Szenario:Bravouröser Hanswurscht

Lesezeit: 2 min

Mutig, schelmisch und bravourös: Luise Kinseher hat eine fulminante Lobrede auf den Kabarettisten Severin Groebner gehalten. (Foto: Robert Haas)

Dieter Reiter patzt, Luise Kinseher brilliert bei der Dieter-Hildebrandt-Preisverleihung an Severin Groebner.

Von Oliver Hochkeppel, München

Der Oberbürgermeister ist schlecht präpariert bei seiner Begrüßungsrede zur Verleihung des Dieter-Hildebrandt-Preises an Severin Groebner, gleich mehrere Fehler haben sich eingeschlichen. Der gravierendste: Groebner sei nach seiner Münchner Zeit zurück in seine Heimatstadt Wien gegangen. Dass seither in Wahrheit Frankfurt die Wahlheimat des Geehrten ist, hätte Dieter Reiter schon angesichts des von Groebner mitgebrachten musikalischen Gastes aufgehen können. Elis C. Bihn streut gleich zu Beginn in seinen "Stammlokal Blues" waschechtes Hessisch ein und stellt sich genüsslich provokant als aus der Stadt der "Europapokalsieger" kommend vor.

Den wenigsten in der versammelten Kultur- und Kleinkunstriege im Saal, von Helmut Schleich bis Werner Meier, von Till Hofmann bis zum neuen Lach- und Schieß-Chef Stefan Hanitzsch, von Ehrenbürgerin Gertraud Burkert bis zu den diversen Kulturstadträten, dürfte Bihn ein Begriff gewesen sein. Ein Versäumnis, wie schnell klar wird: bitterböse sein "Heimat"-Song über mörderische Provinzler, famos am Schluss seine in einer Art Frankfurter Tom Waits vorgetragenen "Männer in Kneipen". Mit dieser von ihm gestifteten kleinen München-Premiere hatte Severin Groebner schon vorab einen Teil seines "Arbeitsauftrages" erfüllt, als den er Preise versteht. Da zumindest hatte ihn Dieter Reiter richtig zitiert.

Den Wien-Fauxpas lässt freilich die Laudatorin Luise Kinseher "dem Dieter" nicht durchgehen. Ist halt ein gefundenes Fressen für die Nockherberg-erprobte Derbleckerin. In diesem Stil geht sie zunächst auch "das fragwürdige Vergnügen" ihrer Lobrede auf Severin Groebner an. Oft hat sich ein Preisträger jedenfalls wohl noch nicht anhören müssen, dass er ein eigenartiger, komplizierter Hanswurscht ist. Aber natürlich war das nur die Rampe, von der aus Kinseher zum Sprung auf ein in seiner Fulminanz ebenfalls selten zu hörendes Lob ansetzte. Denn schließlich seien die rar gewordenen Hanswurschte dringend nötig, wenn sie so mutig, schelmisch und bravouröse Volldeppen-Darsteller seien wie Groebner, das Multitalent, das eben einzigartig in seiner Eigenart sei.

Für Eingeweihte sogar heftig berührend wird es, als Kinseher das am Beispiel einiger "Monster des Alltags" wie "die Schwarzmalerei" oder "der letzte Drücker" illustriert. Diese Ungeheuer hatte Severin Groebner einst unnachahmlich auf der Bühne verkörpert, nach den Vorlagen des 2013 völlig überraschend und viel zu jung gestorbenen Comic-Zeichners Christian Moser - damals Kinsehers Lebensgefährte. Auch Groebner und sie selbst seien ein verliebtes Paar gewesen, bekennt Kinseher - im "Weißen Rössl" auf der Bühne. Da kann der so Gelobte als Wiener dann gar nicht anders, als sich formvollendet mit gschamstem Diener samt Handkuss zu bedanken. Bevor er sich als Teamplayer ausweist und der halben Welt dankt. Und natürlich den nächsten Teil seines "Arbeitsauftrags" einlöst: Mit einem Ausschnitt aus seinem aktuellen Programm "Gut möglich" und einem Vorschau-Song aus dem gerade entstehenden "Zukunft und Herkunft".

Richtig flott geht das alles im Alten Rathaus über die Bühne, sodass hinterher angemessen Zeit für den üblichen Kleinkunst-Tratsch bleibt. Denn wie immer setzt einen das städtische Personal dort Kabarett-untypisch pünktlich um 22 Uhr vor die Tür. Wohl das Einzige, was Dieter Hildebrandt an diesem Abend nicht gefallen hätte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: