Räuberische Erpressung:"Ausgenommen wie eine Weihnachtsgans"

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Viele Menschen haben einen 36-Jährigen ausgenutzt und betrogen. Der erste Fall wurde nun vor dem Amtsgericht verhandelt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein 36-Jähriger geht zu offen mit seinem Millionenerbe um - und wird mehrmals betrogen. Einer dieser Fälle landet nun vor dem Amtsgericht Ebersberg.

Von Ulli Kuhn, Ebersberg

Wovon wohl jeder Mensch einmal träumt, wird für einen 36-Jährigen aus dem südlichen Landkreis zum absoluten Albtraum: Er erbt weit über eine Million Euro - und gutmütig wie er ist, erzählt er viel zu vielen Menschen davon. Es kommt, wie es vielleicht kommen muss: Der Erbe wird mehrmals, von verschiedenen Personen, über den Tisch gezogen. Er wird um viele Tausend Euro betrogen.

Inzwischen ist der Mann gestorben, eines natürlichen Todes, wie es vor dem Ebersberger Amtsgericht heißt, doch die Verbrechen an seiner Person beschäftigen nun die Justiz. Was an diesem Tag verhandelt wird, ist zwar nur die Spitze des Eisbergs, die große Verhandlung zur Vorgeschichte folgt erst in zwei Monaten. Doch selbst was in der aktuellen Anklageschrift steht, klingt wie das Drehbuch eines dramatischen Krimis.

Als es zu der an diesem Gerichtstag verhandelten Straftat kommt, hat der neu-reiche Mann schon eine längere Odyssee voller Erpressungen, Bedrohungen und finanziellem Ausbluten hinter sich. In seiner zunehmenden Verzweiflung wendet er sich am 9. Oktober 2020 vertrauensvoll an den Angestellten eines Kiosks, den er öfter besucht. Was er nicht bemerkt: Dieser Vertraute fasst sogleich den Plan, den 36-Jährigen ebenfalls zu betrügen.

Der angebliche Chef der Hells Angels steht im Vorgarten - und fordert 15 000 Euro

Doch warum ist der Erbe so durcheinander? Einen Abend zuvor, also am 8. Oktober 2020, klingelt um circa 21.30 Uhr sein Handy. Er geht ran. Am Telefon ist ein junger Mann, der behauptet, Chef der Münchner Hells Angels zu sein. Er fordert von dem Millionär 15 000 Euro - und sagt, er solle einmal aus dem Fenster sehen: Im Vorgarten steht ein schwarz gekleideter Mann mit Sturmmaske. Er hebt seine Jacke leicht an und zeigt auf eine Pistole, die in seinem Hosenbund steckt. Geistesgegenwärtig legt das Opfer auf und ruft direkt die Polizei. Den mittlerweile geflüchteten Täter können die Beamten an diesem Abend jedoch nicht mehr ermitteln.

Am nächsten Tag geht der verzweifelte Mann also in seinen Stammkiosk. Als er dem 41-jährigen Angestellten sein massives Problem schildert, gibt dieser an, einen Ausweg zu wissen: "Ich kenne Jungs vom Graue Wölfe MC" - ein ebenfalls berüchtigter Rocker-Club. Für 7000 Euro würden diese sich um sein Hells-Angels-Problem kümmern. Der Geschädigte willigt ein.

Am Ende kommt heraus: Der 41-Jährige vom Kiosk kennt gar keine Grauen Wölfe. Er will dem Opfer auch nicht helfen, sondern sich schlicht und ergreifend an der emotionalen Notsituation des Mannes bereichern - so wie viele Menschen zuvor.

Der vermummte Täter vom 8. Oktober kann nicht ermittelt werden

Nun will das Gericht prüfen, ob es einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten am 8. und 9. Oktober gibt. Denn die Polizei hatte später in der Nähe des Tatorts, in einem Waldstück, eine Sturmmaske, eine Waffenattrappe sowie Handschuhe gefunden und, das Wichtigste: das Telefon, mit dem der Geschädigten angerufen wurde.

Auf dem Handy sind nur drei Nummern gespeichert, nämlich die dreier Männer, die nun als Angeklagte im Gerichtssaal sitzen. Dabei handelt es sich um den 41-Jährigen aus dem Kiosk sowie um zwei 20-Jährige. Trotz des Telefons ist die über siebenstündige Verhandlung vor allem geprägt von der Auflistung von Indizien und dem Verlesen der Vernehmungen des inzwischen verstorbenen Opfers. Denn auf den im Wald gefundenen Beweismitteln wurden keine verwertbaren DNA-Rückstände gefunden. Außerdem bestreiten alle Angeklagten die Tat am 8. Oktober.

Der 41-jährige Kioskverkäufer gesteht lediglich seinen Betrugsversuch am 9. Oktober - und das aus gutem Grund. Die Beweislast ist erdrückend. Der Kioskverkäufer bedrängte den Geschädigten massiv. Eine Nachricht lautete: "Wir wohnen in der gleichen Stadt - sogar in der gleichen Straße. Wo willst du dich verstecken?" Eine andere: "Ich habe für dich dein Hells-Angels-Problem gelöst und so dankst du mir? Wenn ich das den Grauen Wölfen erzähle, kannst du was erleben!"

Einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten kann das Gericht nicht zweifelsfrei beweisen. "Es gibt nur Indizien. Nur weil das Täter-Handy kurz vor der Tat einen neunsekündigen Kontakt mit einem der Angeklagten hatte, und nur weil deren Nummern auf dem Handy gespeichert sind, kann man keinen Schuldspruch sprechen. Das wäre lächerlich", sagt einer der Verteidiger. Dem kann das Gericht schlussendlich nicht widersprechen.

Die Tat am 9. Oktober bleibt jedoch nicht ungesühnt

Also muss sich nur der 41-Jährige verantworten, und das auch nur wegen der Tat am 9. Oktober. Er wird wegen versuchter Erpressung in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug zu neun Monaten Haft und einer Geldstrafe von 1500 Euro verurteilt. Die Haftstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Dies habe der Mann, der schon neun Vorstrafen besitzt, unter anderem wegen räuberischer Erpressung, nur seinem Geständnis zu verdanken, so Richter Gellhaus in der Urteilsbegründung.

Um die eigentlich große Betrugsmasche, in die wohl mehrere Prostituierte, angebliche Zuhälter und weitere Personen verwickelt waren, geht es in einer anderen Verhandlung im Mai. Diese Gruppe habe den verstorbenen Millionenerben wohl insgesamt um 60 000 bis 80 000 Euro betrogen, so die Annahme von Polizei und Staatsanwaltschaft. Diese Taten hätten wohl aber nichts mit den Vorfällen aus dem Oktober zu tun, sondern fanden einige Monate zuvor statt. "Viele Leute haben den Geschädigten ausgenommen wie eine Weihnachtsgans", bilanziert der Richter am Ende der Verhandlung.

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