Digitalisierung:Abschied von Papier und Excel-Tabellen

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Dorelia Zangrando arbeitet seit Dezember 2021 im Landratsamt. (Foto: Christian Endt)

Dorelia Zangrando hat in Italien, Argentinien und London gearbeitet und studiert. Nun hilft sie dem Landkreis Ebersberg auf dem Weg zur Digitalisierung. Im Dezember 2021 ist sie als "Solution Engineer" in ihr kleines Büro im Ebersberger Landratsamt eingezogen - und sagt : "Es fühlt sich nicht wie Arbeit an."

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Was haben eine Skipiste in Cortina d'Ampezzo, ein Sojafeld in Argentinien und ein krankes Wildschwein im Ebersberger Forst gemeinsam? Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel. Auf den zweiten Blick: spannende Daten. Daten, mit denen sich Dorelia Zangrando eingehend befasst hat. Die in Argentinien geborene Münchnerin mit italienischen Wurzeln ist im Dezember 2021 als Solution Engineer in ihr kleines Büro im Ebersberger Landratsamt eingezogen - und arbeitet nun daran mit, die Behörde ins digitale Zeitalter zu bringen.

Zunächst einmal muss man sagen: Das kranke Wildschwein gibt es nicht. Noch nicht, und vielleicht auch niemals. Das hofft jedenfalls die 38-Jährige, ebenso wie alle Verantwortlichen im Landratsamt, alle Jäger und Landwirte im Landkreis. Sollte die Schweinepest aber die Region erreichen, wäre der Landkreis gerüstet. Blitzschnell könnten tote Tiere mit einer App gemeldet werden - inklusive genauem GPS-Standort, Beschreibung des Zustands und Fotos. Blitzschnell könnten auch Daten untereinander und mit übergeordneten Behörden ausgetauscht werden. Excel-Tabellen, bei denen man nie weiß, wer gerade die aktuellste Version bearbeitet, Papierlisten, die man per Hand irgendwo ins System einpflegen muss, Telefonate mit dem Potenzial zu Missverständnissen - das alles würde das von Dorelia Zangrando entwickelte System überflüssig machen.

Das Abwassermonitoring ist ein Leuchtturmprojekt des Landkreises

Es ist nicht das erste Projekt im Ebersberger Landratsamt, das Zangrando entwickelt hat. Bisher ist sie vor allem die Frau für die Krisen. Sie hat bereits mehrere Dashboards aufgesetzt, um die andere Landratsämter die Ebersberger Behörde beneiden. Das Corona-Dashboard war das erste Projekt in Ebersberg. Infektionszahlen, Impffortschritt, auf Gemeinden heruntergebrochene Inzidenzen - das alles lässt sich schnell ablesen, die meisten der Daten sind auch öffentlich einsehbar. Auch die Daten aus einem Leuchtturmprojekt des Landkreises, dem Abwassermonitoring, mit dem genau beobachtet werden kann, wie sich die Infektionszahlen verhalten, lange bevor die Tests anschlagen, sind dank einer Zusammenarbeit zwischen Zangrando und der Technischen Universität München digital bestens aufbereitet und schnell abrufbar. Sogar der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat sich davon bereits beeindruckt gezeigt. Er werde die weiteren Entwicklungen in puncto Digitalisierung im Landkreis Ebersberg aufmerksam verfolgen, kündigte er bei einem Besuch im Februar an.

Dass Dorelia Zangrando einmal dazu beitragen würde, einen oberbayerischen Landkreis auf Digitalisierungskurs zu schubsen, hätte sie wohl vor einem Jahr selbst noch nicht gedacht. Als sie die Stellenausschreibung las, musste sie erst mal bei Google nachschauen, wo dieses Ebersberg überhaupt genau liegt. Denn München ist zwar irgendwie ihre Heimatstadt, irgendwie aber auch wieder nicht: Fragt man Zangrando, wo sie herkommt, lacht sie erst einmal fröhlich und sagt: "Schwierige Frage!"

Aus den Dolomiten nach Buenos Aires und wieder zurück

Ihre Familiengeschichte würde jedenfalls Stoff für mindestens einen Roman bieten: Ihr wagemutiger Großvater stammte aus einem kleinen Dörfchen in den Dolomiten, eröffnete eine Eisdiele in den Niederlanden, verlor im Zweiten Weltkrieg alles - und wagte den Neuanfang in Südamerika. Später zog es die Familie wieder nach Europa, jedenfalls teilweise: Als Kind war für Dorelia Zangrando München ebenso Heimat wie Buenos Aires, wo sie geboren ist, und das italienische Tal Cadore, aus dem ihre Familie ursprünglich stammt. An der Europäischen Schule in München machte sie ihr Abitur, ihr Studium absolvierte sie in Padua und London, ihre große Liebe hatte sie schon vorher kennengelernt: die Geographie. Denn so beschreibt sie es selbst: "Ich habe mich in Geographie verliebt."

Geoinformationssysteme können in fast allen Bereichen des Lebens wichtige Daten beitragen, das ist für die 38-Jährige das Faszinierende daran. Für Forschungsprojekte der Universität Padua befasste sich Dorelia Zangrando unter anderem mit der geographischen Verbreitung von Parasiten in Nepal oder den Oberflächen von archäologischen Stätten nahe Padua. Ebenso spannend und vielfältig ist ihre Arbeit in der freien Wirtschaft: In Cortina d'Ampezzo entwickelte sie ein digitales Modell der Oberfläche eines Skigebiets, um anhand von Neigungswinkeln und Sonneneinstrahlung zu zeigen, wo Schneekanonen platziert werden sollten, und wo Pistenabschnitte angesichts ihrer Gefährlichkeit gesperrt werden müssten. In Argentinien half sie unter anderem mit der Auswertung von Satellitenbildern bei der Einschätzung von Unwetterschäden in der Landwirtschaft, in München arbeitete sie für eine Firma, die die Planung von Glasfaserleitungen für Gebiete in Südtirol ausführte. Das ist ja eben das Spannende für Dorelia Zangrando, dass sie ihre Kenntnisse in so vielen Bereichen anwenden kann: "Geographische Daten sind immer Punkte, Polygone, Linien. Nur die Attribute, die dahinterstecken, sind immer unterschiedlich."

"Es geht darum, die Abläufe schneller zu machen und die Fehlerquellen zu reduzieren"

Auch in Ebersberg befasst sich Zangrando mit unterschiedlichen Themen. Nach Corona folgte gleich die nächste Krise und die nächste Aufgabe: die Bewältigung der Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine im Landkreis Ebersberg. Vor allem um die gute Betreuung der vielen Geflüchteten geht es hier. Wo steht noch eine Unterkunft zur Verfügung? Für wie viele Leute? Welche Unterkünfte nehmen nur Erwachsene auf, welche auch Kinder? Wie lang steht das Zimmer zur Verfügung - und sind auch Haustiere erlaubt? Das zeigt das Ukraine-Dashboard, das Zangrando aufgesetzt hat. Auch hier: kein Blättern in verschiedenen Aktenordnern, keine zeitraubenden Telefonate und schon überhaupt keine Faxe sind nötig, um diese Informationen abzurufen.

Inzwischen hat es sich im Landratsamt längst herumgesprochen, was man mit Daten alles machen kann, wie viel besser es sich planen lässt, wenn man Informationen mit ein paar Klicks abrufen kann, statt in unterschiedlichen Datenbanken zu stöbern oder sich durch Papierberge zu wühlen. Dementsprechend mangelt es Dorelia Zangrando nicht an Aufträgen. Das Schweinepest-Dashboard ist inzwischen fertig und bei einer Übung im Forst bereits erprobt. Nun ist sie gerade noch dabei, die Daten zu bündeln, die wichtig werden könnten, wenn es tatsächlich zu einer Energiekrise - oder vielleicht sogar einem Blackout - im Landkreis kommen würde. "Es geht darum, die Abläufe schneller zu machen und die Fehlerquellen zu reduzieren", sagt sie und freut sich darüber, dass sie von ihrer Chefin Brigitte Keller, Leiterin der Abteilung Zentrales im Landratsamt, so viel Unterstützung erfährt - was vermutlich nicht zuletzt daran liegt, dass Keller bereits den Corona-Krisenstab und den Ukraine-Krisenstab geleitet hat und deshalb sehr gut selbst weiß, wie wichtig es ist, belastbare Informationen schnell zur Verfügung zu haben.

Doch auch abseits von Krisen gibt es viel zu tun, beispielsweise arbeitet Zangrando auch gerade an einem Bildungs-Dashboard. Schülerzahlen, Klassenstärken, Herkunftsorte, das alles ist dann einfach abzurufen, ebenfalls sind anhand der Daten Prognosen zur Veränderung der Schullandschaft möglich. Weitere Projekte warten schon auf sie. "Ich bin happy. Es fühlt sich nicht wie Arbeit an, was ich hier mache", sagt Dorelia Zangrando und lacht.

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