Politik in Bayern:Die ganz große Linie

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Der Neujahrsempfang des Ebersberger CSU-Kreisverbands findet digital statt. Hier im Bild: Ilse Aigner (unten links), Angelika Niebler, Thomas Huber(oben rechts) und Andreas Lenz. (Foto: Thorsten Rienth/oh)

Landtagspräsidentin Ilse Aigner spricht beim digitalen Neujahrsempfang des Ebersberger CSU-Kreisverbands. Hauptthema ist nichts Geringeres als die Verteidigung der Demokratie.

Von Thorsten Rienth, Ebersberg

Neujahrsempfänge sind nichts für Freunde politischer Detaildiskussionen. Vielmehr steht das politisch-gesellschaftliche Socializing im Mittelpunkt. Dazu reichlich warme Worte, um die traute Runde auf gemeinsame Ziele einzuschwören, normalerweise bei Sekt und Häppchen. Aber was ist schon normal nach zwei Jahren Pandemie, wenn digitale Neujahrsempfänge längst normal geworden sind? Der Ebersberger CSU-Kreisverband hat seinen am Freitagabend für die ganz große Linie genutzt: die Verteidigung der Demokratie - und das mit prominenter Unterstützung.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner nämlich, die auch oberbayerische CSU-Vorsitzende ist, hatte der Kreisvorsitzende Thomas Huber als Festrednerin gewinnen können. Und die kam ohne Umschweife auf das zu sprechen, was sie zurzeit mit am meisten störe: "Die Art und Weise, wie unsere Demokratie schlechtgeredet wird! Ich bin richtig frustriert, wie manche herumlaufen und allen Ernstes von einer Diktatur reden."

Diktatur-Vergleiche treffen Aigner "ins Mark"

Dabei habe die Demokratie doch gerade in der Pandemie gezeigt, dass sie gut funktioniere: 13, 14 Regierungserklärungen alleine in Bayern. Dazu ein umfassend in die Entscheidungen eingebundenes Landtagsparlament, das in öffentlichen Sitzungen tage. "Wir nehmen es wirklich ernst mit der Transparenz", so Aigner. Zwar finde man selbstverständlich immer Dinge, die rückblickend anders besser hätten entschieden werden können. Die Entlastung der Pflegekräfte zum Beispiel, die hätte die Politik zu lange vor sich hergeschoben. "Zum Dialog gehört aber nun einmal, dass man auch Widerspruch abbekommen kann. Aber nur, weil das passiert, lebt man doch noch lange nicht in einer Diktatur!" Da sollte so manch einer bitteschön in die deutsche Geschichte zurückblicken, so die Landtagspräsidentin. "Wenn ich auch noch an einem Holocaust-Gedenktag Diktatur-Vergleiche in den sozialen Medien lese, dann trifft mich das ins Mark."

Thomas Huber hofft auf ein "Jahr der Versöhnung"

Den Spin für solche Einblicke hatte Landtagsabgeordneter und CSU-Kreisvorsitzender Huber bereits in seiner Begrüßung gedreht. "Demokraten müssen für die Demokratie kämpfen, für die unverrückbaren demokratischen Werte einstehen", sagte er. Bedeute: Mit den in Richtung Sommer wohl sinkenden Infektionszahlen müsse neben der Öffnungsperspektive auch die Perspektive eines unaufgeregteren Dialogs einhergehen. "Das muss jetzt ein Jahr der Versöhnung werden, ein Jahr des gesellschaftlichen wieder Zusammenfindens. Selten waren die Fronten im Land so verhärtet", konstatierte Huber.

Den Appell zum Dialog bezog der Kreisvorsitzende ausdrücklich auch auf die CSU: "Eine krachend und völlig unnötig verlorene Bundestagswahl liegt hinter uns." Ganz offensichtlich sei es nicht gelungen, den politischen Kern der Partei nachvollziehbar in der Öffentlichkeit zu platzieren: "Dass die CSU nicht nur Hüter der Tradition ist, sondern auch zukunftsorientierter Gestalter." Auf dieser Flughöhe war das Thema dann aber auch wieder abgeräumt.

Angelika Niebler zollt einer Holocaust-Zeitzeugin Respekt

Die Europaabgeordnete Angelika Niebler aus Vaterstetten schob Aigners Exkurs in die politische Theorie hinüber in die Praxis. "Zum Holocaust-Gedenktag hatten wir im Europaparlament Margot Friedländer zu Gast", berichtete sie. "Unglaublich beeindruckend!" Die 100-jährige gebürtige Berlinerin war als Zeitzeugin der deutschen Diktatur in den Brüsseler Plenarsaal eingeladen. Den Holocaust überlebte sie zunächst im Versteck, dann im Lager Theresienstadt.

"Es sind Lebenswege wie ihrer, die uns zeigen, wie unglaublich wichtig gegenseitiger Respekt ist", befand Niebler. Einmal der persönlichen Geschichte Margot Friedländers wegen - Vater, Mutter und Bruder überlebten nicht. Und außerdem: "Weil sie einfach Mut macht mit ihrem Blick nach vorne. Damit, dass sie mit viel gegenseitigem Respekt das Gemeinsame sucht und nicht das Trennende." Eine Einstellung, die Niebler auch aufs politische Miteinander übertragen wissen wollte. "Lasst uns alle im Dialog bleiben, so bald wie möglich dann auch wieder persönlich."

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