Danger Dan in der Isarphilharmonie:Der antifaschistische Schmusebarde

Danger Dan in der Isarphilharmonie: Der Musiker Danger Dan.

Der Musiker Danger Dan.

(Foto: Jaro Suffner)

Vor vollbesetzter Isarphilharmonie treibt der Antilopengang-Musiker Danger Dan sein kokettes Spiel: Da geht es um das "Verprügeln von Sextouristen in Bangkok" und das "Klatschen" von Homophoben - alles unter dem Deckel der Kunstfreiheit.

Von Michael Zirnstein

"Erwarten Sie an dieser Stelle eher ein Niveaugefälle", heißt es in Danger Dans Nummer "Victoria Ingloria". Diese ist ein Kabinettstück, in dem der Musiker in roboterhaftem Tempo mit seinem ehemaligen Aachener Gymnasium abrechnet. Weil dies sich auf Wikipedia mit ihm als einstigem Schüler zierte. Dabei hatte der ganze "Repressalienapparat" ihn damals fertig gemacht (wie elf Schulen in 15 Jahren).

Die harten Pennälerjahre haben den kleinen Daniel Pongratz nicht gebrochen. Aber sie haben ihn geprägt, so häufig wie er mit nun fast 40 im Konzert immer noch Schulstress und Systemdruck thematisiert oder angibt, "keinen Bock" zu haben, etwa aufs Klavierüben. Genau diese Art kommt prima an bei jenen, die es auch gerne ohne Anpassung und Büffelei geschafft hätten, allein mit Charme und Leidensfähigkeit wie er. Denn geschadet hat es seiner Karriere nicht (Platz eins mit "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt"): Das Sitzenbleiber-Stehaufmännchen, der antifaschistische Schmusebarde ist beim vorletzten Salonabend seiner Tournee in der mit fast 2000 Gästen vollbesetzten Isarphilharmonie angekommen.

Der Aufritt in den Klassiktempeln der Nation ist ein kokettes Spiel, gerade in München, wo er 2001 gegen die Sicherheitskonferenz demonstrierte und zwölf Stunden im Knast einsaß. Ist er noch so radikal, der Träger des "Deutschen Kleinkunstpreises 2023, Sparte Musik", der hier mit "Pepperspray"-Liedern talentiert einen auf Rio Reiser, Reinhard Mey, Billy Joel, Helge Schneider ("Nudeln & Klopapier"), Chilly "musical Genius" Gonzales und Udo Jürgens macht, obwohl er das Konzept "Mann am Klavier" persönlich eher traurig findet? Der auch als "Gangster-Rapper" (sagt er ironisch) der linken Hip-Hop-Punkstars Antilopengang in den Lehrerzimmern angekommen ist?

Ja, aber anders. Aggressivität spielt sich längst eben unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit im Kopf ab. Wenn er das Publikum animiert, etwas Leuchtendes hochzuhalten: "Taschenlampen, Handys, Knicklichter, brennende Polizeiautos"; beim Niedersingen mit Konjunk-Tiefschlägen von Querdenker-Demos (wobei zweierlei eben in der Gruppe besser geht, das Singen und das "Verprügeln von Sextouristen in Bangkok"); oder beim "Klatschen" von Homophoben, Transphoben und Rassisten - da holt er sein Publikum leidenschaftlich ab. Dann aber konfrontiert er die Fans damit, in der eigenen Familien-Nazi-Vergangenheit zu graben. "Da wird noch zu viel verschwiegen!" Er berichtet lange von verlorenen Liedern ermordeter Künstler, erzählt tief getroffen den Inhalt des von den Nazis verbotenen Rebellenstückes "Mein Vater wird gesucht" von Hans Drach und Gerda Kohlmey. Dann verlässt der Clown die Bühne, und das Streichquartett Johannes Heck spielt das Stück kunstreich und ohne Text. Höchstes Niveau.

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