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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