Bundestagswahl 2021 in Ebersberg:Fünf Kandidaten aus dem Wahlkreis könnten einen Sitz bekommen

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Wer zieht in den Bundestag ein? Das ist in diesem Jahr im Wahlkreis Erding-Ebersberg eine besonders spannende Frage. (Foto: Kira Hofmann/DPA)

Durch eine Besonderheit des Wahlrechts könnten die Landkreise Ebersberg und Erding im Bundestag so gut vertreten sein wie nie zuvor

Von Wieland Bögel, Ebersberg

In der kommenden Legislaturperiode könnte der Landkreis Ebersberg mit so vielen Abgeordneten im Bundestag vertreten sein wie noch nie. Möglich ist zudem, dass dann mehr als der Hälfte aller Bundestagsfraktionen jemand aus dem Landkreis Ebersberg angehört. Aus dem Wahlkreis insgesamt könnten unter Umständen sogar insgesamt fünf Personen in den neuen Bundestag einziehen.

Hintergrund ist ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren bereits das Bundesverfassungsgericht beschäftigt hat, ohne dass indes eine befriedigende Lösung dafür gefunden wurde: die immer weiter zunehmende Zahl der Bundestagsabgeordneten. Diese folgt aus der ebenfalls immer weiter zunehmenden Diskrepanz zwischen Erst- und Zweitstimmen, beziehungsweise zwischen den Direkt- und den Listenmandaten.

Die meisten Kandidaten stehen relativ weit hinten auf den Listen

Konkret ist seit Jahren zu beobachten, dass vor allem die Union, teilweise auch die SPD, mehr Direktmandate holt, als ihr nach Zweitstimmenanteilen zustehen würden. Ein vereinfachtes Rechenbeispiel dazu: Bestünde der Bundestag aus lediglich jenen 598 Sitzen, die es laut Verfassung eigentlich gibt, wären 93 davon für Vertreter aus Bayern vorgesehen. Nimmt man den aktuellen Bayerntrend, erhielte die CSU 28 Prozent der Stimmen und damit knapp 26 Sitze. Die SPD käme mit 18 Prozent auf gerundet 16 Mandate. Bei den Grünen würden 16 Prozent knapp 15 Sitze ergeben. Für die FDP, die bei zwölf Prozent liegt, würden elf bayerische Abgeordnete ins Parlament einziehen. Und die AfD sehen die Demoskopen in Bayern aktuell bei zehn Prozent, das ergäbe neun Sitze.

Magdalena Wagner (SPD). (Foto: Christian Endt)

Für keinen Bewerber aus dem Wahlkreis würde ein solches Ergebnis zum Einzug ins Parlament reichen, dazu stehen die Kandidaten zu weit hinten auf den Landeslisten ihrer Parteien: Am weitesten vorne steht der AfD-Kandidat Peter Junker mit Platz 18, der Bewerber der FDP, Marc Salih, steht auf der 19, Magdalena Wagner von der SPD hat Listenplatz 28 und Christoph Lochmüller kandidiert auf Platz 38 der Grünen-Liste. Überhaupt keinen Listenplatz hat dagegen der aktuelle Wahlkreisvertreter in Berlin, der CSU-Abgeordnete Andreas Lenz hat auf einen solchen verzichtet, er strebt den Wiedereinzug in den Bundestag über das Direktmandat an.

Das ist einerseits mit Risiko verbunden, andererseits hat Lenz den Wahlkreis bereits zweimal in Folge gewonnen. Und da selbst in den für die CSU ungünstigen Umfragen die Christsozialen weiterhin stärkste Partei sind, stehen die Chancen für Lenz nicht schlecht. Schließlich genügt im Gegensatz etwa zu Bürgermeister- oder Landratswahlen beim Direktmandat nicht die absolute, sondern die einfache Mehrheit. Zudem hat sich bei vergangenen Wahlen gezeigt, dass Direktkandidaten oftmals besser abschneiden als ihre Parteien.

CSU-Bundestagsabgeordneter Andreas Lenz wird in Anzing über aktuelle Entwicklungen sprechen. (Foto: Christian Endt)

Erst einige Tage nach der Wahl wird sich wohl zeigen, wer nach Berlin geht

So hat die CSU vor vier Jahren die Direktmandate in allen 46 bayerischen Wahlkreisen geholt, durfte also ebensoviele Abgeordnete in den Bundestag entsenden. Nach dem Zweitstimmenanteil von 38,8 Prozent wären dagegen lediglich 36 Sitze an die CSU gegangen. Da direkt gewählte Abgeordnete auf jeden Fall ins Parlament einziehen, sind also alleine in Bayern zehn Überhangmandate entstanden - die entsprechend der Zweitstimmenanteile aller Parteien durch Ausgleichsmandate an die anderen Fraktionen kompensiert werden.

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Bei einer Podiumsdiskussion stellen sich fünf der zehn Bundestagskandidaten im Wahlkreis Ebersberg-Erding. CSU-Mann Lenz rückt von der 10-H-Regel ab.

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Würde man nun unter der Voraussetzung, dass die CSU erneut alle Wahlkreise gewinnt, das Zweitstimmenergebnis der aktuellen Umfrageergebnisse mit den Ausgleichsmandaten verrechnen, zeigen sich für die Bewerber im Wahlkreis plötzlich ungeahnte Chancen. So hätte die CSU zwar garantiert 46 Sitze, was aber deutlich mehr ist, als der Partei nach Zweitstimmen zustünde. 28 Prozent von 93 sind eben nur knapp 27 Sitze. Damit das Zweitstimmenergebnis aber gewahrt bleibt, müsste die Gesamtzahl der bayerischen Bundestagsabgeordneten so weit erhöht werden, bis 46 Sitze 28 Prozent entsprechen.

Umgerechnet auf die Ergebnisse der übrigen Parteien ergäbe sich folgendes Bild: Die FDP würde 19 Sitze bekommen, der Poinger Marc Salih säße künftig im Bundestag. Die SPD käme mit ihrem derzeitigen Ergebnis auf knapp 29 Sitze, für Magdalena Wagner würde es also ebenfalls reichen. Die AfD käme in diesem Rechenbeispiel auf gerundet 16 Sitze, zwei weniger, als Peter Junker für einen Einzug ins Parlament bräuchte. Ganz unmöglich ist das Bundestagsmandat für ihn indes nicht, die Umfragen schwanken derzeit ja stark und die AfD müsste im angeführten Szenario lediglich mehr als 10,9 Prozent bekommen, damit ihr Wahlkreiskandidat nach Berlin einzieht.

Für den Grünen Christoph Lochmüller scheint das Ziel in etwas weiterer Ferne, 23,2 Prozent müsste seine Partei dafür in Bayern erzielen, 7,2 mehr, als es die derzeitigen Umfragen ergeben. Allerdings entstehen die Ausgleichsmandate nicht alleine entlang der Ergebnisse in den Ländern, es gibt auch noch Querverrechnungen der verschiedenen Landeslisten untereinander. Da es heuer wohl einen besonders großen Bedarf an Ausgleichsmandaten geben dürfte, was mit entsprechendem Rechenaufwand verbunden ist, wird wohl erst einige Tage nach der Wahl feststehen, wie viele Abgeordnete den Land- und Wahlkreis diesmal in Berlin vertreten werden.

© SZ vom 09.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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