Amtsgericht Ebersberg:Wenn Liebe zu Leid wird

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Eine ehemalige Prostituierte hat einen Freier aus dem Landkreis Ebersberg um mehrere tausend Euro betrogen. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Eine ehemalige Prostituierte steht vor Gericht, weil sie einen Freier aus dem Landkreis Ebersberg um mehrere tausend Euro betrogen hat. Die Verwicklungen reichen womöglich bis ins Rocker-Milieu der "Hells Angels".

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Am Ende saß die heute 21-Jährige ganz alleine auf der Anklagebank. "Ich entschuldige mich dafür, was ich den Männern angetan habe. Das tut mir wirklich von ganzem Herzen leid", beteuerte sie, ehe Richter Frank Gellhaus zusammen mit seinen beiden Schöffen das Urteil sprach. Für die junge Frau stand an diesem Tag viel auf dem Spiel: Kann sie die Chance ergreifen, ihrem Leben endlich die entscheidende Wendung zu geben oder rutscht sie zurück in jenen "dreckigen Sumpf", wie der Richter sagte, aus dem sie sich bereits mühsam herausgezogen hatte?

Jener "Sumpf" war auch der Grund, warum sich die Beschuldigte, die im Alter von 19 Jahren als Prostituierte arbeitete, vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten musste. Neben ihr saßen anfangs noch zwei Männer, die ebenfalls angeklagt waren. Das Trio soll einen 36-Jährigen aus dem südlichen Landkreis erpresst, bedroht und um mehrere zehntausend Euro betrogen haben. Dabei nutzen die Angeklagten laut Staatsanwalt die Naivität des inzwischen verstorbenen Mannes schamlos aus, der durch ein Millionenerbe zu plötzlichem Reichtum gekommen war. Daraus machte dieser aber nie ein großes Geheimnis - was letztlich dazu führte, dass der Mann von verschiedensten Leuten über den Tisch gezogen wurde. Erst vor wenigen Wochen wurde in Ebersberg ein 41-Jähriger deshalb zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

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Ein 36-Jähriger geht zu offen mit seinem Millionenerbe um - und wird mehrmals betrogen. Einer dieser Fälle landet nun vor dem Amtsgericht Ebersberg.

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Am Dienstagvormittag sollte nun den nächsten drei Angeklagten der Prozess gemacht werden, die sich am Erbe des Mannes bedienen wollten. Dieser hatte immer wieder die Dienste von Prostituierten in Anspruch genommen und sich dabei laut Anklageschrift in eine der Frauen verliebt. Als diese wiederum vom Vermögen ihres Freiers erfahren habe, wollte sie ihn glauben machen, sie werde von der Rockerbande "Hells Angels" zur Prostitution gezwungen, könne aber gegen eine Gebühr von 30 000 Euro freigekauft werden. Der Mann glaubte ihr und wandte sich für die Abwicklung dieses Deals an eine weitere Prostituierte, die - wie der 36-Jährige glaubte - gute Kontakte in das Biker-Milieu hatte. Diese war die nun angeklagte Frau.

Laut Staatsanwalt soll die damals 19-Jährige das Angebot dankend angenommen und sofort die ersten 5000 Euro als Anzahlung kassiert haben. Statt jedoch den Freikauf in die Wege zu leiten, behielt sie das Geld für sich. Doch damit nicht genug: Nur wenige Tage später erzählte sie dem Mann, sie würde eine Bar in Stuttgart betreiben, für die sie dringend 3000 Euro benötigen würde. Der Mann zögerte nicht lange und gab ihr das Geld.

Die zwei Angeklagten sollen Mitglieder der Rockerbande "Hells Angels" sein

Von dieser Freigiebigkeit bekamen auch noch andere Leuten aus dem Prostituierten-Milieu Wind - und wollten laut Anklage ebenfalls ihren Anteil abgreifen. Den beiden Männern, die nun in Ebersberg vor Gericht standen, warf die Staatsanwaltschaft vor, den 36-Jährigen mehrfach bedroht zu haben, um an weiteres Geld zu kommen. Der Mann "war eingeschüchtert und fürchtete um sein Leben", sagte der Anklagevertreter. Deshalb soll er auch dem 28-Jährigen und seinem 21-jährigen Komplizen - beide sollen vorgegeben haben, Mitglieder der "Hells Angel" zu sein - immer wieder mehrere tausend Euro übergeben haben. Weil deren Verteidigerinnen jedoch die Anhörung weiterer Zeugen forderten, wurde das Verfahren gegen die beiden vorerst vertagt. Sie werden in den nächsten Monaten erneut in Ebersberg vor Gericht erscheinen müssen.

Übrig blieb die heute 21-Jährige, die die gegen sie erhobenen Vorwürfe weitestgehend einräumte. Neben dem Betrug an dem Millionenerben musste sie sich auch noch wegen mehrmaligen Schwarzfahrens verantworten. Zudem hatte sie einen weiteren Freier über den Tisch gezogen, als sie sich mit der vereinbarten Bezahlung von 250 Euro einfach aus dem Staub machte. Noch deutlich schwerer wog die Anklage wegen falscher Verdächtigung, als sie gegenüber der Polizei erklärte, ein Bekannter habe sie vergewaltigt - was sich nach den Ermittlungen der Beamten als unwahr herausstellte.

Ihr Ex-Freund hat die heute 21-Jährige mit Gewalt zur Prostitution gedrängt

Hinter all diesen Taten sei ihr Ex-Freund die treibende Kraft gewesen, erklärte die 21-Jährige nun vor Gericht. "Er hat mir Liebe vorgespielt und mich in diese Kreise reingebracht." Der Mann soll ihr Schläge angedroht haben, sollte sie nicht genug Geld von ihren Freiern kassieren. "Ich hatte öfter ein blaues Auge", sagte die Angeklagte, die ihre Kindheit in einem Jugendheim verbracht hatte und mit 18 Jahren von zu Hause rausgeworfen wurde. Inzwischen lebt die 21-Jährige nicht mehr im Landkreis Ebersberg. Die Kontakte von damals habe sie allesamt abgebrochen, auch sei sie nicht auf sozialen Netzwerken aktiv, in der Angst, sie könnte aufgespürt werden - zumal sie und ihr Freund ein Kind erwarten.

"Ihr Leben war weit weg von der glamourösen Hollywood-Welt à la Pretty Woman", bemerkte Richter Frank Gellhaus mit Blick auf die frühere Tätigkeit der Angeklagten. Als Prostituierte arbeite sie schon längst nicht mehr, sagte sie vor Gericht, nun wolle sie sich zusammen mit ihrem Freund ein neues Leben aufbauen. Für ihre Taten musste die junge Frau aber dennoch geradestehen. Das Gericht verurteilte sie zu einer Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Um sie weiter auf dem richtigen Weg zu halten, gab ihr Richter Gellhaus zudem die Auflage, sich an die Schwangerenberatung zu wenden und sich um eine Hebamme zu bemühen. "Das Eis ist dünn, auf dem Sie sich bewegen", so der Vorsitzende. "Aber wir erwarten, dass Sie das schaffen können."

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