Bezirkstagswahl im Landkreis Ebersberg:Aussprechen, was schief läuft

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Ottilie Eberl ist eine Kämpferin, wenn es um soziale Teilhabe und Barrierefreiheit geht. (Foto: Christian Endt)

Echte Inklusion und Teilhabe liegen Ottilie Eberl von den Grünen besonders am Herzen. Darum will die Stadt-, Kreis- und Bezirksrätin ihre Expertise weiterhin im "Sozialparlament" einbringen.

Von Michaela Pelz, Grafing

Inklusiv und barrierefrei ist das Ladencafé mit Mittagstisch "Speisekammer" am Bahnhof Ebersberg, betrieben vom Einrichtungsverbund Steinhöring (EVS). Hier trifft man die Grüne Ottilie Eberl, denn genau das ist ihr Thema: Inklusion, "die man im Alltag auch echt merkt."

Sie ist Stadt- und Kreisrätin, sitzt seit 2018 auch im Bezirkstag und tritt nun zur Wiederwahl an. Die Arbeit im dritten kommunalen Gremium, das zuweilen Sozialparlament genannt wird, ist ihr ganz besonders wichtig. Teilhabe und Barrierefreiheit, "privat, im Nahverkehr, aber auch in Kultur und Politik" will sie fördern.

Ihr Engagement im im Sozial- und Gesundheitsausschuss kommt nicht von ungefähr: Mehr als 40 Jahre lang hat die 69-Jährige in Wohngruppen von Menschen mit geistiger Behinderung gearbeitet. Auch jetzt, als Rentnerin, hat sie einen aktiven Bezug zum Alltag von Betreuten und Beschäftigten im EVS. Mit ihrem Mann lebt sie mittlerweile als Mieterin in dem Haus, in dem sich jene Außenwohngruppe befindet, die Eberl 1994 aufgebaut und bis 2020 mitgestaltet hatte. Auch im Bezirk setzt sie sich für solch kleinteilige Wohneinheiten ein, weil sie um deren Bedeutung für die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit ihrer Bewohner weiß.

"Jemand muss aussprechen, was schiefläuft, selbst wenn es zwanzig Mal abgelehnt wird."

"Der Bezirkstag braucht Menschen aus der Praxis", fordert Eberl. Als Fachfrau weiß sie, wo es hakt, was die Menschen sich wünschen, was sie können und was nicht. So machte sie sich stark für das Thema "Mobilitätshilfe", mit dem Erfolg, dass der Bezirk schließlich die Leistungen anhob und die hemmende Dokumentationspflicht reduzierte. Ähnlich war es bei der Erhöhung des Pflegegelds für Personen, die sich um psychisch kranke Angehörige kümmern, die Eberl in einer Sitzung beantragt hatte. "Zwar gab es nicht die Summe, die ich gefordert hatte, aber doch deutlich mehr als vorher," berichtet sie. Funktioniert habe das allerdings nur, weil sie zuvor ihr Netzwerk nach konkreten Schwierigkeiten befragen und so mit handfesten Argumenten punkten konnte.

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Eberl ist hartnäckig in Sachfragen, lässt nicht locker, wenn ihr etwas wichtig ist. "Jemand muss aussprechen, was schiefläuft, selbst wenn ein Vorschlag zwanzig Mal abgelehnt wird."

Von ihrem persönlichen Einsatz hingegen spricht sie fast beiläufig. So erzählt sie von einer ukrainischen Familie, die sie seit 2022 in Alltagsdingen unterstützt. Kurz vor dem Gespräche hat sie ihr noch beim langwierigen Ausfüllen eines Antrags im Jobcenter geholfen - zum Glück hat sie vor ihrer Ausbildung zur Erzieherin Bankkauffrau gelernt, mit komplizierten Formularen daher durchaus Erfahrung. Sie sagt: "Wir müssen Behördenschreiben vereinfachen. (...) Das würde allen guttun, nicht nur Menschen mit Einschränkungen!"

Viel Zeit hat die zweifache Mutter und mittlerweile "begeisterte Großmutter" von jeher fürs Ehrenamt aufgewendet "Andere lesen Krimis, ich Sitzungsunterlagen und Zeitung". Schon als Jugendliche war die Bauerntochter aus dem Landkreis Mühldorf in der katholischen Landjugend politisch aktiv. Später dann, als sie einige Monate bei ihrem heutigen Ehemann Uwe Peters in Berlin lebte, kam sie mit der Friedensbewegung in Berührung.

Wann immer es geht, nutzt Ottilie Eberl das Fahrrad. (Foto: privat)

1984 zog das Paar nach Grafing, 1985 trat Eberl bei den Grünen ein und gehörte zu den Mitbegründern des dortigen Ortsverbands. Die Kinderwerkstatt Grafing, das Frauenzentrum Ebersberg, die fair-Grafing Weltladen Genossenschaft, den Verein Grafinger Autoteiler und den Verein WiNGS (Wohnen in Nachbarschaft Grafing Stadt) hat sie mitgegründet. Stadtratsmitglied in Grafing war sie von 1990 bis 2014, nahm dieses Amt nach einer Pause 2020 wieder auf. Seither gehört sie dem Kreistag an.

Nahbarkeit gehört zum Selbstverständnis von Ottilie Eberl, sie lässt sich überall ansprechen. Sogar im Freibad Grafing, im Sommer praktisch ihr zweites Zuhause. "Ich will ja wissen, was die Menschen belastet oder freut." So etwas wie der barrierefreie Zugang zur Grafinger Stadthalle etwa - auch eine ihrer Forderungen, die erfüllt wurde.

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Barrierefreiheit sei immer und überall ein Thema. Im Landkreis nähmen nur wenige Menschen mit Einschränkungen aktiv politisch teil. "Darum sehe ich es als meine Aufgabe, darauf hinzuweisen." Nach ihrer Vorstellung sollen Menschen mit Unterstützungsbedarf die Wahlfreiheit haben, ob sie in einem geschützten Umfeld ohne Leistungsdruck oder mit Hilfe eines Jobcoachs auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten.

Auch höhere Löhne und veränderte Arbeitsbedingungen im Pflegebereich sind ihr ein Anliegen, um dem Pflegenotstand entgegen zu wirken. "Weniger Dokumentiererei, mehr Zeit für Betreuung", darauf komme es an. Auch die Entstigmatisierung von seelischen Erkrankung will sie voranbringen: Das dürfe kein Tabuthema mehr sein. "Keiner soll Depressionen verschweigen müssen, weil er Angst hat, eine Stelle nicht zu kriegen."

Engagieren will sie sich auch weiterhin in der Arbeitsgruppe Erinnerungskultur, wünscht sich für den Landkreis einen Gedenkort für Euthanasie-Opfer, wie es ihn seit drei Jahren in Wasserburg gibt. Ottilie Eberl ist Mahnerin, Kämpferin und doch stets kompromissbereit. "Ich rede mit allen - außer der AfD; wir müssen zum Wohl der Sache zusammen anpacken."

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